Im Jahr 1999 übernahm Dr. Mario Theissen bei BMW den Posten des Motorsportdirektors. Zwölf Jahre später hörte der Deutsche zum 30. Juni auf und verabschiedete sich in den wohlverdienten Ruhestand. Dazwischen lagen unzählige Höhen und Tiefen, viele aufregende Erlebnisse und eine Menge Anekdoten. Zum Abschied zog der 58-Jährige Bilanz und verriet am Rande seiner Verabschiedung in München das ein oder andere Geheimnis.

"2000 beim Formel-1-Einstieg haben wir vor dem ersten Grand Prix keine einzige Renndistanz absolviert bekommen. Beim Test vor der Saison in Jerez sind teilweise drei oder vier Motoren in der ersten Runde und immer in der gleichen Kurve hochgegangen", erinnerte sich Theissen, der mit einem Schmunzeln hinzufügte: "Das Podest im ersten Rennen war also reines Glück." Glück, dass den Weg für eine erfolgreiche Laufbahn in der Formel 1 ebnete. Zusammen mit Williams wagte sich BMW damals an die Herausforderung Königsklasse.

2008 alles für den Titel gegeben

Das war nicht immer eine einfache Angelegenheit. Mit Team- und Technikchef Patrick Head habe es durchaus die ein oder andere Spannung gegeben - mittlerweile sei dies aber vergessen und man könne gemeinsam lachen, erklärte Theissen über die erfolgreiche Partnerschaft zwischen 2000 und 2005 und meinte: "Insgesamt waren die zwölf Jahre im Motorsport die beste Zeit meiner Karriere. Man bekommt immer sofort die Rückmeldung und arbeitet nur mit hochmotivierten Leuten."

Besonders belastbar war der BMW-Motor 2000 noch nicht - das wusste auch Mario Theissen recht schnell, Foto: Sutton
Besonders belastbar war der BMW-Motor 2000 noch nicht - das wusste auch Mario Theissen recht schnell, Foto: Sutton

Umso schmerzlicher traf es ihn wohl, dass Robert Kubica BMW und damit auch ihm, nach dem verpassten WM-Titel 2008 vorgeworfen hatte, nicht den vollen Fokus auf ihn und seine Titelchance gelegt zu haben, sondern bereits an das Auto des Folgejahres gedacht zu haben - eine Meinung, die Theissen bei seinem Zapfenstreich ein für alle mal aus der Welt räumen wollte. "Auch wir wollten damals den Titel und wir haben die Ressourcen nicht auf 2009 verlegt", so der BMW-Chef mit Nachdruck.

"Wir haben damals, so wie sonst auch, den Problembereich Aerodynamik verbessert - nur eben einfach nicht den Fortschritt erzielt, den wir erwartet hatten. Es gab einen Mangel an Weiterentwicklung, aber sicher keinen Mangel an Einsatz", stellte Theissen rückblickend klar. Auch die Einführung von KERS, für das er sich persönlich ausgesprochen hatte, sei im letzten BMW-Formel-1-Jahr ein Problem gewesen. "Das stellte sich als schwieriger heraus, als wir es erwartet hatten - zumal nicht jeder im Team davon überzeugt war, dass es die richtige Richtung war, was es noch schwieriger machte", sagte der 58-Jährige.

Viel Freiraum bei BMW

Überwogen hätten unterm Strich jedoch die positiven Erinnerungen, meinte Theissen, der auch angab, nicht das Gefühl zu haben, "unvollendet" aus dem Dienst zu scheiden: "Der WM-Titel war das Ziel, aber trotzdem haben wir viele andere Siege und Titel erreicht", erklärte er in Bezug auf sein ganzes Schaffen im Motorsport. Dazu gehören auch unzählige Meisterschaften in der WTCC, genauso wie der Gesamtsieg in Le Mans 1999. Den Triumph auf der Langstrecke bezeichnete der gebürtige Monschauer als den emotionalsten Moment seiner Karriere.

Besonders angetan habe es ihm jedoch die Vielfalt und das breite Spektrum an unterschiedlichsten Herausforderungen, die er sich in seiner Karriere habe stellen können. Ganz gleich, ob in der Serienproduktion, oder später im Sport-Bereich - BMW habe immer möglichst viele Freiheiten gelassen, auch wenn Theissen glaubte, dass ein Einsteig bei Sauber, zwei Jahre früher, besser gewesen wäre. "Der Motorsport war aber trotzdem mit großem Freiraum immer unabhängig vom Konzern", stellte Theissen klar. Das Formel-1-Aus Ende 2009 war vor dem Hintergrund der allgemeinen Weltwirtschaftskrise dann aber dennoch nahezu unausweichlich.

Ein Hintertürchen hätte es aber wohl gegeben. "Hätten wir Mitte 2009 die WM angeführt, wäre der Ausstiegsbeschluss nicht gefallen", glaubte Theissen rückblickend, fügte allerdings auch hinzu: "Hätten wir sie 2008 schon gewonnen, wäre er erst recht gefallen." Dass er BMW trotzdem nicht mit einem Negativerlebnis zum Abschied verlässt, verdankt er, wie so oft, in erster Linie sich selbst. Denn mit dem DTM-Einstieg der Münchner 2012, hat der scheidende Direktor die Weichen auch für die Zukunft ohne ihn, noch rechtzeitig wieder auf Erfolgskurs gestellt.