Eines vorneweg: Das Thema ist schwierig, umstritten und wird immer wieder diskutiert - ohne echtes Ergebnis. Mindestens genauso schwierig wie die "Überholregeln", die die FIA vor Silverstone wohl neu definiert hat - und wo man jetzt schon sagen kann, wahrscheinlich genau bis zum nächsten Streit... Es geht um die gelbe Flagge, ihre Bedeutung - und das, was als angemessenes Verhalten unter gelber Flagge zu verstehen ist.

Akut geworden zuletzt in Silverstone im Qualifying, als sich diejenigen, die unter Gelb - wegen des Grosjean-Ausrutschers - ihre Runde quasi abbrachen, am Ende als die Dummen vorkamen. Weil andere, an der Spitze Fernando Alonso und Pastor Maldonado, ein etwas anderes Verständnis von Gelb hatten... Paul di Resta machte seinem Unmut ja über Funk lautstark Luft, andere schimpften nachher eher leise.

Im Fahrerbriefing von Silverstone war noch lange genau über dieses Thema diskutiert worden. Und eigentlich am Ende gesagt worden, dass in der Zone der gelben Flagge "eindeutig" verlangsamt werden müsse - wobei eine genauere Definition des "eindeutig" wohl offenblieb. Einige verstanden wohl, es müsse sich in der "Gelb-Zone" um etwa eine halbe Sekunde handeln, andere, es dürfe nur auf keinen Fall auf den ganzen Sektor verteilt eine Bestzeit geben...

So rechtfertigte sich auch Fernando Alonso: "Ich habe verlangsamt - und mein letzter Sektor war ja auch langsamer, die Zeit nur insgesamt wegen der schneller werdenden Strecke schneller." Genau sechs Tausendstel war der letzte Sektor des Spaniers übrigens langsamer als in der Runde zuvor - bei Maldonado sah es ähnlich aus.

Kann sein, dass an der entscheidenden Stelle verlangsamt wurde, kann aber auch nicht sein - das Misstrauen blieb. Denn die ganze Regelauslegung hat im Moment einen entscheidenden Haken: Ist der Sektor nicht schneller, nicht "grün", sieht die FIA offenbar grundsätzlich keinen Grund, im Nachhinein die Einzeldaten der tatsächlichen Gelb-Zone zu überprüfen. Was bei der heutigen Präzision der Datenaufzeichnung eigentlich technisch überhaupt kein Problem und auch nicht extrem zeitaufwändig wäre.

Tatsache ist: Der momentane Zustand muss fast logischerweise dazu führen, dass zumindest die meisten Fahrer versuchen werden, den Spielraum, den ihnen dieses "Nicht-Überprüfen" lässt, bis zum letzten auszureizen - und dank entsprechender Cockpitanzeigen wissen die Piloten sehr genau, wo sie sich zeitmäßig im Vergleich zu den früheren Runden befinden. Spezialisten gab und gibt es für solche Tricks schon immer. "Von Michael Schumacher wusste und weiß man, dass er das perfektioniert hat: Bei Gelb erst recht, wenn andere vielleicht zurück zucken, dann vielleicht noch einen kleinen Vorteil heraus holen," sagt etwa Marc Surer.

Das kann man natürlich auch als besonders clever und effizient werten. Tut man im Moment offenbar zum Großteil auch - wenn man in Silverstone da und dort die Reaktionen bei Teams beobachtete, in denen der ein oder andere Fahrer deutlich verlangsamt hatte. Man kann es aber auch als sehr riskant, an der Grenze zum Skrupellosen werten - vor allem deshalb, weil im Zweifelsfall auch andere, sprich, Streckenposten, gefährdet werden.

Ein schlechtes Vorbild für die Nachwuchsklassen ist es allemal - dass auch dort gelbe Flaggen nicht mehr so wirklich ernst genommen werden, war auch in Silverstone zu sehen. Als dort Daniel Abt am Sonntag unter schwierigen Bedingungen, bei abtrocknender Strecke, in die Wiese gerutscht und stehen geblieben war, krachte kurz darauf - unter Gelb - einer seiner Konkurrenten in das stehende Abt-Auto. Zum Glück war der Fahrer schon draußen und auch keine Streckenposten mehr in der Nähe...

Aber so lange nichts wirklich Ernsthaftes passiert, "wird eben wahrscheinlich auch nichts passieren", befürchtet auch Surer. "Erst wenn es Verletzte oder gar einen Toten gibt, dann wird man sich zusammensetzen, sehr erschrocken sein und über eine Neuauslegung der Regel nachdenken. Wie halt immer und überall, es muss erst was passieren, ehe sich was ändert..."

Es wäre halt schön, wenn es ausnahmsweise mal anders ginge - und man diesmal vorher überlegt, was sich für eine Lösung finden könnte. Vielleicht könnte man zum Beispiel mit diesem Denkansatz weiter kommen: Bei Gelb gilt grundsätzlich: Verlangsamen um mindestens 0,5 Sekunden (oder ein anderer Wert, der sinnvoll erscheint - das könnten FIA, Fahrer und Ingenieure austüfteln, ab wann normalerweise eine massive Risikominderung eintritt) gegenüber der schnellsten vorherigen Zeit in genau diesem Gelbabschnitt, von gelber bis grüner Flagge, ist vorgeschrieben.

Hat ein Konkurrent Zweifel, dass das eingehalten wurde, kann er bei der FIA eine Überprüfung der Daten verlangen. Wurde der vorgeschriebene Wert in der Gelb-Zone nicht eingehalten, gibt es eine Strafe, auch wenn der Sektor insgesamt nicht schneller war. Umgekehrt sollte dann aber auch gelten: Wer einen schnelleren Sektor fährt, aber nachweisen kann, an der entsprechenden Stelle genügend vom Gas gegangen zu sein, geht straffrei aus...