Sebastian Vettels Rennen beim Saisonfinale in Brasilien war ein Sammelsurium an Schreckmomenten. Zum einen war da der verpatzte Start, der den Weltmeister einige Positionen kostete, dann die frühe und unglückliche Kollision mit Bruno Senna, Funkprobleme und ein völlig verpatzter Boxenstopp. Wie kompliziert Vettels Situation wirklich war und worauf Red Bull achten musste, erklärte Helmut Marko Schritt für Schritt, als wieder etwas Ruhe nach dem Titeltriumph eingekehrt war.

Der Start

Vettel nahm das Rennen von Platz vier auf, doch der Start hätte kaum schlechter sein können. Auf dem Weg in Kurve eins büßte er gleich drei Positionen ein, weil Mark Webber unfreiwillig innen die Tür vor seinem Teamkollegen schließen musste, um selbst einer Kollision aus dem Weg zu gehen. "Der Start war nicht optimal", räumte Marko ein. "Webber hätte Vettel mehr Platz lassen müssen, dann wäre er Dritter gewesen." Hier habe keine optimale Koordination der beiden geherrscht. Marko: "Wir haben die Angelegenheit nach dem Rennen mit Webber besprochen."

Der Crash mit Senna

Als ob der schlechte Start nicht schon genug gewesen wäre, rasselte Vettel in der ersten Runde beim Eingang in Kurve vier unsanft mit Bruno Senna zusammen und beschädigte sich dabei Teile der Heckpartie sowie die linke Seite des RB8, als er sich drehte und infolgedessen noch einmal mit dem Williams-Piloten kollidierte. "Normalerweise ist der Reifen oder die Felge kaputt", so Marko. "Es war das große Glück, dass das Auto heil geblieben ist."

Der Unterboden von Vettels Auto hatte ebenso einen Schaden davon getragen wie der Auspuff, der jederzeit hätte brechen können. Zunächst herrschte Ahnungslosigkeit am RBR-Kommandostand und das Team fürchtete, dass Vettel das Rennen hätte beenden müssen - doch es ging gut. "Wir hatten eine Liste, mit welcher Position wer wann Weltmeister war", verriet Marko. "Sobald er in der nötigen Punkteposition war, haben wir ihn eingebremst."

Die Folgen des Unfalls

Infolge des Senna-Crashs konnte Vettel das Rennen zwar fortführen, jedoch unter schwierigen Bedingungen. Red Bull veränderte das Motor-Mapping, damit der Auspuff nicht ganz so heiß wurde und beugte damit dem bis zum Rennende befürchteten Riss vor. Durch den Einschlag wurde zudem die Balance an Vettels Auto beeinträchtigt, was sich nicht nur auf die Fahrweise, sondern auch den Reifenabbau negativ auswirkte. "Zum Teil kann man das Verstellungen an der Bremskraft und dem Differential korrigieren", erklärte Marko. "Aber auf der Geraden fehlte der Speed und der Reifenverschleiß war höher." Reparaturen seien laut Team während des Rennens nicht möglich gewesen.

Der verpatzte Boxenstopp

Im Verlauf der 71 Runden in Interlagos steuerte Vettel insgesamt viermal die Boxengasse für einen Reifenwechsel an. Die vor ihm platzierten Piloten stoppten je einmal weniger, Rennsieger Jenson Button kam gar mit zwei Boxenstopps durchs Rennen. Vettels Boxenstopps erfolgten in den Runden 10, 19, 52 sowie 54, als er zum zweiten Mal Intermediates aufziehen ließ. Der letzte Stopp ging allerdings völlig daneben und kostete Vettel extrem viel Zeit. Der Boxenpatzer war größtenteils dem Umstand geschuldet, dass Vettels Funk nur halbseitig funktionierte und das Team nicht richtig mit ihm kommunizieren konnte.

Beim Stopp ging einiges schief, Foto: Red Bull
Beim Stopp ging einiges schief, Foto: Red Bull

"Wir wussten nicht, dass Sebastian reinkommt", sagte Marko. "Er gab erst spät einen Funkspruch ab, dass die Reifen nicht mehr fahrbar sind." An der Box angekommen, mussten die Mechaniker Vettels neue Reifen erst noch aus den Heizdecken auspacken, bevor es weiterging. Vettels Stopp dauerte insgesamt 28 Sekunden - rund sechs Sekunden länger als üblich. "Man braucht eine gewisse Vorlaufzeit und wenn der Funk nur sporadisch oder einseitig funktioniert, ist ein geplantes Vorgehen unmöglich", sagte Marko. Der Funkverkehr sei gerade in solch einem Rennen irrsinnig wichtig. Klar: Wegen des Regens hatten sämtliche Vorausplanungen kaum noch Wert und spontane Entscheidungen waren gefragt.

Das Safety Car kurz vor Rennende

Nach Paul di Restas Unfall in der vorletzten Runde bog das Safety Car ein zweites Mal auf die Strecke ab. Auf der einen Seite gut für Vettel, denn sein sechster Platz reichte für den Gewinn der Weltmeisterschaft dank dreier Punkte Vorsprung. Gleichzeitig begann jedoch das große Zittern: Wäre Button an der Spitze noch ausgefallen, hätte Alonso den Sieg geerbt und dank der sieben zusätzlichen Punkte den Titel eingesackt. Marko beschrieb die Anspannung am Kommandostand: "Die letzten Meter haben sich gezogen. Wir haben auf Drehzahlen und Temperaturen geschaut, damit ja nichts in die Höhe ging. Taktische Spielchen waren nicht mehr möglich. Danach war die Erleichterung sehr groß."