Aus Virgin Racing wurde Ende 2011 das Marussia F1 Team. Doch das ist bei weitem nicht die einzige Veränderung im noch immer jungen Rennstall. Auch das zweite Formel-1-Jahr des britischen Teams war eher von Stagnation geprägt. Im Gegensatz zur unmittelbaren Konkurrenz von Lotus und HRT war kein Fortschritt zu erkennen. Im Gegenteil. Die beste Qualifying-Runde von Timo Glock in Melbourne war mehr als sechs Zehntel-Sekunden langsamer, als beim Debüt des Teams, ein Jahr zuvor.

Im Juli 2011 drückte die Teamführung um Teamchef John Booth deshalb den Reset-Knopf. Man trennte sich von Technik-Chef Nick Wirth, der als einziger Ingenieur im Formel-1-Feld an der ausschließlichen Entwicklung der Fahrzeuge durch die CFD-Technologie festhielt. Parallel zur Trennung von Wirth wurde eine Partnerschaft mit McLaren bekannt gegeben, die Virgin seit Herbst 2011 technisch unterstützen.

Virgin versucht dem Vorbild von Force India zu folgen, die ebenfalls mit McLaren zusammenarbeiten und sich seither vom Kellerkind ins vordere Mittelfeld der Formel 1 vorgearbeitet haben. Zusätzlich verpflichtete Virgin im Herbst 2011 Pat Symonds als Berater. Der ehemalige Technische Direktor von Renault soll dabei helfen, das Team aus den letzten beiden Startreihen nach vorne zu führen. Mit Symonds Ankunft änderte sich die aerodynamische Philosophie des Teams. Es wird seitdem nicht nur mehr im Windkanal gearbeitet, sondern die gesamte Herangehensweise an die aerodynamischen Entwicklungen wurden auf den Kopf gestellt.

"Es geht in erster Linie darum, wie wir mehr Abtrieb erzeugen können", erklärt Pat Symonds. Dazu werde die Mannschaft weiter aufgebaut und auch vermehrt auf die Arbeit im Windkanal gesetzt. Zuerst musste deshalb der Windkanal kalibriert und auf das aktuelle Fahrzeug angepasst werden. "Es ist wirklich wichtig, dass sichergestellt ist, dass alles funktioniert und man auch versteht, was man tut", weiß Symonds. Das Auto für 2012 werde allerdings erst ab Februar im Windkanal stehen und quasi zeitgleich auf der Strecke debütieren.

"Normalerweise startet man im Juni mit den Arbeiten im Windkanal. Aber man muss sich erinnern, dass wir das Abkommen mit McLaren erst im Juli geschlossen haben und es eine Weile dauert, bis die Modelle für den Windkanal gefertigt sind", erklärt der Brite die Verzögerung. Anhand der extrem komplizierten Windkanalmodelle wurde der Windkanal mit den Daten des 2011er Autos kalibriert. Zuvor fanden ausgiebige Straight-Line-Testfahrten statt, um die aerodynamischen Daten zu erfassen. Man dürfe laut Symonds aufgrund des Zeitverzuges 2012 nicht zu viel von Marussia erwarten.

"Es ist nicht an der Zeit für uns innovativ zu sein. Wenn man so weit von der Spitze weg ist, geht es eher darum, seine Arbeit gut zu machen. Man muss sich dazu jeden Bereich ansehen und verbessern. Das ist ein unglaublich langer Weg", sagt Symonds. Das Team fahre zwar schon einige Jahre, aber seiner Ansicht nach, habe alles erst am 4. Juli 2011 begonnen und braucht weiterhin viel Zeit.

Marussia zweitkleinstes Team im Feld

"Wir sind ein kleines Team mit momentan 170 Mitarbeitern. 2012 werden wir die 200er Marke knacken, aber die wirklichen Auswirkungen wird man erst am Auto für 2013 erkennen." Mit 70 bis 80 Mitarbeitern ist nur HRT kleiner als Marussia - Konkurrent Caterham beschäftigt zwischen 240 und 250 Mitarbeiter. Eine große Herausforderung für das Team stellen die ab diesem Jahr vor dem Beginn der Testfahrten durchzuführenden Crash-Tests dar. "Dadurch wurde das ohnehin schon enge Programm im Winter noch zusätzlich komprimiert", sagt der 58-jährige Brite.

Symonds ist seit Herbst Berater des Virgin-/Marussia-Teams, Foto: Sutton
Symonds ist seit Herbst Berater des Virgin-/Marussia-Teams, Foto: Sutton

Trotz der immensen Herausforderungen bei Marussia ist Symonds froh, wieder zurück in der Formel 1 zu sein und diesmal für ein kleineres Team zu arbeiten. Bei Marussia könne man mit einem leeren Blatt Papier beginnen und noch etwas bewegen, ohne dabei große Umwege gehen zu müssen. Bei Marussia sind alle nötigen Zutaten vorhanden, um erfolgreich zu sein, ist Symondy überzeugt. Auch die Leute im Team wären viel besser, als es von außen den Anschein hat.

Marussia wolle den Weg an die Spitze abkürzen. Deswegen habe man sich mit McLaren verbündet. Dennoch ist Symonds kein Freund einer Einheitsformel, in der man die Chassis eines Konkurrenten kauft. "Als ich noch ein junger Ingenieur war, war einer der besten Wege sich zu verbessern, die eigenen Kreationen gegen die eines anderen antreten zu lassen. Das ist großartig. Wenn man nun mit Kundenautos fahren würde, würde all das verloren gehen." Von der Politik, die hinter einer solchen Entscheidung stecke, ganz zu schweigen.

In der Formel 1 geht es um den Zuschauer

Im Zusammenhang mit den Diskussionen um die Ressourcen Beschränkung in der Formel 1, hofft Symonds auf eine Einigung. "Ich würde es hassen, wenn es wieder dahin gehen würde, dass alles für alle freigegeben wäre. Viel lieber wäre mir, wenn es ein wenig in die andere Richtung gehen würde", erklärt Symonds. Seiner Meinung nach gehe es in der Formel 1 um die Zuschauer und nicht um Einzelpersonen oder Teams. Der Zuschauer würde besseren Rennsport geboten bekommen, wenn sich alle ein wenig angleichen würden, ist Symonds überzeugt.

"Die Unterscheidungs-merkmale im Motorsport sollten das Fahrtalent und das Ingenieurstalent sein - und nicht das Geld." Ein großes Ziel für Marussia stellt, aufgrund des neuen Anteilseigners, der Grand Prix in Russland in Sochi im Jahr 2014 dar. "Das gibt uns ein Ziel. Und das ist sehr wichtig", sagt Symonds. Das Ziel für die kommende Saison laute, den Abstand auf die Spitze zu halbieren. "Wo wir dann stehen, hängt davon ab, wie gut die Anderen ihre Arbeit gemacht haben. Das ist das Großartige an der Formel 1: Was immer man auch macht, es steht im Verhältnis zu dem, was andere machen."