Beim DTM-Rennwochenende auf dem Lausitzring (18.-20. August 2023) erhalten die Zuschauer einen rasanten Ausblick auf die Zukunft: Im Rahmenprogramm dreht ein rund 640 PS starker Audi R8 LMS GT2 seine Runden - und das klimaneutral. Der Clou steckt im Tank: Der Rennwagen mit seinem brummigen V10-Verbrennungsmotor wird ausschließlich mit E-Fuels, auch als Synfuels bezeichnet, befüllt. Anpassungsarbeiten am Fahrzeug waren dafür nicht notwendig.
Synthetische Kraftstoffe sind derzeit ein heißes Thema in der Automobilindustrie und haben auch die Motorsportwelt erreicht. Der ADAC als Rechtehalter der DTM hat sich den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit groß auf die Fahnen geschrieben: In den GT3-Rennwagen kommt schon jetzt ein spezieller Kraftstoff zum Einsatz, der aus 50 Prozent erneuerbaren Komponenten besteht und damit einen Anteil zur CO2-Reduktion leistet.
Mit 640 PS klimaneutral im Renntempo unterwegs
Diese Angelegenheit will der zweitgrößte Automobilklub der Welt auch künftig vorantreiben. Ein verstärkter Einsatz von E-Fuels in der 1984 gegründeten Traditionsrennserie wird seit geraumer Zeit diskutiert und nimmt aktuell an Fahrt auf, wie wir aus unterschiedlichen Quellen hören.
Einen Vorgeschmack liefert am Lausitzring das sogenannte 'Innovationstaxi' von DTM-Serienpartner Schaeffler. Der 5,2-Liter-Motor des Audi R8 LMS GT2 aus der Serienproduktion wird erstmals von einem nachhaltigen Kraftstoff angetrieben, der effektiv einen CO2-neutralen Betrieb ermöglicht. Am Steuer des Rennwagens sitzt der frühere Formel-1- und DTM-Fahrer Markus Winkelhock, der bereits in die Entwicklung der ebenfalls verbauten Steer-by-Wire-Lenktechnologie involviert war.
Motorsport setzt verstärkt auf E-Fuels
Der deutsche Zulieferer-Gigant Schaeffler mit rund 84.000 Mitarbeitern geht davon aus, dass 2030 weltweit 40 Prozent der Fahrzeuge vollständig elektrifiziert sein werden. Weitere 40 Prozent würden mit teilelektrischem Antrieb fahren und weiterhin Verbrennungsmotoren nutzen, die nach neusten Emissionsstandards entwickelt werden. Die verbleibenden 20 Prozent sollen demnach einen reinen hocheffizienten Verbrennungsmotor verwenden.
E-Fuels bieten neben batterieelektrischen Fahrzeugen eine weitere potenzielle Möglichkeit, die Umweltbelastungen im Straßenverkehr zu reduzieren - ganz besonders mit Blick auf die 1,4 Milliarden (!) verbrennungsmotorischen Bestandsfahrzeuge auf der Welt.
Der Motorsport hat diesen sich noch in der Entwicklungsphase befindlichen Trend erkannt: Die Formel 1 setzt ab 2026 verstärkt auf den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen, während die Nachwuchsserien Formel 2 und Formel 3 schon dieses Jahr mit 55 Prozent Biosprit und ab 2025 mit E-Fuels fahren. Porsche, das in Deutschland eine Vorreiterrolle bei der Gewinnung von synthetischen Kraftstoffen eingenommen hat, startet in seinem Supercup-Markenpokal ebenfalls mit einer biobasierten Kraftstoff-Mischung aus erneuerbaren Quellen.
Norbert Haug: Durchdachte Lösungen statt Grüne Verbote
"Dieses Projekt von Schaeffler beweist, dass ein rund 640 PS starker Verbrennungsmotor mit Synfuels problemlos klimaneutral betrieben werden kann", sagt der langjährige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug zu Motorsport-Magazin.com. "Synfuels sind eine überaus sinnvolle Lösung und sie sollten aus meiner Sicht sukzessive global ausgerollt werden. Das ergibt sich allein aus der Tatsache, dass es weltweit über 1,4 Milliarden Bestandsautos mit einem Verbrennungsmotor gibt, die dann klimaneutral zu betreiben wären. Dem Klimawandel ist nur mit wirkungsvollen Maßnahmen zu begegnen. Grüne Verbote helfen da nicht, durchdachte, nachhaltige und technikgetriebene Lösungen umso mehr."
Haug, der sich seit einigen Jahren für die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe einsetzt, weiter: "Das 'Brumm-Brumm' bei der Rennerei ist zwar schön, aber der Motorsport muss einen Sinn stiften und im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig sein. Es muss insbesondere das Ziel der DTM sein, als Vorreiter-Rennserie eine Plattform für Innovationsträger und -beschleuniger zu bieten. Rennsport war immer schon ein Innovationstreiber, was in den vergangenen Jahren nur leider zu selten kommuniziert wurde. Der ADAC hat sich nun richtigerweise auf die Fahnen geschrieben, mit der DTM sukzessive eine vielbeachtete Plattform für innovative Technik-Themen zu schaffen."
E-Fuels: Vor- und Nachteile
E-Fuels sind synthetische Treibstoffe, die mithilfe erneuerbarer Energiequellen, etwa Sonnen- oder Windenergie, hergestellt werden. Durch Elektrolyse wird Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Im folgenden Schritt wird der gewonnene Wasserstoff mit aus erneuerbaren Energiequellen stammendem Kohlendioxid (CO2) kombiniert. Diese Verbindung führt zur Herstellung verschiedener synthetischer Kraftstoffe. Ein Vorteil dieses Verfahrens ist, dass Wasser und Kohlendioxid im Gegensatz zu Erdöl praktisch in unbegrenzten Mengen verfügbar sind.
Porsche hat dazu mit weiteren Partnern ein Großprojekt im chilenischen Patagonien angestoßen, bei dem die Kapazitäten bis 2024 auf rund 55 Millionen Liter und bis 2026 auf rund 550 Millionen Liter pro Jahr gesteigert werden sollen. In diesem Teil der Erde laufen Windräder an 270 Tagen im Jahr mit fast maximaler Auslastung. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Vollauslastung bei nur rund 66 Tagen jährlich.
E-Fuels können CO2-neutral sein, wenn der für ihre Herstellung benötigte Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Zahlreiche Vertreter der Autobranche sehen hierin eine Lösung, um die Emissionen der Bestandsfahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor zu reduzieren. In der EU dürfen ab 2035 keine mit fossilem Diesel oder Benzin betankten Autos mehr neu zugelassen werden. Eine Ausnahme vom Verbrenner-Verbot durch den Einsatz von E-Fuels wird geprüft. Laut dem Pariser Klimaabkommen soll ab 2050 Klimaneutralität im gesamten Verkehrsbetrieb herrschen.
E-Fuel-Kritiker sprechen hingegen von einer künstlichen Verschleppung der Klimaziele und weisen auf den geringen Wirkungsgrad hin. Der soll aktuell bei 10 bis 15 und maximal 20 Prozent liegen, während Elektro-Autos (BEV) 80 bis 90 Prozent der Ausgangsenergie umsetzen können. Laut dem Karlsruher Institut für Technologie wird in einem Forschungsprojekt versucht, den Wirkungsgrad von synthetischen Kraftstoffen auf bis zu 60 Prozent zu erhöhen. Eine fortschreitende, global angelegte Entwicklung von E-Fuels könnte zudem die vergleichsweise hoch prognostizierten Preise für Endkonsumenten verringern.
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