"Der Toro Rosso sieht lächerlich schnell aus. Sie könnten das interessanteste Team sein, auf das man achten muss." Diese Worte stammen nicht von irgendwem, sondern von Lewis Hamilton, der den WM-Neunten des Vorjahres sicherlich nicht so hoch loben würde, wenn es nicht auch so wäre - schließlich schmeichelt dies seinem McLaren Team momentan ganz und gar nicht.

Ob der Toro Rosso deswegen gleich ein "Wunderauto" ist, wie es die Schweizer Medien gerne hätten, steht auf einem anderen Blatt. Sebastien Buemi hat jedenfalls ein klares Ziel ausgegeben: "Ich bin wirklich hungrig nach Punkten. In der vergangenen Saison hatte ich nicht genug." Technikchef Giorgio Ascanelli geht sogar einen Schritt weiter: "Zum Jahresende hin wollen wir mit dem achten Platz in der Konstrukteurswertung heimkehren."

Für Toro Rosso soll es 2011 aufwärts gehen - bis auf WM-Rang 8, Foto: Pirelli
Für Toro Rosso soll es 2011 aufwärts gehen - bis auf WM-Rang 8, Foto: Pirelli

Das Team Die schwierige erste Saison als Konstrukteur liegt hinter der kleinen Scuderia aus Faenza. Als nächstes steht ein Zweifrontenkrieg an: Von hinten drücken die ehemals neuen Teams, allen voran Team Lotus, und am Horizont möchte Toro Rosso gerne Williams, Force India & Co angreifen. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Mit Teamchef Franz Tost und Technikdirektor Giorgio Ascacelli herrscht Stabilität in der Führungsetage, der Motor und das KERS von Ferrari sind erprobt und konkurrenzfähig.

Die Fahrer Toro Rosso geht mit der gleichen Fahrerpaarung wie 2010 in die Saison: Sebastien Buemi und Jaime Alguersuari erhalten erneut eine Chance, sich für höhere Aufgaben, etwa als potenzieller Nachfolger von Mark Webber bei Red Bull zu empfehlen.

Beide stehen dabei unter Druck: Mit Daniel Ricciardo steht ein hochgelobter Test- und Ersatzfahrer mit scharrenden Füßen in der zweiten Reihe. Zwar dementiert das Team Gerüchte, wonach der Australier zur Saisonmitte einen der Stammfahrer ablösen könnte, als gänzlich unwahrscheinlich erscheint es allerdings nicht. Immerhin beeindruckte Ricciardo bei seinen Tests für Red Bull mit starken Zeiten und gutem Feedback.

Wen nehmen die Jungbullen auf die Hörner?, Foto: Sutton
Wen nehmen die Jungbullen auf die Hörner?, Foto: Sutton

Vor allem Buemi muss sich steigern. Im letzten Jahr machte ihm Alguersuari mehr Probleme als ihm lieb war. Der Spanier zeigte sich in seiner ersten kompletten Saison stark verbessert und heimste dafür viel Lob vom Team ein. In dieser Saison muss der Schweizer mit guten Leistungen und Punkten kontern.

Das Auto Der STR6 ist das zweite Auto, das Toro Rosso in Eigenregie entworfen und gebaut hat. Bis Ende 2009 nutzte der Rennstall die Pläne des Schwesterteams respektive von Red Bull Technologies. Zwar war der STR5 ebenfalls eine Weiterentwicklung des 2009er Red Bull, konnte aber mangels finanzieller Ressourcen und einiger Probleme bei Zulieferern und in der Produktion nicht an die Qualitäten seines Bruders anknüpfen.

In diesem Jahr sieht es besser aus. Die Fabrik musste nicht weiter ausgebaut werden, das Personal war bereits vorhanden und der STR6 überzeugte bei den Wintertests mit überraschend starken Rundenzeiten. Was diese tatsächlich wert sind, wird sich aber erst in Melbourne zeigen. Dennoch erwarten einige Konkurrenten, darunter Lewis Hamilton und Nick Heidfeld, dass Toro Rosso in diesem Jahr ein paar Überraschungen in den Punkterängen erzielen könnte. Um die Form nicht zu verlieren, hat das Team bereits die ersten Updates für den Saisonverlauf angekündigt.

Gelingt Toro Rosso eine Überraschung?, Foto: Sutton
Gelingt Toro Rosso eine Überraschung?, Foto: Sutton

Saisonziel: Mehr WM-Punkte und WM-Rang 8 in der Konstrukteurswertung

PRO: Jeder weiß, dass man sich von guten Ergebnissen bei den Testfahrten nichts kaufen kann, aber immerhin stärkt es das Selbstbewusstsein - und Toro Rosso kann durchaus mit breiter Schulter in die neue Saison gehen. Mit dem STR6 scheint dem Team ein Schritt nach vorne gelungen zu sein, den selbst die Konkurrenz neidlos eingestehen musste. "Toro Rosso macht seit dem Beginn der Testfahrten einen sehr guten Eindruck", sagte Jarno Trulli. (Kerstin Hasenbichler)

CONTRA: Toro Rosso sah bei den Wintertestfahrten überraschend gut aus. Beide Fahrer konnten sich in den vorderen Regionen der Zeitentabellen einreihen. Doch Vorsicht: Auch Sauber galt nach den Wintertests 2010 als Geheimfavorit und möglicher Spielverderber für die Topteams. Bei den ersten Rennen kam dann die bittere Ernüchterung: Von den guten Testzeiten war nichts mehr übrig und das Auto erwies sich obendrein auch noch als unzuverlässig. Toro Rosso sollte also gewarnt sein - gute Testergebnisse bedeuten noch keinen Überraschungscoup, erst recht angesichts der unbekannten Sprit- und Reifensituation in diesem Jahr. (Stephan Heublein)