Eric, wenn Sie die erste Saisonhälfte Revue passieren lassen: Hat die Performance des Renault Teams Ihre Erwartungen erfüllt?
Eric Boullier: Nun, bei den ersten Grands Prix ließ die Schnelligkeit unseres Autos noch zu wünschen übrig. Wir wussten, dass wir ein enorm hohes Entwicklungstempo anschlagen müssen, um unseren Rennwagen schneller zu machen und näher an die Konkurrenz heranzubringen. Jeder Einzelne in unserem Team hat sich dieser Herausforderung gestellt und ist - aus heutiger Sicht betrachtet - mit dieser Aufgabe gewachsen. Die Ergebnisse spiegeln dies klar wider. Wir kommen von Grand Prix zu Grand Prix näher an die Spitze heran. So gesehen bin ich natürlich sehr zufrieden mit den enormen Fortschritten, die uns bis dato gelungen sind. Ich hoffe, dass wir diese Aufholjagd bis zum Ende der Saison mit unveränderter Geschwindigkeit fortsetzen können.

Renault greift Mercedes an, Foto: Sutton
Renault greift Mercedes an, Foto: Sutton

Beim vergangenen Grand Prix in Valencia hat Renault sei¬nem Hauptrivalen Mercedes neun weitere WM-Punkte abge¬jagt. Denken Sie, dass der vierte Platz in der Konstrukteurs¬wertung bis zum Jahresende noch in Reichweite liegt?
Eric Boullier: Ich gehe davon, dass uns dieses spannende Duell bis zum letzten Grand Prix dieser Saison in Atem hält. Wir haben es hier mit einem wirklich starken Gegner zu tun. Es wäre fatal, sie zu unterschätzen. Sie gehen mit zwei ausgezeichneten Fahrern an den Start und liegen in der WM-Tabelle aktuell vor uns. Wir sind die Verfolger und müssen unser Bestes geben, um sie noch einzuholen. In Valencia hatten sie ganz offensichtlich nicht ihr erfolgreichstes Wochenendes. Das hat mich einerseits sehr überrascht, andererseits wird sich dies in dieser Form so nicht weiter fortsetzen. Wir freuen uns sehr, ihren Vorsprung weiter verkürzen zu haben. Aber ich weiß, dass sie jetzt auf Revanche sinnen.

Vitaly Petrov kann nun auf die Erfahrung von neun Grands Prix zurück blicken. Welche Erwartungen stellen Sie an ihn für die zweite Saisonhälfte?
Eric Boullier: Auch wenn er jetzt ein halbes Jahr in der Formel 1 unterwegs ist, so dürfen wir doch nie vergessen, dass er im Vergleich zu anderen Neueinsteigern wie beispielsweise Nico Hülkenberg oder Kamui Kobayashi über viel weniger Erfahrung mit Grand-Prix-Rennwagen verfügt - während Vitaly im Februar erstmals überhaupt in einem Formel 1 saß, spulten die anderen beiden in den Vorjahren jede Menge Testkilometer ab. Mit anderen Worten: Petrov musste eine viel steilere Lernkurve hinlegen. Dennoch hat er gleich mehrmals aufscheinen lassen, wie schnell er ist. Mehrmals kam er durchaus an die Performance von Robert Kubica heran. Woran wir jetzt arbeiten müssen, ist seine Konstanz und die Verringerung seiner Fehlerrate über das ganze Wochenende betrachtet. Ich wünsche mir von ihm, dass er es regelmäßig bis in den dritten Qualifying-Abschnitt schafft und WM-Punkte einfährt.

Wie lautet Ihre Strategie im Hinblick auf die Weiterent¬wick¬lung des Renault R30?
Eric Boullier: Im Vergleich mit dem Saisonbeginn werden wir unsere Herangehensweise sicherlich modifizieren - auch wenn überhaupt kein Zweifel daran besteht, dass wir auch weiterhin mit voller Kraft daran arbeiten müssen, den aktuellen Renault R30 schneller zu machen. Noch können wir nicht um Pole Positions oder Siege kämpfen, und das Entwicklungstempo in der Formel 1 ist mörderisch hoch. Wir dürfen uns also nicht zurücklehnen. Gleichzeitig spielt es aber auch eine große Rolle, den Blick voraus auf die bevorstehende Saison zu werfen und die Arbeit am 2011er-Formel-1-Rennwagen von Renault voranzutreiben - die übrigens gute Fortschritte macht. Unsere Aufgabe für die kommenden Wochen lautet: Wir müssen bei der Aufteilung unserer Entwicklungskapazitäten die richtige Balance finden.

Eric Boullier muss entscheiden, ab wann für 2011 gearbeitet wird, Foto: Sutton
Eric Boullier muss entscheiden, ab wann für 2011 gearbeitet wird, Foto: Sutton

Der Große Preis von Silverstone ist das Heimrennen für den Chassis-Workshop in Enstone. Hebt ihn dies aus dem übrigen Rennkalender hervor?
Eric Boullier: Renault selbst ist natürlich ganz klar ein französisches Unternehmen. Da in diesem Jahr jedoch kein Grand Prix von Frankreich ausgetragen wird, nimmt die Bedeutung des Silverstone-Rennens für uns selbstverständlich nochmals zu - immerhin liegt der Flughafenkurs keine 40 Fahrminuten von Enstone entfernt. Allerdings fühlte sich Monaco zu Beginn der Saison auch etwas wie ein Heimspiel an. Für das kommende Wochenende jedenfalls planen wir eine besondere Veranstaltung im Workshop, werden den Grand Prix auf großen Leinwänden übertragen und auch die Familien unserer Mitarbeiter einladen. So betrachtet steht uns natürlich ein besonderes Rennen bevor.

Welche Erwartungen stellen Sie an die Performance des Renault R30 in Silverstone?
Eric Boullier: Ich bin sehr gespannt, wie sich unsere beiden Autos auf dem neuen Streckenlayout schlagen werden. Ich hoffe, die Änderungen führen zu mehr Überholmanövern und einer unterhaltsameren Show für die Zuschauer. Was unsere Konkurrenzfähigkeit angeht: Ich hoffe, dass sich die zahlreichen Weiterentwicklungen der vergangenen Wochen beim britischen Grand Prix auszahlen und wir erneut ein ordentliches Punktepaket mit nach Hause nehmen.