Vom ersten Grand Prix der Saison am 17. März in Australien bis zum letzten Rennen vor der Sommerpause am 28. Juli in Ungarn waren die Reifen das dominierende Thema in der Formel 1. In der ersten Saisonhälfte drehte sich alles um das schwarze Gold. Hinter all den Diskussionen steckte aber nicht die Sorge um die Sicherheit, sondern vor allem Politik.

"Der Reifenskandal ging nicht darum, dass der Reifen gut oder schlecht war, sondern dass Red Bull einen anderen Reifen wollte. Die breite Öffentlichkeit hat nicht gewusst, dass Vettel nur deshalb sagt, dass der Reifen scheiße ist, weil er einen Performancevorteil haben wollte. Jetzt hat er genau den Reifen gekriegt, den er haben wollte. Damit ist die WM entschieden", stellt Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner klar. Nach dem Reifenmassaker von Silverstone brachte Pirelli einen neuen Reifen nach Ungarn, eine Mischung aus dem Vorjahresmodell und den aktuellen Pneus.

Kleine vs. Top-Teams

Für kleinere Teams wie Force India war damit der bisherige Performancevorteil weg. "Es ist ganz klar ein Reifen für die Top-Teams, deswegen sind die jetzt wieder vorne. Die haben bei der ganzen Reifendiskussion gewonnen und wir müssen jetzt damit Leben", klagte Adrian Sutil nach dem Qualifying in Ungarn gegenüber Motorsport-Magazin.com. Auch Danner schlägt in die gleiche Kerbe: "Endlich hatten die Kleinen auch einmal die Chance, den Großen an die Tür zu kratzen. Das ist jetzt wieder vorbei. Leider hat in diesem Skandal das Establishment gewonnen."

Pirelli-Reifenchef Paul Hembery reagierte erwartungsgemäß wenig begeistert auf die Reifenkritik von Sutil. Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com sagte er mit eiserner Miene: "Es ist für alle das Gleiche, wie im letzten Jahr. Es ist der Job der Teams, damit umzugehen." Um den schwarzen Peter nicht nur den Teams zuzuschieben, fügte Hembery noch hinzu, dass der Hungaroring eine einzigartige Streckencharakteristik besessen habe, auf der es schwierig gewesen sei, die richtige Balance zu finden. "Es sah nicht so aus als hätten sie [Force India] beim letzten Rennen in Deutschland Probleme gehabt, vielleicht war es nur eine einmalige Sache."

Sicherheit nicht das Hauptthema

Reifenschaden extra provoziert?, Foto: Sutton
Reifenschaden extra provoziert?, Foto: Sutton

Um die eigentliche Delaminierung der Reifen ging es den Top-Teams nur zweitrangig. Sonst wäre das Reifenmassaker in Silverstone, wo bei vier Autos der linke Hinterreifen explodierte, wohl nicht passiert, denn die Reifenproblematik war bereits seit dem Bahrain GP bekannt. "Dieses Problem hatte sich Pirelli eingefahren, weil sie bei 8 Grad im Winter getestet haben", betont Danner. Danach befand sich Pirelli gefangen im Concorde Agreement - der Reifenhersteller wollte das Problem, sobald man es erkannt hatte, lösen. Doch die einstimmige Zustimmung, die das Concorde Agreement vorschreibt, fehlte.

Stattdessen machten sich die Teams das Problem für ihre eigenen Zwecke zu nutze. "Red Bull und Mercedes haben sich zunutze gemacht, dass es ein anderes Reifenproblem gab, das mit ihrem gar nichts zu tun hatte und haben gesagt, dass der Reifen unsicher ist", behauptet Danner. Hinter vorgehaltener Hand heißt es im Fahrerlager sogar, dass die Teams absichtlich mit den Luftdrücken gespielt haben, um das Sicherheitsproblem der Reifen zu unterstreichen. Die Folge sei das Desaster in Silverstone gewesen. Ob dank der neuen, alten Reifen in der zweiten Saisonhälfte nun endlich Ruhe einkehren wird, wird man abwarten müssen.