Wer soll Sheldon van der Linde auf dem Weg zum Gewinn der DTM-Meisterschaft 2022 noch aufhalten? Der BMW-Werksfahrer von Schubert Motorsport könnte den Titel theoretisch sogar schon beim kommenden Rennwochenende auf dem Red Bull Ring (23.-25. September) vorzeitig eintüten!

Es wäre seit 2010 das fünfte Mal, dass ein Fahrer vorzeitig die DTM-Meisterschaft gewinnt. Dieses Kunststück gelang zuletzt Martin Tomczyk (2011, Audi), Mike Rockenfeller (2013, Audi), Marco Wittmann (2014, BMW) und Rene Rast (2019, Audi).

Van der Linde reist mit 130 Punkten im Gepäck nach Spielberg. Sein Vorsprung auf den ärgsten Verfolger und Lokalmatador Lucas Auer (Winward-Mercedes) beträgt komfortable 32 Zähler. "Wir gehen jetzt auf die Endphase zu", sagt der AMG-Fahrer aus Österreich. "Das wird aggressiv und es werden viele Emotionen dabei sein. Ich glaube, die Meisterschaft wird am Sonntag in Hockenheim entschieden."

DTM-Tabelle 2022 nach 12/16 Rennen (Top-5)

Pos.FahrerTeamPunkte
1Sheldon van der LindeSchubert-BMW130
2 Lucas AuerWinward-Mercedes98
3Rene RastAbt-Audi96
4Mirko BortolottiGRT-Lamborghini94
5Dennis OlsenSSR-Porsche87

Preining: "Van der Linde ist so weit weg..."

Bei noch 116 zu vergebenden Punkten auf dem Red Bull Ring sowie beim Saisonfinale in Hockenheim (07.-09. Oktober) müsste der Südafrikaner seinen Vorsprung auf 59 Punkte ausbauen, um beim Finale rechnerisch nicht mehr einholbar zu sein.

Van der Linde hat bereits angekündigt, dass "verrückte Manöver keinen Sinn machen", sprich: Mit seinem BMW M4 GT3 wird der sichtbar gereifte, 23-Jährige sicherlich nicht die Brechstange auspacken, um auf Sieg zu fahren. So hielt er es bereits zuletzt in Spa-Francorchamps, wo ein Angriff auf den späteren Sieger Nick Cassidy im AF-Corse-Ferrari ein großes Risiko mit sich gebracht hätte. Stattdessen sackte van der Linde lieber die 18 sicheren Punkte für den zweiten Platz ein.

"Van der Linde ist so weit weg, da wird realistisch betrachtet nicht mehr viel passieren, außer er hat ein Katastrophen-Wochenende", unkte der Meisterschafts-Siebte und Porsche-Werksfahrer Thomas Preining nach zuletzt zwei Spa-Podestplätzen gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Der Red Bull Ring ist eine BMW-Strecke, das Auto wird da schon gut gehen."

Schubert-BMW: Rückkehr an den Ort des Erfolges

Dass van der Linde jederzeit in der Lage ist, Siege zu erzielen, hat er in dieser Saison bereits dreimal bewiesen - kein anderer Fahrer im Feld der knapp 30 Autos konnte bislang mehr als einen Sieg landen. Den Grundstein zum Titelkampf legte van der Linde mit seinem Doppelsieg auf dem Lausitzring im Mai dieses Jahres, es folgte ein weiterer Triumph auf dem Nürburgring.

Bemerkenswert: Zeitgleich zu van der Lindes Lausitz-Kunststück lieferte sein Schubert-Team an anderer Stelle ähnlich erfolgreich ab. Ausgerechnet auf dem Red Bull Ring - dem nächsten DTM-Halt - gelang der Mannschaft um Teamchef Torsten Schubert ein Doppelsieg im ADAC GT Masters. Es war das erfolgreichste Wochenende in der über 20-jährigen Geschichte des Rennstalls aus Oschersleben.

Die DTM jagt Sheldon van der Lindes Schubert-BMW, Foto: DTM
Die DTM jagt Sheldon van der Lindes Schubert-BMW, Foto: DTM

Der GT-Masters-Triumph war ein klarer Beleg, dass Spielberg auch unter dem neuen M4 GT3 absolutes BMW-Land bleibt: Der Autobauer aus München holte seit 2018 fünf Siege in den zehn Rennen des ADAC GT Masters auf dem Alpenkurs. In der DTM führte Marco Wittmann letztes Jahr seinen ROWE-M6 am Sonntag von der Pole Position auf den zweiten Platz hinter Liam Lawsons starkem Ferrari.

"Auf dem Papier sollte der Red Bull Ring unserem Auto liegen", sagte van der Linde, der seine vierte DTM-Saison mit BMW bestreitet. "Das hilft und jetzt am Ende ist es wichtig, Risiko und Lohn abzuwägen." Neben dem BMW gilt der ebenfalls von einem Turbo-Motor angetriebene und von AF-Corse eingesetzte Ferrari 488 GT3 als stärkstes Auto auf dem 4,318 Kilometer langen Grand-Prix-Kurs.

Abt-Audi hadert: Letztes Jahr chancenlos in Spielberg

Audi-Kundenteam Abt Sportsline machte sich unterdessen im Vorfeld keine allzu großen Hoffnungen. Nicht ohne Grund, denn in Spielberg tut sich der Audi R8 LMS GT3 in sämtlichen Evo-Versionen seit Jahren schwer. Mit dem dreifachen DTM-Champion Rene Rast haben die Äbte ein heißes Eisen im Feuer: Der künftige BMW- und McLaren-Werksfahrer ist Gesamt-Dritter mit 96 Punkten.

"Wir freuen uns, dort hinzugehen, auch wenn wir wissen, dass es dort mit unserem Auto unheimlich schwer wird", sagte Abt-Teamchef Thomas Biermaier. "Das haben wir auch letztes Jahr gesehen, als wir keine Chance hatten."

Titelanwärter Bortolotti: "Ist es mathematisch noch möglich?"

Ein Fragezeichen steht hinter der Performance des Lamborghini Huracan GT3, mit dem das Team GRT aus Knittelfeld sein Heimspiel bestreitet. Der Meisterschafts-Vierte Mirko Bortolotti hat mit dem Lambo bereits Rennen in Spielberg gewonnen. Trotz zwei zuletzt äußerst schlechter Rennwochenenden auf dem Nürburgring und in Spa beträgt sein Rückstand auf van der Linde 'nur' 36 Punkte. Bemerkenswert: Die Plätze zwei bis zehn in der DTM-Tabelle trennen nur 28 Zähler.

"Ist es mathematisch noch möglich? Dann hast du dir selbst die Antwort gegeben", sagte der in Wien lebende Bortolotti in der DTM-Pressekonferenz auf die Frage, ob er noch an den Titelgewinn glaube. "Wir müssen als Paket abliefern, das ist das Hauptziel. Wenn wir das nicht schaffen, macht es keinen Sinn, Zeit damit zu verschwenden, zu schauen, was die Gegner machen."