Rennauto oder Flugzeug? Ich, der MSM-Reporter, mache auf dem Beifahrersitz plötzlich ganz große Augen, als mich Markus Winkelhock im 640 PS starken Audi R8 LMS GT2 nur per Joystick durchs Fahrerlager in die Boxengasse steuert. Das Lenkrad lässt der frühere Formel-1- und DTM-Fahrer sowie dreimalige Sieger des 24h-Rennen Nürburgring unangetastet, während wir uns am Rande des DTM-Saisonauftakts in Oschersleben zielsicher an den staunenden Zuschauern vorbeischlängeln.

"Verrückte Technik", denke ich mir, während Winkelhock, mit dem ich direkt per Funk verbunden bin, grinsend unter dem Helm erklärt: "So etwas hast du auch noch nicht erlebt, oder? Das ist die beste Möglichkeit, um verständlich zu zeigen, wie das Steer-by-Wire-System funktioniert."

Space-Drive-Lenkung im DTM-Innovationstaxi

Die sogenannte Space-Drive-Lenkung, bei der keine mechanische Verbindung zwischen Lenkgetriebe und Lenkrad vorhanden ist, kennen wir seit 2021 von den Renneinsätzen in der DTM. Die Übertragung der Lenkbefehle erfolgt stattdessen innerhalb von Millisekunden über Kabel - also 'by-Wire' - durch elektrische Impulse. Dadurch ist es praktisch egal, ob das Auto per konventionellem Lenkrad oder eben mittels Schaltknüppel in der Mittelkonsole gelenkt wird.

"Das ist jetzt aber ein komplett anderes System als 2021", sagt Winkelhock, der damals bei seinem DTM-Start auf dem Nürburgring mit dem Space-Drive-Audi in die Punkteränge fuhr und von Beginn an in die Entwicklung eingebunden war. "Seitdem haben wir sehr viele neue Daten gesammelt. Bei der Software mit Blick auf das Feedback zwischen Auto und Fahrer haben wir riesengroße Fortschritte erzielt, unter anderem sind konkrete Reifenmodelle aus dem Motorsport in die Software eingeflossen."

Schaeffler DTM-Innovationstaxi mit Rennfahrer Markus Winkelhock in Oschersleben
640 PS und V10-Power: Das DTM-Innovationstaxi von Schaeffler, Foto: Mario Hegewald, JungAdler

V10-Power mit 640 PS: Das macht Winkel-Bock!

Während unser Audi in der Boxengasse vor der Garage des DTM-Teams Abt Sportsline einen Satz frischer Slick-Reifen verpasst bekommt, stellt Winkelhock per Switch-Schalter die Lenkung vom Joystick auf das Rennlenkrad um. Konkret spricht man von einer Force-Feedback-Einheit, denn wie wir gelernt haben, spielt es mangels traditioneller Lenksäule hinter dem Volant sowieso keine Rolle, wie die Lenksignale an die Räder übertragen werden. Für die schnelle Hatz über den 3,696 Kilometer langen Kurs in der Magdeburger Börde bietet sich jedoch das vertraute Lenkrad als performantester Signalgeber an.

Das bekomme ich direkt zu spüren, als 'Winki' nach der Boxengassenausfahrt die 640 Pferde des brüllenden V10-Saugmotors im Heck freilässt. Hotelkurve, Hasseröder Kurve und die 'Triple' genannte Dreifachlinks im ersten Sektor - zack, zack, zack, die immensen G-Kräfte durch die Kurven hindurch sorgen für eine gefühlte Neuanordnung meiner Eingeweide und ein breites Strahlen quer über mein Gesicht unter dem mit einem HANS-System verstärkten Helm.

Dann mein persönliches Highlight, die Rechts-Links-Rechts-Schikane: Winkelhock donnert hier nur so über die Kerbs, es rummst, es knallt, alles vibriert, alles geil, was ein Spaß! Ach so, keine Lenksäule? Völlig egal, merke ich gar nicht, soll auch genauso sein. Daumen rauf von Winkelhock, bevor er die Gegengerade entlangfliegt. Mehr Kurven, mehr Adrenalinausstoß, wo waren wir doch gleich? Ah ja, letzte Ecke schon, heftige Bremszone vor Start/Ziel, Captain Winkelhock wirft den Anker. Ahoi, die Bremsleistung drückt mich förmlich in Richtung Frontscheibe, bevor der 43-Jährige schon wieder durchbeschleunigt und die nächste schnelle Runde in Angriff nimmt. Das macht Winkel-Bock!

Schaeffler DTM-Innovationstaxi mit Rennfahrer Markus Winkelhock und Robert Seiwert in Oschersleben
MSM-Reporter Robert Seiwert auf dem Beifahrersitz des Audi R8 LMS GT2, Foto: Schaeffler

Schaeffler: Innovation auf vier Rädern

Cooles Feature: Die Bilder meiner strahlenden Augen aus der Onboard-Kamera werden live in die schicke Schaeffler-Hospitality im Fahrerlager gestreamt. Was ich gerade als Flugzeug auf vier Rädern wahrgenommen habe, bezeichnet DTM-Partner Schaeffler als 'Innovationstaxi', das an den Rennwochenenden eifrig Runden im Rahmenprogramm dreht und Prominente oder Medienvertreter auf dem Beifahrersitz begeistert.

Das ist nicht nur ein Slogan, der Name hat Programm: Tatsächlich entwickeln Schaeffler-Ingenieure den Audi R8 LMS GT2 konstant bei Testfahrten auf europäischen Rennstrecken während der laufenden Saison weiter. Für die Serienentwicklung gibt es eben kein besseres Prüffeld als die Rennstrecke.

Die fortschreitende Entwicklung verläuft ähnlich rasant wie die 640 Pferdestärken, die der V10-Saugmotor mit 5,2 Litern Hubraum klangvoll aus dem Heck freigibt: Beim DTM-Auftakt in der Motorsport Arena Oschersleben fuhr das Innovationstaxi erstmals mit einem speziellen Motoröl der Firma LubriCan, das zu 100 Prozent fossilfrei ist, ganz ohne Mineralöle auskommt und CO2-neutral hergestellt wird. "Es waren keine Anpassungen im Motorbereich nötig", berichtet mir der Motorsport-erfahrene Schaeffler-Systemingenieur Christian Gapp, der den Audi R8 LMS GT2 auch als Renningenieur betreut. "In Oschersleben lief alles reibungslos."

Schaeffler DTM-Innovationstaxi mit Rennfahrer Markus Winkelhock in Oschersleben
Neu: Der GT2-Audi fährt mit fossilfreiem Motoröl der Firma LubriCan, Foto: Schaeffler

DTM-Innovationstaxi fährt mit SynFuels

Das gilt ebenso für den synthetisch produzierten SynFuel-Kraftstoff, der den Serienmotor des GT2-Audi bereits seit vergangenem Jahr antreibt und einen CO2-neutralen Betrieb ermöglicht. Gapp: "Wir haben den Sprit einfach in den Tank gekippt und sind losgefahren. Seit der ersten Fahrt bis heute haben wir keine relevanten Unterschiede beim Motorbetrieb festgestellt."

Wie es sich für ein waschechtes Innovationstaxi gehört, befinden sich die nächsten technologischen Neuerungen bereits in der Pipeline. Dazu zählt eine von Schaeffler entwickelte mechatronische Hinterachslenkung, die bereits in Serienautos zum Einsatz kommt und für eine erhöhte Wendigkeit sowie Stabilität durch intelligente Lenkbewegungen an der Hinterachse sorgt.

"Als führendes Technologieunternehmen müssen wir uns ständig weiterentwickeln", sagt der Motorsport-begeisterte Matthias Zink, Vorstand Automotive Technologies bei Schaeffler. "Das dynamische Umfeld der DTM bietet die perfekte Plattform dafür." Und für mich die perfekte Gelegenheit, einen Profi-Rennfahrer aus allernächster Nähe beobachten zu können!