"Es ist einfach geil hier zu sein", sagte Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner am Anfang des Wochenendes. Doch abgesehen vom Spaß geht es morgen auch wieder ernst zu. Sind die Red Bulls zu schlagen? Ist Lotus im Rennen erneut so stark? Halten die Reifen? Kann Mark Webber Sebastian Vettel die vorzeitige WM-Feier vermasseln? Oder sorgt Fernando Alonso selbst dafür, dass sich der Heppenheimer noch zwei Wochen gedulden muss? Fragen über Fragen, die wir versuchen, schon heute zu beantworten.

Red Bull

Wer oder was kann Red Bull noch in Japan stoppen? So lautet die große Frage vor dem Rennen. Auf einen Sturm hofft die Formel-1-Welt nicht mehr, auch die Überlegenheit aus Singapur scheint größtenteils zurückgekehrt - was also soll Sebastian Vettel und Mark Webber noch stoppen? Bei Vettel sorgte am Samstag immerhin ein KERS-Defekt dafür, dass der Weltmeister nicht zu seiner fünften Japan-Pole in Folge fuhr, doch selbst ohne 80 Extra-PS landete er noch vor der Nicht-Red-Bull-Konkurrenz. Lewis Hamilton musste ernüchtert zugeben: "Wenn die beiden Red Bulls auf den Plätzen eins und zwei in die erste Kurve einbiegen, dann sind sie weg."

Die große Unbekannte sind einmal mehr die Reifen. Zwar erwartet Pirelli keine größeren Probleme, doch die Teams sind gewarnt, die lateralen Kräfte in Suzuka sind immens. Deshalb wählten viele Teams ein sehr konservatives Setup und verzichten auf Topspeed, um nicht so stark zu rutschen und in der Folge die Reifen zu schonen. Während Webber mit 307 Stundenkilometer schnellster Pilot überhaupt war, begnügt sich Vettel mit dreieinhalb km/h weniger Topspeed und rangiert in dieser Wertung auf Platz sechs. Der Weltmeister geht also konservativer ins Rennen als sein australischer Herausforderer. Und auch die Freitags-Longruns zeigten: Vettel muss sich keine Sorgen um die Longrun-Pace machen.

Mercedes

Rang drei für Lewis Hamilton und Startplatz sechs von Nico Rosberg spiegeln nicht das wieder, was dahintersteckt. Ähnlich wie Red Bull splittete auch Mercedes die Strategien. Und so kommt ein gänzlich ungewohntes Bild zustande: Nico Rosberg ist mit 296,8 Stundenkilometer Topspeed mit Abstand der langsamste Pilot im Feld. Lewis Hamilton hingegen belegt hier mit 301,4 km/h den zwölften Platz, ist also fast fünf Stundenkilometer schneller als sein Teamkollege. Mercedes scheint aus den Reifen-Horror-Rennen gelernt zu haben und geht auf Nummer sicher.

Hamilton und Rosberg setzen auf unterschiedliche Strategien, Foto: Mercedes AMG
Hamilton und Rosberg setzen auf unterschiedliche Strategien, Foto: Mercedes AMG

Unterschiedliche Strategien bestätigen auch die Piloten selbst. "Nico war bei den Longruns etwas schneller und hatte eine bessere Balance", meinte Hamilton. "Ich wählte eine aggressivere Herangehensweise, die vielleicht - vielleicht aber auch nicht - so gut mit den Reifen umgeht." Bei den Freitags-Longruns sah die Mercedes-Pace gut aus, Nico Rosberg war deutlich schneller als Fernando Alonso und Romain Grosjean. Ob es jedoch für die Red Bulls reicht, ist mehr als fraglich, schon im Qualifying war der Abstand dafür deutlich zu groß. Über die Distanz scheint die Schere noch weiter auseinander zu gehen.

Lotus

Romain Grosjean schaffte mit Startplatz vier erneut einen Achtungserfolg. Schon im ersten Qualifyingsegment fiel der Franzose positiv auf, als er mit der härteren Mischung rund vier Zehntelsekunden schneller fuhr als Nico Rosberg auf den Medium-Reifen. Gemessen am Rennspeed vergangener Rennen sollte zumindest Grosjean in der Lage sein, ein Wörtchen um das Podium mitsprechen zu können. Doch am Freitag zeigte sich der E21 fast ungewöhnlich langsam im Dauerlauf. Dass plötzlich nicht mehr Lotus auf der Geraden am langsamsten ist sondern Mercedes, könnte ein Indiz dafür sein, dass sich die Verhältnisse leicht gewandelt haben.

Allerdings muss bedacht werden, dass Lotus wegen Räikkönens Ausfall in FP2 nicht das geplante Testprogramm absolvieren konnte. "Nachdem wir am Freitag einige Longruns nicht fahren konnten", spielt auch Alan Permane darauf an, "haben wir uns heute Morgen auf die Vorbereitung für das Rennen konzentriert und noch ein wenig Geschwindigkeit aus dem Auto heraus gekitzelt." Sollte der Japan GP wirklich zur befürchteten Reifenschlacht werden, könnte Lotus aber einen großen Trumpf in der Hinterhand haben: die harten Reifen. Bei keinem Team scheinen die orange markierten Pneus so gut zu funktionieren wie bei Lotus. Und Kimi Räikkönen darf man ohnehin nie abschreiben.

Ferrari

Vor einem Jahr durfte Felipe Massa nach einer gefühlten Ewigkeit wieder aufs Podium, Foto: Sutton
Vor einem Jahr durfte Felipe Massa nach einer gefühlten Ewigkeit wieder aufs Podium, Foto: Sutton

Das Sorgenkind. Das springende Pferd kränkelt schon seit einer ganzen Weile, auch in Japan sieht es für die Scuderia nicht wirklich prickelnd aus. Felipe Massa konnte Fernando Alonso im Qualifying erneut schlagen - was in der Regel kein gutes Zeichen ist - und setzte den F138 auf Startplatz fünf. Sein spanischer Teamkolleg, der bei einem Vettel-Sieg mindestens Achter werden muss, um die WM-Entscheidung zwei Wochen aufzuschieben, startet hinter seinem neuen Lieblingsgegner Nico Hülkenberg auf Position acht. Eine optimale Ausgangslage sieht also anders aus. Deshalb werden in Maranello auch seit geraumer Zeit kleinere Brötchen gebacken.

"Ich denke, dass ein Platz unter den Top-5 realistisch ist", so Alonso. "Wir kennen unsere Stärken - der Start, die Strategie und der Reifenabbau. Diese werden wir nutzen, um auch an diesem Sonntag wichtige Punkte zu holen." Freitags sah die Mythosmarke im Dauerlauf zwar besser aus als Lotus, Red Bull und Mercedes waren hingegen schon deutlich weg. Zudem scheint Lotus über Nacht noch etwas gefunden zu haben. Die italienischen Hoffnungen auf ein Podium sind wohl eher gering, doch Felipe Massa zeigte bereits im vergangenen Jahr, dass (kleine) Wunder in Suzuka möglich sein.