Aus dem Gesicht von Ron Dennis lässt sich selten etwas über dessen Gefühlslage ablesen, doch in Australien war ihm die Erleichterung deutlich anzusehen. Dem früheren McLaren-Teamchef fiel vermutlich ein Stein in der Größe von Australien vom Herzen als Lewis Hamilton als Zweiter über die Ziellinie fuhr und sich damit wieder in den Kreis der Titelfavoriten katapultierte.

Nach den Testfahrten musste McLaren Kritik von allen Seiten einstecken. Der MP4-26 war weder schnell, noch konkurrenzfähig. Statt auf der Strecke verbrachten Lewis Hamilton und Jenson Button die meiste Zeit stehend in der Box. Bei Hamilton wurden Erinnerungen an 2009 wach. "Das 09er-Auto war schrecklich, weil es hüpfte, auf drei Rädern durch die Kurven fuhr und keinen Abtrieb hatte - und das neue Auto fühlt sich ein wenig an wie das Modell von 2009", gestand der Brite.

Hamilton hatte schreckliche Befürchtungen, Foto: Sutton
Hamilton hatte schreckliche Befürchtungen, Foto: Sutton

"Es war ein harter Winter", gab auch Button zu, der vor dem ersten Grand Prix noch keine komplette Renndistanz mit dem MP4-26 abgespult hatte. Im Lager der Roten hörte man hingegen kaum Klagen. Wieso auch? Der 150° Italia glänzte zwar nicht durch technische Revolutionen, dafür war er aber unheimlich zuverlässig. Allein beim letzten Test in Barcelona spulte der Bolide 374 Runden ab, womit sich Ferrari wieder einmal als Test-Weltmeister entpuppte. Mit einem neuen Aerodynamikpaket machte Ferrari einen weiteren Schritt nach vorne, was Fernando Alonso zu der Aussage verleitete: "Der WM-Pokal gehört am Ende des Jahres mir."

Verkehrte Welt in Australien

Auch für den Rest stand fest: Wenn jemand Red Bull gefährlich werden kann, dann Ferrari. Doch wie die Teams immer sagen: Testfahrten sind eine Sache, Rennen wieder eine andere - und so zeigte sich in Australien eine verkehrte Welt. Ferrari fuhr das gesamte Rennwochenende seiner Testform hinterher. Nach einem enttäuschenden Qualifying kam Ferrari auch im Rennen nicht an Red Bull heran und was noch schlimmer für die Italiener war - sie kamen auch nicht an McLaren heran. Hamilton stellte seinen Wagen im Qualifying in die erste Startreihe und holte im Rennen Platz zwei.

"Ich denke, wir überraschen hier einige Leute. Zwei und vier - davon haben wir bei den Tests nur geträumt und nun ist das Realität", erklärte Button nach dem Qualifying. McLaren hatte sich vor dem Saisonauftakt noch einmal ans Zeichenbrett gesetzt und war mit einem neuen, ungetesteten Abgas-System und einem neuen Unterboden angereist. Das Risiko zahlte sich aus, denn die neuen Teile brachten den erhofften Abtrieb. Dieser ermöglicht es, später zu bremsen, die Kurven schneller anzufahren und früher aufs Gas zu gehen.

Ferrari kämpfte mit den Reifen, Foto: Sutton
Ferrari kämpfte mit den Reifen, Foto: Sutton

"Jetzt haben wir die Zuverlässigkeit und den Speed. Im Vergleich zu den Tests ist es ein enormer Schritt nach vorne", erklärte Button. Einen Schritt nach hinten ging es bei Ferrari. Mehr als der vierte Platz von Alonso war für die Scuderia nicht drin. "Unser Performance-Level war nicht auf dem der Besten, schon gar nicht auf dem Level von Red Bull", gab Teamchef Stefano Domenicali offen zu. Das Problem waren die Reifen, die Ferrari im Gegensatz zu den Tests nicht zum Arbeiten brachte. "Kaum hatte ich sie auf Temperatur, waren sie auch schon hinüber", klagte Alonso.

Dabei hatte Felipe Massa bei den Tests noch einen Vorteil seitens Ferrari gesehen. "Der Anpressdruck des Autos ist besser und je mehr Anpressdruck du hast, desto besser ist es, vor allem mit diesen Reifen, die sehr stark abbauen", meinte der Brasilianer damals. Auf dem Sepang International Circuit in Malaysia spielt trotz der zwei langen Geraden der Abtrieb eine entscheidende Rolle. Das weiß auch Ferrari, deshalb bestieg Domenicali mit den leitenden Ingenieuren direkt nach dem Rennen ein Flugzeug Richtung Europa. In den heimischen Wänden betreibt Ferrari Ursachenforschung und wer Ferrari kennt, der weiß, dass das Team alles tun wird, um die Rollen in Malaysia wieder zu tauschen.