Sebastian Vettel ist jetzt, genau wie Sie, vierfacher Weltmeister. Hat er etwas ganz Spezielles - etwas, das ihn so besonders macht?
Alain Prost: Ja, ich glaube, das hat er. Er hat sich im Laufe der Zeit unglaublich weiter entwickelt, hat große Schritte nach vorne gemacht. Sicher war er von Anfang an gut, das hat man gesehen, aber damals zu Beginn seiner Formel-1-Karriere gab es einige andere Fahrer - ich möchte da jetzt keine Namen nenne - die durchaus auf seinem Niveau zu sein schienen. Aber die hat er inzwischen weit hinter sich gelassen. Das hat viele Gründe. Es wird oft von Reife gesprochen, das ist sicher ein Punkt. Er ist unheimlich schnell wirklich erwachsen geworden, hat diese Reife erlangt. Er hat den richtigen Ansatz, mit den Leuten, mit denen er arbeitet, umzugehen, sie zu motivieren, noch mehr und noch besser für ihn zu arbeiten. Das alles spielt eine Rolle.

Was das reine Fahren und die Arbeit im Team angeht: Er hat verstanden, was er für sich braucht, um das optimale Ergebnis zu erzielen, in welche Richtung er mit dem Setup des Autos gehen muss, wie auch die Arbeit im Team ablaufen muss. Das ist das, was ihn so weit nach vorne gebracht hat. Er verdient wirklich alles, was er erreicht hat. Dieses Jahr war vielleicht seine eindrucksvollste Saison überhaupt. Man konnte sehen, dass er die ganze Zeit über wirklich alles unter Kontrolle hatte. Und das ist sehr eindrucksvoll.

Trotzdem bekommt er von vielen Seiten immer noch nicht die volle Anerkennung, es gibt immer wieder diesen "Vorwurf", er säße ja schließlich auch im besten Auto. Ist das für Sie unfair?
Alain Prost: Diese Diskussionen an sich werden sich wahrscheinlich nie ganz vermeiden lassen. Aber was wirklich unfair war, waren die Pfiffe bei den Siegerehrungen. Jemandem nicht die volle Anerkennung zu zollen, die Einschätzung seiner Leistung vielleicht ein bisschen zu hinterfragen, das ist eine Sache. Einen Sieger auszupfeifen, aber eine ganz andere. Das verdient niemand, das ist einfach nicht korrekt. Ein Sieger ist ein Sieger. Einer kann jemandem dabei lieber sein als ein anderer, das ist normal. Jeder hat andere Lieblingsfahrer und Lieblingsteams. Wenn jemand gewinnt, den man nicht mag, dann kann man ihn meinetwegen ignorieren. Aber ihn auszupfeifen, das ist respektlos. Und Respekt ist etwas sehr wichtiges.

Alain Prost und Sebastian Vettel - acht WM-Titel auf einen Schlag, Foto: Sutton
Alain Prost und Sebastian Vettel - acht WM-Titel auf einen Schlag, Foto: Sutton

Viele vergleichen Vettel mit den größten Fahrern der F1-Geschichte. Gibt es auf diese Frage überhaupt eine Antwort?
Alain Prost: Nein. Auf die nach dem besten Fahrer aller Zeiten schon überhaupt nicht - weil man die Epochen nicht vergleichen kann.

Und auf die Frage nach dem besten Fahrer der heutigen Generation?
Alain Prost: Vielleicht schon eher... Aber ich persönlich habe mich immer geweigert, auch auf diese Frage eine Antwort zu geben, und tue es auch heute noch. Ich denke, auch in der heutigen Generation haben wir mindestens fünf oder sechs Piloten, die absolute Top-Leistungen bringen. Deswegen will ich da kein Urteil abgeben, keine Vergleiche anstellen...

Michael Schumacher hat Vettel geraten, das Team zu wechseln, um als einer der ganz Großen in der Geschichte angesehen zu werden. Stimmen Sie dem zu?
Alain Prost: Wenn ich Sebastian wäre, würde ich das Team nicht wechseln. Man kann nicht nur deshalb wechseln, um das Publikum glücklich zu machen. Wenn man das Team wechselt, dann muss das andere Gründe haben. Zum Beispiel, dass man glaubt, allmählich bei seinem alten Team die Motivation zu verlieren... Vielleicht geht das Sebastian ja in ein oder zwei Jahren so, vielleicht spürt er das ja dann einmal. Oder er denkt, dass in ein paar Jahren vielleicht Ferrari, Mercedes oder Lotus auf einmal konkurrenzfähiger sein werden. Auch das wäre ein Grund für einen Teamwechsel. Aber nur woanders hinzugehen, damit andere glücklich sind - das kann es eigentlich nicht sein. Ein Fahrer muss dort fahren, wo es für ihn am besten ist. Das ist das allerwichtigste.