Sorgen machte sich Nick Heidfeld in den vergangenen Wochen schon, aber Angst hatte er nie, dass er nie wieder Formel 1 fahren würde. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Robert Kubica hatte seinen schweren Rallye-Unfall, Lotus Renault suchte einen erfahrenen Ersatzmann und klopfte beim Deutschen an.

Schon am Dienstag traf sich Heidfeld in Enstone mit Teamchef Eric Boullier und den Ingenieuren, am Mittwoch kümmerte er sich um seine Rennlizenz und am Donnerstag und Freitag legte er die erste Nachtschicht des Jahres ein: Die Sitzanpassung stand auf dem Programm. Weil Vitaly Petrov tagsüber mit dem Auto fuhr, mussten Heidfeld und das Team sich zwei Nächte bis 1:00 oder 2:00 Uhr um die Ohren schlagen, um einen halbwegs passenden Sitz zu gießen.

Besser unter Druck

Am Samstag saß Heidfeld erstmals im R31 und war nach gerade mal 15 Runden sechs Zehntel schneller als sein Teamkollege Petrov, der an den beiden Tagen zuvor über 120 Runden gefahren war. "Ich bin sehr zufrieden und glaube nicht, dass es aus meiner Sicht hätte besser laufen können", gab sich Heidfeld mit seinem Testtag zufrieden. Die Drucksituation machte ihm nichts aus.

"Ich war schon öfter in so einer Situation und denke, ohne arrogant klingen zu wollen, dass ich unter Druck gut klar komme und diesen Kitzel sogar etwas brauche", so Heidfeld. Das gehöre in der Formel 1 einfach dazu und mache ihm besonders viel Spaß. Besonderen Spaß hatte er auch an seiner Bestzeit beim Comeback, doch wollte er die Rundenzeiten nicht überbewerten: "Sie hängen von vielen Faktoren ab, wichtig ist, dass ich mein Bestes gegeben und keine Fehler gemacht habe."

Dabei begann Heidfeld direkt mit der Entwicklungsarbeit am R31. "Die Balance war am Morgen schlecht", klagte er. Das verbesserte sich im Laufe des Tages. Das Auto liege seinem Fahrstil, sei aber noch nicht ideal. "Es ist aber eine gute Basis und wir konnten heute schon mit der Weiterentwicklung beginnen", verriet Heidfeld. Das Ziel war es, Problembereiche des Renault ausfindig zu machen und die Entwicklungsrichtung festzulegen.

Lob von allen Seiten

Nick Heidfeld hat die Saison 2011 fest im Visier, Foto: Sutton
Nick Heidfeld hat die Saison 2011 fest im Visier, Foto: Sutton

Ob Platz 1 in der Zeitenliste und gutes Feedback schon für einen Vertrag ausreichen, wollte Teamchef Eric Boullier noch nicht bestätigen: "Ich muss nicht überzeugt sein, sondern meine Ingenieure." Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com ist der Deal aber ohnehin schon seit der letzten Woche so gut wie sicher. Zuspruch erhält Heidfeld von seinen Landsleuten Sebastian Vettel und Michael Schumacher.

"Das Auto war schon in Valencia stark und es ist offensichtlich, dass Nick Ende 2010 gute Leistungen gezeigt hat, also ist es keine Überraschung, dass er das auch hier geschafft hat", sagte Schumacher. Vettel hatte die Stärke des Renaults ebenfalls schon in Valencia bemerkt. "Nick hat zudem gute Arbeit geleistet", sagte der Weltmeister. "Die Rente kann bei ihm noch etwas warten."

Heidfeld wollte noch keine Einschätzung des Kräfteverhältnisses abgeben. "Es ist unmöglich, zu sagen, wo wir im Vergleich zu den anderen stehen", betonte er. Nur eins stehe fest: "Das Auto ist nicht scheiße, aber mehr kann man nicht sagen." Wenn man das Auto abtanke und weiche Reifen aufziehe, könne fast jeder vorne stehen. "Lotus Renault ist nicht der Favorit. Das ist für mich Red Bull, sie sehen wie letztes Jahr sehr gut aus."

Am Sonntag übernimmt Testfahrer Bruno Senna das Auto von Heidfeld. Dann erhält der Deutsche etwas Zeit, um über die Geschehnisse einer ereignisreichen Woche zu reflektieren. Als er zum ersten Mal von Kubicas Unfall hörte, fand er sich in einer schwierigen Situation wieder. "Ich dachte: Wenn es bei ihm schlimmer ist, ist es besser für mich", erinnert er sich. "Das ist ein ganz komisches, beklemmendes Gefühl. Man wünscht ja niemandem etwas Schlechtes, aber es könnte deine Chance bedeuten. Ich kann nichts daran machen, wenn die Chance da ist, muss ich sie nutzen."