Die Nachwehen des Großen Preises von Malaysia sind auch in Shanghai noch deutlich zu spüren, denn auch im Reich der Mitte dreht sich alles um die teaminternen Duelle bei den Top-Rennställen. Wie ist es nach der Kontroverse in Sepang um den Frieden bei Red Bull bestellt? Darf Nico Rosberg Teamkollege Lewis Hamilton diesmal überholen? Und lässt Felipe Massa im Qualifying zum fünften Mal in Folge Teamkollege Fernando Alonso hinter sich? Die Brisanz der brennendsten Fragen vor dem dritten Kräftemessen des Jahres auf dem Shanghai International Circuit gibt einen Vorgeschmack auf das Wochenende, das dem F1-Zirkus den nächsten Schritt in Richtung einer endgültigen Standortbestimmung für das Jahr 2013 einbringen soll. In Melbourne machte die sonderbare Streckencharakteristik einen echten Vergleich nahezu unmöglich.

Teamorder vs. Fahrer-Egoismus

Fast drei Wochen sind vergangen... die Aufregung ist geblieben, Foto: Sutton
Fast drei Wochen sind vergangen... die Aufregung ist geblieben, Foto: Sutton

Zuletzt vor den Toren Kuala Lumpurs wurde viel durch das unbeständige Wetter durcheinandergewirbelt - China gilt somit als erster Saisonlauf mit nachdrücklicher Aussagekraft, haben viele Teams zudem doch schon die erste Ausbaustufe ihrer Updates mitgebracht. Klar ist aber auch: All diese Dinge sind im Vergleich zum seit nun nahezu drei Wochen die Medien beherrschenden Hauptthema Nebenkriegsschauplätze. Nach wie vor steht natürlich Weltmeisterteam Red Bull im Mittelpunkt. Sebastian Vettels Hinwegsetzen über die Teamorder 'Multi21' entriss Mark Webber einen sicher geglaubten Sieg. Besonders interessant wird daher die Frage ob, wann und vor allem wie sich der Australier revanchiert - ist es schon in China soweit? Webber räumte zwar ein, dass die Atmosphäre angespannt sei, glaubte aber auch, dass beide Piloten professionell mit der Situation umgehen könnten.

"Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Im Moment konzentriert sich jeder auf die eigene Performance", sagte der Routinier. Vettel goss seinerseits noch einmal Öl ins Feuer. "Ich entschuldige mich nicht dafür, zu gewinnen", meinte der Deutsche, der sich nach dem Sieg in Malaysia zunächst noch ziemlich kleinlaut gezeigt hatte. Bei der Wiederankunft im Fahrerlager in Shanghai schien er seinen Kurs nun abermals geändert zu haben, war vielmehr darauf bedacht, auch bewusst Reizpunkte zu setzen. "Ich denke, hätte ich den Funkspruch verstanden, dann hätte ich genau darüber nachgedacht, was das Ganze bedeutet", so der Heppenheimer. "In Anbetracht der Ereignisse der letzten Jahre glaube ich nicht, dass Mark es verdient hätte, dass ich ihn das Rennen gewinnen lasse." Die Konsequenz: "Wahrscheinlich würde ich es wieder so machen..."

Versöhnliche Worte klingen anders - für Red Bull entwickelt sich die Causa mehr und mehr zum potenziellen Stolperstein. Dass das Team geschlossen seinen Fokus auf das sportliche Geschehen richten kann, ist vor der zunehmenden Lautstärke aller medialen Nebengeräusche immer unwahrscheinlicher. Profitieren wollen davon natürlich die Gegner. Besonders auf Ferrari und Fernando Alonso ist der Druck groß - nach der Nullrunde in Sepang will der Spanier zurückschlagen. Mit Blick auf die Teamorder-Affäre bei der Gegnerschaft konstatierte er für den Fall, dass er sich in Vettels Position befunden hätte: "Ich gehe davon aus, dass ich die Position gehalten hätte. Am Ende wird man vom Team bezahlt und muss das machen, was sie sagen. Jeder im Team hat eine Position und die muss er respektieren."

Rosberg kommt mit guten Erinnerungen

Unvergessen: Rosbergs erster F1-Sieg in Shanghai 2012, Foto: Sutton
Unvergessen: Rosbergs erster F1-Sieg in Shanghai 2012, Foto: Sutton

Sich jedoch nur mit der Konkurrenz aufzuhalten, kam für Alonso auch nicht infrage. Dazu gäbe es auch beim Team aus Maranello noch zu viele offene Baustellen - aus seiner persönlichen Sicht, dürfte die größte mit Sicherheit die Tatsache sein, dass Felipe Massa sich dieses Wochenende anschickt, den Asturier saisonübergreifend zum fünften Mal in Folge im Qualifying zu schlagen. "Natürlich will ich an jedem Wochenende vor meinem Teamkollegen ins Rennen gehen, aber wenn er eine magische Runde fährt, kann ich nichts machen", wollte der Doppelweltmeister die Situation nicht zu dramatisch bewerten. Er könne ohnehin nur Gas geben und dann sehen, welche Position am Ende auf dem Zeitenmonitor aufleuchte. "Ich werde es in China wieder versuchen und hoffentlich gelingt es mir...", versprach Alonso.

Teaminterne Duelle gibt es jedoch nicht nur bei Red Bull oder Ferrari - auch bei Mercedes sorgte zuletzt ein Nichtangriffspakt für viel Diskussionsstoff und Frust bei Nico Rosberg, der nach einer Ansage vom Kommandostand in Sepang hinter Lewis Hamilton zurückstecken musste. Bei den Silberpfeilen wollte man sich bei der Ankunft in China jedoch ausschließlich auf das anstehende Wochenende konzentrieren und das Geschehene ruhen lassen. So ganz ohne einen Verweis auf die Geschichte ging es dann bei den Stuttgartern aber auch nicht - jedoch auf die des Vorjahres. Den ersten und bisher einzigen Sieg des Teams erkämpfte Rosberg vor gut zwölf Monaten immerhin an Ort und Stelle. Dementsprechend kamen bei der Rückkehr auf die Mercedes-Strecke nach Shanghai überwiegend positive Gefühle hoch. "Ich habe das Rennen in den letzten drei Jahren angeführt und im vergangenen Jahr schlussendlich gewonnen", grinste der Vorjahrestriumphator.

"Der Kurs liegt mir und dem Auto sehr gut und ich bin zuversichtlich, dass ich hier ein wirklich gutes Ergebnis erreichen kann. Ich bin extrem motiviert", so Rosberg. 2012 spielten den Silberpfeilen jedoch auch die kühlen Temperaturen in die Karten, die die sonst oft kritische Reifensituation für Mercedes maßgeblich erleichterten. So kalt wie vor einem Jahr soll es heuer nicht werden - vielmehr sagen die Prognosen milde 20 Grad voraus, Regen sollte definitiv ausbleiben. Auch fällt auf den langen Geraden für die Deutschen der Vorteil des mittlerweile verbotenen Doppel-DRS weg. Für Rosberg schmälerte das seine Chancen auf eine Wiederholung seines Shanghai-Coups aber nicht. "Man muss es sowieso nehmen, wie es kommt und sich daran anpassen, was man zur Verfügung hat." Sein Ziel lautete: "Am Freitag und Samstagmorgen gut arbeiten. Das wird entscheidend sein, um wieder ein tolles Wochenende zu haben."

Alle haben nur ein Ziel: Den Titel

Lewis Hamilton ist in China heiß auf den nächsten Podestplatz, Foto: Mercedes-Benz
Lewis Hamilton ist in China heiß auf den nächsten Podestplatz, Foto: Mercedes-Benz

In China gewonnen hat auch schon Stallkollege Lewis Hamilton - in den Jahren 2008 und 2011. Dieses Jahr würde der Brite gern den Hattrick perfekt machen, erlebte seinen ersten Dämpfer im Reich der Mitte jedoch schon vor dem Start ins Rennwochenende: Krankheitsbedingt musste der Mercedes-Fahrer am Donnerstag gleich eine Reihe von PR-Terminen an der Strecke absagen und vorzeitig ins Hotel zurückkehren. Wenngleich gute Vorzeichen anders aussehen, wollte sich der 28-Jährige nicht unterkriegen lassen. Er brannte allen Problemen zum Trotz auf seine Rückkehr hinters Lenkrad. "Das letzte Rennen in Malaysia liegt für mich gefühlt schon viel zu lange zurück. Unser Saisonstart verlief besser als erwartet, die Plätze fünf und drei waren für den Anfang sehr gut", so Hamilton, der anfügte: "Ich weiß, dass wir noch mehr erreichen können." Diese Zielsetzung teilt auch sein Chef Toto Wolff.

Der neue Motorsportverantwortliche von Mercedes erklärte vor dem dritten Lauf des Jahres: "Unser erstes Ziel ist es, als Frontrunner wahrgenommen zu werden - auf Augenhöhe mit Ferrari, McLaren und Red Bull." Um dieses ambitionierte Unterfangen langfristig in die Tat umzusetzen, müsse man bald auch zählbare Ergebnisse abliefern. "Und irgendwann muss es dann auch einen WM-Titel geben", machte der 41-Jährige deutlich, dass in Stuttgart in naher Zukunft keineswegs kleine Brötchen gebacken werden sollen. Den Titel im Visier hat derweil auch Lotus. Die Mannen von Eric Boullier wollen nach dem Auftaktsieg im Albert Park und der ernüchternden Vorstellung zuletzt in Sepang, im dritten Rennen wieder in die Erfolgsspur zurückkehren. Der Teamchef sah seine Truppe dafür jedenfalls gerüstet. "Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht, was die Pace auf einer schnellen Runde angeht, ohne dabei im Rennen nachzulassen", so Boullier.

Der Franzose kündigte an: "In China wird Romain die neue Auspuff-Version haben, die Kimi schon in Malaysia gefahren ist. Zusätzlich werden wir noch weitere neue Teile im Gepäck haben." Den jüngsten Rückschlagen wollte er sogar etwas Positives abgewinnen. "Dass wir über die Platzierungen in Malaysia enttäuscht waren, zeigt doch nur, wie weit wir es schon geschafft haben. Und wenn wir in China ein normales Wochenende erleben, sollten wir ein starkes Ergebnis einfahren." Romain Grosjean pflichtete seinem Boss bei, warnte aber auch: "Wir müssen abwarten, wie sich das Auto anfühlt, wenn wir erst auf der Strecke sind. Hoffentlich wird es nicht wieder Regen geben, da wir wissen, dass unser Auto bei nassen Bedingungen etwas zu kämpfen hat." Auf konstante Verhältnisse setzt derweil auch Adrian Sutil. Der Rückkehrer erlebte trotz des Ausfalls in Malaysia mit Force India performancemäßig einen guten Saisonstart.

Sutil will die Top-Teams ärgern

"Es sieht gut aus, dass das Wetter schön bleibt. Ich würde mich sehr über ein konstantes Wochenende freuen, damit deutlich wird, wer wirklich vorne steht", so der Deutsche, der nun sogar einen Podestplatz anpeilt. Ob es in China allerdings schon soweit sei, wollte er noch nicht prognostizieren, zumal der Kurs nicht gerade zu seinen Lieblingsstrecken zähle. "Die Kurven sind alle sehr lang und machen nach und nach zu, das ist schon speziell. Auch ist der Scheitelpunkt zumeist nicht richtig einzusehen. Es ist einfach eine Strecke, die eine gewisse Eingewöhnungszeit verlangt." Helfen soll dabei auch ein größeres Update. "Und das ist ein wirklich ordentliches", zeigte sich Sutil zufrieden. Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com verriet der 30-Jährige, wo sein Rennstall nachgebessert hat: "Es betrifft die Aerodynamik, den Unterboden, den Frontflügel und noch ein paar Kleinigkeiten an den Bremseinlässen. Zwar ist das natürlich alles erst einmal theoretischer Natur, aber bringen sollte es in jedem Fall etwas."

Von hinten wird man sich dann aber auch der wiedererstarkten Konkurrenz von McLaren erwehren müssen. Die Traditionstruppe aus Woking pocht darauf, endlich wieder den Sprung weg vom Mittelfeld zu schaffen und Anschluss an die Top-Teams zu finden. Jenson Button gab China sogar als Neustart seiner Saison aus. "Wir wissen, wo wir Performance verlieren - also glaube ich, dass wir uns alle darauf freuen, zu sehen, was wir in Shanghai erreichen können." Die Strecke sei einem schon in der Vergangenheit entgegengekommen. "Wir haben es hier immer geschafft, eine gute Balance zwischen den langsamen Passagen, den ultraschnellen Richtungsänderungen und der langen Geraden - auf der man wenig Luftwiderstand braucht - zu finden", meinte Button. Teamkollege Sergio Perez glaubte ebenso an den Umbruch. "Die Geschwindigkeit der Reaktion des Teams zu sehen, war unglaublich - genauso wie die Teamleistung und positive Einstellung in den letzten Wochen", lobte der Mexikaner.