Der DTM-Titelkampf geht in die brandheiße Phase, auf dem Red Bull Ring in Spielberg (23.25. September) steigt das vorletzte Rennwochenende der Saison 2022. Der Druck wächst, die Gangart wird noch ruppiger und Grenzen mindestens bis ans Limit ausgelotet.

Es dürften wie schon zuletzt lange Abende für die Rennleitung werden - Brennpunkte für die Saisonrennen Nummer 13 und 14 gibt es in der Theorie jedenfalls ausreichend. Motorsport-Magazin.com analysiert die heikelsten Themen im Vorfeld des Österreich-Events.

Brennpunkt 1: Track Limits

Verstöße gegen die Track Limits sind seit jeher ein leidiges Thema auf dem ansonsten beliebten Red Bull Ring. Allein im 1. Freien Training am Freitagvormittag kam es zu 123 Verstößen gegen die Streckenbegrenzungen.

Nicht nur die DTM, auch die Formel 1 lässt grüßen: Beim diesjährigen Österreich Grand Prix notierte die Rennleitung am Wochenende inklusive Formel 2 und Formel 3 ganze 368 Vergehen gegen die Track Limits! In der F1 allein waren es 88 Überschreitungen. Lando Norris, Sebastian Vettel, Guanyu Zhou und Pierre Gasly kassierten wegen viermaligen Überschreitens 5-Sekunden-Zeitstrafen.

In der DTM wird es noch etwas komplizierter: Bei der Track-Limit-Orgie zuletzt in Spa-Francorchamps - einschließlich Verwarnungen und anderer Strafen gab es in diesem direkten Zusammenhang 36 Entscheidungen - hatten Vergehen potenzielle Folgen: Im Sonntagsrennen erhielten sechs Fahrer Grid-Strafen, weil sie im Samstagsrennen mehr als dreimal die Streckengrenzen überfahren hatten.

Jetzt in Spielberg gehen vier Fahrer mit einer 3-Platz-Gridstrafe ins Samstagsrennen, weil sie vor zwei Wochen am Sonntag in Spa mindestens viermal die Track-Limits missachtet hatten: Marco Wittmann, Laurens Vanthoor, Clemens Schmid und Arjun Maini. Dazu Rene Rast, der eine 5-Sekunden-Zeitstrafe in Spa (Kollision mit Cassidy) wegen seines vorzeitigen Ausfalls bis zum Rennende nicht ableisten konnte.

Die Gridstrafen-Regelung für das nächste Rennen anstelle einer 5-Sekunden-Strafe im aktuellen Rennen gilt tatsächlich seit dem Saisonbeginn, wurde aber erst in Spa aufgrund der Missachtungs-Flut zu einem größeren Thema. 2021 setzte es auf einigen Rennstrecken eine 5-Sekunden-Strafe bei der sechsten Track-Limit-Überschreitung eines Fahrers.

Grid-Strafen: Teams fordern Klarstellung nach Schumacher-Trick

Und es wird noch komplexer: Kann ein Fahrer die Grid-Strafe in der Startaufstellung des nächsten Rennens nicht vollständig ableisten - etwa, wenn er im Qualifying den letzten Platz belegte - muss er im Rennen eine Durchfahrtsstrafe antreten. So erging es in Spa David Schumacher, der wegen sieben Track-Limits insgesamt zwölf Strafplätze kassiert hatte. Der Winward-Mercedes-Pilot bog geschickterweise direkt in die Boxengasse ab, kurz nachdem die Startampel auf Grün geschaltet worden war - und verlor somit etwas weniger Zeit auf den Rest des Feldes.

Motorsport-Magazin.com weiß: Der per Reglement erlaubte Schumacher-Kniff war ein großes Gesprächsthema bei der Konkurrenz - einige Vertreter forderten eine Klarstellung, damit beim nächsten Start nicht das große Chaos ausbricht, wenn mehrere Fahrer gleichzeitig aus der Startformationen ausscheren oder verlangsamen, um noch in der Startrunde ihre Durchfahrtstrafen abzusitzen.

Ursprünglich sollten in Spa alle Fahrer mit einer nicht absolvierten Grid-Strafe eine Durchfahrtstrafe plus einer 10-Sekunden-Zeitstrafe absolvieren. Das wurde allerdings über Nacht gekippt. "Dies war eine Anpassung nach einem Austausch mit den Sportkommissaren über die Begebenheiten der Boxengasse", teilte Rennleiter Scot Elkins gegenüber Motorsport-Magazin.com mit. "Man war der Auffassung, dass eine Drive-Through-Strafe eine bessere Option sei als ein Fahrzeug eine längere Zeit an der Boxenstopp-Station halten zu lassen."

Am Wochenende in Spielberg müssen die Fahrer die Track Limits an folgenden Stellen beachten:

  • Turn 1: Fahrer dürfen den gelben 'Bananen'-Kerb am Kurvenausgang nicht mit den linken Reifen überschreiten. Das Berühren des Kerbs ist erlaubt. Andernfalls wird die aktuelle Rundenzeit gestrichen
  • Turn 3: Fahrer dürfen den gelben 'Bananen'-Kerb am Kurvenausgang nicht mit den linken Reifen überschreiten. Das Berühren des Kerbs ist erlaubt. Andernfalls wird die aktuelle Rundenzeit gestrichen
  • Turn 9: Fahrer müssen mit ihren rechten Reifen auf dem rot-weißen Kerb bleiben. Andernfalls wird die aktuelle Rundenzeit gestrichen
  • Turn 10: Fahrer müssen mit ihren rechten Reifen auf dem rot-weißen Kerb bleiben. Andernfalls werden die aktuelle sowie die nächste Rundenzeit gestrichen

Neue Abstands-Regel

Beim letzten Rennwochenende in Spa, in Folge scharfer Fahrer-Kritik an den Standards und einem direkten Austausch mit Rennleiter Scot Elkins, galt: 'Die Fahrer müssen zwischen ihrem eigenen Auto und anderen Autos oder dem Rand der Strecke bei der Anfahrt und dem Ausgang einer Kurve einen Rennraum (mindestens eine halbe Fahrzeugbreite) lassen.'

In den öffentlich einsehbaren Event Notes für das Spielberg-Event ist von einer halben Fahrzeugbreite keine Rede mehr. Stattdessen heißt es unter Punkt 9.2:

"Die Fahrer müssen bei der Anfahrt und dem Ausgang einer Kurve angemessenen Abstand zwischen ihrem eigenen Auto, anderen Autos oder dem Rand der Strecke lassen. Angemessener Abstand ist definiert als respektvolles Fahren beim Überholen oder Überholtwerden und soll nicht von engen Rennen abhalten (wie es in Spa ausgeführt wurde)."

Dass Elkins den Input der Fahrer - zu Class-1-Zeiten mussten sie sogar eine ganze Fahrzeugbreite Platz lassen - aufnahm, wurde vielerorts gelobt. Und in Spa ging es augenscheinlich tatsächlich sauberer zur Sache als vorher. BMW-Werksfahrer Philipp Eng: "Ich hatte tolle Fights mit Maro Engel, Maximilian Götz und Mirko Bortolotti nebeneinander durch ein paar Kurven. Es ist immer noch hartes Racing. Es geht nicht darum, auf Distanz zu fahren, sondern darum, andere nicht am Kurvenausgang von der Strecke zu schieben. In Spa war es perfekt."

Zumindest bei der Definition der 'Abstandsregel' gingen die Meinungen etwas auseinander. Hans-Joachim Stuck, DTM-Champion von 1990, bei ServusTV: "Was die DTM bietet, ist top. Wir wollen ja gerade in diesem Sport sehen, dass Lackaustausch möglich ist. Man muss natürlich fair bleiben. Aber solche Regeln einzuführen wie eine Abstandsregel, ist unrealistisch. Wir fahren ja Rennen und nicht zum Kaffeetrinken." Dass Ralf Schumacher und Rene Rast öffentlich Kritik übten, fand Strietzel "schade": "Das gehört in einem Fahrer-Briefing mit dem Rennleiter besprochen, aber nicht vor der Kamera irgendwas blöd rumquatschen."

Porsche-Werksfahrer Thomas Preining zu Motorsport-Magazin.com nach seinen zwei Podestplätzen in Spa: "Das ist Blödsinn. Die Regel gibt es sonst nirgends, dass man eine halbe Wagenbreite zwischen den Autos Platz machen muss. Mehr Sinn macht es, wenn man im Zweikampf eine halbe Breite zum Streckenrand lassen muss, damit der andere nicht im Kies oder in der Mauer landet. Ich habe die Regel - wie die meisten anderen auch - ziemlich ignoriert. Wenn du eine halbe Fahrzeugbreite Platz lässt, egal ob du innen oder außen überholst, wird der andere immer vorne bleiben. Du kannst nicht überholen und so viel Platz lassen. Dann müsstest du zwei Sekunden pro Runde schneller fahren."

Brennpunkt 3: Teamorder

Das letztjährige Norisring-Saisonfinale wurde von der teamübergreifenden Mercedes-Stallregie sowie den Crashes zwischen Kelvin van der Linde und Liam Lawson überschattet. Daraus resultierend hat das Verbot der Teamorder einmal mehr seinen Weg ins Sportliche Reglement der DTM gefunden. Gibt es dieses Jahr wieder Diskussionen oder läuft alles glatt? Der Regel-Passus lässt zumindest Spielraum für Diskussionen und/oder Proteste.

Bereits in Spa gab es erste Andeutungen, dass besserplatzierte Fahrer in der Meisterschaft ein wenig Schützenhilfe von Markenkollegen erhielten. Beweisen lässt sich das freilich nicht. Rennleiter Scot Elkins auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com: "Die Annahme, dass das Überholen von Fahrern, die zufällig Team- oder Markenkollegen sind, auf der Rennstrecke während eines Rennens mit einer Teamorder zusammenhängt, ist äußerst spekulativ."

Laut ITR-Angaben gilt die Teamorder-Regelung auch teamintern, sprich: Der Teamchef darf keine Anweisungen für Teamorder geben. Dabei gilt die Annahme, dass die Fahrer selbst frei entscheiden dürfen, ob sie andere Piloten gegebenenfalls unterstützen. Nur: Im Reglement ist das so nicht eindeutig formuliert.

Philipp Eng, der diese Woche gefragt wurde, ob er Schubert-Teamkollege und Meisterschafts-Spitzenreiter Sheldon van der Linde im Titelkampf unterstützen würde, sagte: "Das Ziel ist immer, um den Sieg zu kämpfen. Klar ist, dass ich den Titel wohl nicht mehr holen werde. Ich kann nur sagen: Die Regeln sind klar, wenn es um Teamorder geht. Natürlich bekommt er meinen Support, aber immer innerhalb der Regeln."

Im Sportlichen Reglement der DTM 2022 heißt es konkret:

Der Begriff "Team Order" beschreibt eine Anweisung eines Bewerbers, Sponsors, Lieferanten, einer juristischen Person oder einer verbundenen juristischen Person, einschließlich eines Herstellers (einer Marke), eines Importeurs oder ihres Vertreters, an einen Teilnehmer und/oder Fahrer - ungeachtet ihrer Fähigkeiten und möglicherweise gegen ihren Wunsch zu gewinnen - eine bestimmte Aktion auszuführen, die das Qualifying- oder Rennergebnis beeinträchtigen kann.

Bewerbern und/oder Fahrern ist es nicht gestattet, einer mündlichen, vertraglichen oder anderweitig auferlegten Team Order Folge zu leisten. Vertragliche Vereinbarungen mit Bewerbern oder mit Fahrern oder zwischen Bewerbern und Fahrern dürfen die Verpflichtung von Bewerbern und/oder Fahrern nicht vorsehen, Team Order zu befolgen.

Bewerber und/oder Fahrer müssen mit 100 % ihrer Fähigkeiten fahren, mit dem Ziel, ihre bestmögliche Endposition bei der Veranstaltung zu erreichen. Jeder Verstoß wird den Sportkommissaren gemeldet und Strafen bis hin zum Ausschluss von der Meisterschaft können für alle Beteiligten verhängt werden.