Die Formel 1 ist in Aufruhr. In Silverstone erlebte die aktuelle Reifendebatte ihren vorläufigen Höhepunkt, nachdem bei gleich vier Piloten das schwarze Gold im wahrsten Sinne des Wortes explodiert war. Unter anderem wurde auch der in Führung liegende Lewis Hamilton ein Opfer der platzendenden Pneus und sprach nach dem Grand Prix von Lebensgefahr. Dieser Meinung schlossen sich viele seiner Kollegen an: Sollte es auf dem Nürburgring trotz des von Pirelli überarbeiteten Materials abermals zu Reifenschäden kommen, werden die Piloten das Rennen vorzeitig beenden, verkündete die Grand-Prix-Fahrer-Vereinigung GPDA nach einer Sitzung am Donnerstag in einem Statement.

"Die wichtige Sache ist, dass wir nicht über Boykottierung und nicht über Politik sprechen - wir sprechen über die Sicherheit", betonte der GPDA-Vorsitzende Pedro de la Rosa. "Es gab keinen Fahrer, der gegen den Beschluss war. Sicherheit steht an erster Stelle und sollte es an diesem Wochenende irgendein Problem mit Reifenplatzern geben, müssen wir an unsere Leben, an jene der Marshalls und der Fans denken." Allerdings erklärte der Spanier, dass man sich jeden Fall genau ansehen werde, denn immerhin könnten Reifenschäden auch durch auf der Strecke herumliegende Karbonteile hervorgerufen werden, was kein Grund für einen Abbruch wäre.

Pirelli verärgert

Im Fahrerlager ist die Meinung bezüglich der Ankündigung recht geschlossen. "Es gibt viele Fahrer, die sich Sorgen machen - es ist nicht lustig, wenn man mit 300 in die Kurve einlenkt und der Reifen platzt", meinte etwa Nico Hülkenberg. "Es ist ernst zu nehmen. Wir wollen nicht drohen, haben uns aber mit dem Thema beschäftigt und gesagt, wenn sich hier so etwas wie in Silverstone wiederholen sollte, werden wir die angekündigte Sache durchziehen."

Gar nicht langsam: Vettel lobt Pirelli für die schnelle Reaktion, Foto: Sutton
Gar nicht langsam: Vettel lobt Pirelli für die schnelle Reaktion, Foto: Sutton

Neben den 19 Grand-Prix-Piloten, die aktuell Mitglieder der GPDA sind, wohnten auch Vertreter von Pirelli, darunter Motorsportdirektor Paul Hembery, der Sitzung bei und mussten Rede und Antwort stehen. "Wir haben nie gesagt, dass wir nicht fahren wollen", versuchte Sebastian Vettel die Lage ein wenig zu beruhigen und sorgte für Aufklärung: "Bei dem Treffen gab es zwei Punkte: 1. Wir alle freuen uns über die schnelle Reaktion von Pirelli, die innerhalb von einer Woche eine Lösung präsentiert haben. 2. Wir haben erklärt, dass die Umstände, unter denen wir in Silverstone das Rennen fuhren, inakzeptabel waren. Sollte sich das wiederholen, können wir unter diesen Umständen nicht mehr antreten."

Dass die GPDA ihren Beschluss auch noch per Presseaussendung öffentlich machte, sah man bei den Pirelli-Verantwortlichen jedoch gar nicht gerne, weshalb sie sich etwas verstimmt zeigten. "Stopp. Sie fahren, wir machen die Reifen", meinte Hembery etwa kurz angebunden darauf, dass Tyre Swapping, das Vertauschen der Pneus zwischen links und rechts, aus Sicht der Piloten doch gar nicht so schlimm sei.

Räikkönen will fahren

Vollstes Verständnis für die Vorgehensweise der Piloten hat hingegen Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Es ist generell gut, dass sich die Fahrer zu Wort melden und sagen, dass wir so etwas wie in Silverstone nicht brauchen und wenn es sich wiederholt, fahren wir nicht", hielt er fest. "Das ist durchaus verständlich und es ist auch richtig, dass die Fahrer über ihre Organisation einen klaren Standpunkt beziehen. Damit ist die Richtung vorgegeben, die lautet: So nicht!"

Während auch Daniel Ricciardo betonte, dass es die korrekte Vorgehensweise sei, im Falle neuerlicher Reifenschäden das Rennen abzublasen, tanzte lediglich Kimi Räikkönen aus der Reihe. Der Finne ist wie Adrian Sutil und Valtteri Bottas nicht Mitglied der GPDA und hat eine ganz eigene Sicht der Dinge.

"Ich war 2005 schon einmal in so etwas involviert und witzigerweise gab es ein paar Jungs, die nicht gestoppt haben, sondern gefahren sind. Diesmal werde ich auch fahren, egal was passiert", blickte Räikkönen auf das legendäre Rennen in Indianapolis vor acht Jahren zurück, an dem nach zahlreichen Reifenschäden im Training lediglich die sechs Bridgestone-Piloten teilnahmen. "Ich war zu dem Treffen eingeladen, aber ich bin kein Teil davon und gehe nur manchmal hin", nahm er auf die GPDA-Sitzung Bezug. "Ich bin sicher, dass das sowieso nicht passieren wird"