Im einen Moment war das umbenannte Lotus Renault Team der große Geheimfavorit, im nächsten stand das Team plötzlich vor dem Nichts. Dazwischen lag der schreckliche Unfall von Robert Kubica bei einer Rallye in Italien. Beim ersten Test konnte Kubica noch mit starken Rundenzeiten aufzeigen, dann kämpfte er zunächst um sein Leben und danach um seine rechte Hand.

Beide Male blieb der Kämpfer aus Polen siegreich. Doch ob und wann er wieder auf der Rennstrecke gegen seine Rivalen kämpfen kann, steht noch in den Sternen. An seiner Stelle soll es Nick Heidfeld richten. Das Saisonziel belässt Teamchef Eric Boullier auch mit dem deutschen Ersatzleader unverändert: "Es ist noch zu früh, um von GP-Siegen zu sprechen", sagt er. Aber Platz 3 in der Konstrukteurswertung wäre ihm sehr recht. "Ich habe sehr viel Respekt vor Mercedes und McLaren und ich weiß, dass beide Teams über größere Ressourcen verfügen. Wenn wir vor ihnen bleiben können, dann wäre das ein riesiger Erfolg für uns."

Nick Heidfeld hat bei Renault die Zügel übernommen, Foto: Sutton
Nick Heidfeld hat bei Renault die Zügel übernommen, Foto: Sutton

Das Team Obwohl das Team einen neuen Namen hat, hat sich für die Saison 2011 noch nicht allzu viel verändert: Gerard Lopez und Genii Capital sind nach der Übernahme der restlichen Renault-Anteile zu 100% Eigentümer des Rennstalls aus Enstone. Die Lotus Gruppe ist derweil - für den Moment - nur Hauptsponsor, könnte aber in Zukunft Anteile von Genii übernehmen. Renault fungiert nur noch als Motorenlieferant. Am Management verändert sich nichts: Eric Boullier bleibt Teamchef und James Allison schwingt in der Technikabteilung das Zepter.

Die Fahrer Mit Robert Kubica hatte Lotus Renault nicht nur einen hoch geschätzten Fahrer, sondern auch eine Nummer 1, auf die die Entwicklung des neuen R31 abgestimmt war. Das neue Auto ist ganz nach dem Geschmack des Polen gebaut worden.

Nun muss Nick Heidfeld damit klarkommen. Der Deutsche konnte gleich bei seinem ersten Test die guten Eindrücke von Kubica bestätigen und eine Bestzeit einfahren. Dass er zudem als guter Fahrzeugentwickler gilt, ist kein Geheimnis. Aus dem Nichts erhält Heidfeld somit jene Chance, auf die er lange gewartet hat: ein möglicherweise siegfähiges Auto, mit dem er seine Durststrecke endlich beenden und sein erstes F1-Rennen gewinnen könnte. Wenn das Auto wirklich so gut ist, ist es ihm zuzutrauen.

Renault geht mit einer neuen Identität in die Saison - bringt das auch neuen Erfolg?, Foto: Sutton
Renault geht mit einer neuen Identität in die Saison - bringt das auch neuen Erfolg?, Foto: Sutton

Vitaly Petrov muss hingegen beweisen, dass er sein Cockpit auch durch Leistung und nicht nur eine Millionenmitgift verdient. In seiner Debütsaison 2010 fiel er vor allem durch Dreher und Unfälle auf, diese dürfen sich 2011 nicht wiederholen. Gleichzeitig muss er konstant an die Leistungen seines Teamkollegen und vor allem die Punkteränge heranreichen, sonst hat Renault das gleiche Problem wie im Vorjahr: ein Ein-Mann-Team, dem in der Konstrukteurswertung wertvolle Punkte fehlen.

Das Auto Der neue R31 zog bei seiner Präsentation einige Blicke auf sich - nicht nur, weil er in der - eigentlich auch von Team Lotus geplanten - schwarz-goldenen Lackierung früherer Lotus Renault Boliden an den Start geht, sondern vor allem, weil das Team bei der Auspuffkonstruktion einen ebenso riskanten wie innovativen Weg einschlug. Statt wie heutzutage gewohnt den Diffusor anzublasen, treten die Auspuffrohre am Renault vorne aus und strömen so den Unterboden an. Die Konkurrenz hat sich das ganz genau angesehen.

Passend zum Trubel um die Auspufflösung fuhren Kubica und Heidfeld zu Beginn schnelle Zeiten. Auch Petrov konnte sich einige Male unter den Topplatzierungen einreihen. Doch die ganz großen Zeiten blieben aus. Petrov konnte erst in Barcelona wirklich anfangen, die Reifen auf Long Runs zu testen und Heidfeld war mit der Balance noch nicht wirklich zufrieden. Es liegt also noch etwas Arbeit vor dem Team.

Vitaly Petrov muss sich steigern, um dem Team sportlich eine Hilfe zu sein, Foto: Sutton
Vitaly Petrov muss sich steigern, um dem Team sportlich eine Hilfe zu sein, Foto: Sutton

Saisonziel: Platz 3 in der Konstrukteurs-WM

PRO: Obwohl Lotus Renault bei den Tests noch einen Rückstand auf Red Bull und Ferrari hatte, gilt das Team für viele als Geheimtipp 2011 - und das nicht erst seit der Bestzeit von Robert Kubica. Sicher ist die Verletzung des Polen ein Manko für das Team, aber mit Nick Heidfeld hat sich Lotus Renault einen Piloten ins Team geholt, der in der Vergangenheit bewiesen hat, dass er ein Auto weiterentwickeln kann. (Kerstin Hasenbichler)

CONTRA: Die ersten Eindrücke des R31 waren gut: Kubica und Heidfeld gelang jeweils eine Bestzeit. Schnell war vom Geheimfavoriten die Rede, doch die Euphorie verflog. Zudem ist die Aussagekraft der Testfahrten in diesem Winter noch geringer als sonst. Man erinnere sich an 2010: Damals war Sauber der Überflieger der Wintertests, ab dem Saisonstart lief jedoch nichts mehr zusammen. Renault sollte kein ähnliches Schicksal blühen, aber ob sie wirklich ganz vorne mitmischen können, bleibt abzuwarten. Vorerst gilt nur Nick Heidfelds Fazit nach dem ersten Test: "Bislang kann ich nur sagen, dass das Auto nicht scheiße ist." (Stephan Heublein)