Alex, bei so einem regnerischen Qualifying - wie viel ist da fahrerisches Können und wie viel spielt auch Glück eine Rolle?
Alexander Wurz: Natürlich gehört auch etwas Glück dazu. Ich kann erklären, wann es nicht nur ums fahrerische Können geht. Wenn man zum Beispiel rausgeschickt wird und man hat vor sich Verkehr, und man muss einfach zwei, drei Sekunden an Tempo rausnehmen, dann kühlt der Reifen ab und dann kann auch der beste Fahrer der Welt gegen die anderen besten Fahrer der Welt nichts mehr gutmachen, wenn einmal die Temperatur und der Grip weg sind. Also ist man da auch vom Glück abhängig, wie man rauskommt, wie der Verkehr ist, wie das Reifenmanagement funktioniert. Und da haben wir heute einige Beispiele gesehen, zum Beispiel einen Weltmeister Jenson Button, der hat heute Lehrgeld bezahlen müssen. Also nicht nur Können, sondern auch Glück ist bei solchen Verhältnissen wie heute wichtig.

Aber die, die am Ende vorne waren, waren wieder die Topleute.
Alexander Wurz: Es hat heute aber lange nicht so ausgesehen, als würden sich die Topleute durchsetzen. Zum Schluss muss man sagen, mit Alonso vorne, Webber und Altmeister Schumacher Dritter, hat sich diese Meinung dann wieder revidiert. Aber es ist schön zu sehen in der Formel 1, dass jetzt extrem viele Fahrer zeigen, dass sie die Schnellsten sein können. Und das ist mir als Rennfahrer immer schon ein Anliegen gewesen, weil das nie anders war, weil die Formel 1 die Ansammlung der besten Rennfahrer der Welt ist. Früher war man mehr abhängig vom Auto, jetzt ist alles viel näher zusammen.

Sebastian Vettel hat gesagt, er war mit seiner Runde nicht ganz zufrieden. War er vielleicht auch einen Tick zu spät in der letzten Runde? Da sah es so aus, als wenn der letzte Sektor schon wieder nasser gewesen wäre. Diese 30 Sekunden können dann auch viel ausmachen...
Alexander Wurz: Ganz genau. Da steckt man auch nicht drin, wann man wo ist, wo es zu regnen beginnt. Du brauchst schon ein paar Leute vor dir, die die Strecke freifahren, aber auch nicht zu dicht, sonst sieht man nichts. Also ein bisschen Lotterie ist beim Wetter immer dabei.

Mit was rechnest du morgen? Das Wetter soll ja so ähnlich werden...
Alexander Wurz: Ich rechne mit gar nichts. Ich geh schlafen, dann steh ich morgen auf und dann sehen wir eh, wie das Wetter spielt.

Kann man sagen, wer bei solchen Mischbedingungen Favorit ist?
Alexander Wurz: Ich hätte gedacht, dass Jenson [Button] zum Beispiel ein Spezialist ist, das war auch bei manchen Rennen der Fall, heute aber nicht. Felipe Massa hat offen bekundet, dass er kein guter Regenfahrer ist, war aber trotzdem zwischendurch schnell. Was soll ich jetzt sagen? Es ist schwierig, die Formel 1 ist im Moment so knapp, da kann sich das jeden Tag ändern.

Schumacher vor Rosberg: ist Schumacher der bessere Regenfahrer oder hat er es heute einfach besser erwischt?
Alexander Wurz: Ich würde sagen, er hat es heute besser erwischt, oder Nico hat es heute schlechter erwischt. Er hatte immer Probleme, war immer zum falschen Zeitpunkt draußen - unter dem Strich ein sehr durchwachsener Samstag für Nico Rosberg.

Bei den Williams-Fahrern schien aber auch Pech dabei gewesen zu sein mit gelben Flaggen...
Alexander Wurz: Ja, absolut. Williams hatte auch eher Pech. Die Performance war gut, die Performance des neuen Aero-Updates finde ich gut. Leider konnten wir es nicht zeigen, im Trockenen hätte mich das sehr interessiert, aber so ist es. Jetzt steht Pastor [Maldonado] auf Platz 7, und Bruno [Senna] auf 15. Wenn das Wetter morgen durchwachsen ist, dann können sie noch viel erreichen.

Manche Piloten schlüpfen bei gelben Flaggen gerade noch so durch, andere, wie Bruno Senna, gehen sofort vom Gas, um einen Unfall zu vermeiden. Wie siehst du das?
Alexander Wurz: Ich bin seit 1997 in der Formel 1 und seitdem gibt es diese Diskussion immer wieder. Die Frage ist, wie viel man langsamer macht bei gelben Flaggen. Gelb bedeutet: es ist eine Gefahr und aus Sicherheitsgründen muss man verlangsamen. Charlie Whiting schaut immer nur, ob man den Sektor grün hat oder nicht, so haben sie die Aufmerksamkeit. Ob das ausreicht oder nicht, kann diskutiert werden. Fakt ist, wir haben das hier im Drivers Briefing in Silverstone über eine halbe Stunde lang diskutiert, und es hat nichts geändert. Es obliegt Charlie Whiting die Polizei zu sein, die Stewards sind die Richter, und wenn sie glauben, dass jemand genügend verlangsamt hat, dann gibt es keine Strafe. Was genügend ist, ist ein Dehnbegriff und da muss jeder Fahrer sein eigenes Limit oder nicht-Limit finden.

Ganz konkret: Machst du einem Fahrer einen Vorwurf, wenn er vom Gas geht und dadurch seine Runde opfert?
Alexander Wurz: Nein, mache ich nicht, überhaupt nicht.