Der zweimalige Champion Mattias Ekström ist eine echte Ikone der DTM-Geschichte. Im Interview mit Motorsport-Magazin.com spricht der 43 Jahre alte Schwede über die alte und neue DTM, in der seit 2021 mit GT3-Sportwagen um Punkte gekämpft wird. Seine Sicht der Dinge zu Teamorder und Co. bringt der frühere Audi-Werksfahrer und ABT-Pilot Ekström teils und wie gewohnt knallhart auf den Punkt.

Nach dem Aussteigen der Hersteller und dem damit verbundenen Ende der Class-One-Ära mit Prototypen setzt DTM-Chef Gerhard Berger in der Traditionsrennserie seit dem vergangenen Jahr auf GT3-Sportwagen. War diese Entscheidung der richtige Schritt?
Mattias Ekström: Wegen der Kurzfristigkeit gab es für die Verantwortlichen praktisch keine Alternative.

Du hast selber schon in einem GT3-Sportwagen Rennen bestritten und dabei 2011 in einem Audi R8 LMS die 24h Spa gewonnen. Wie beurteilst Du das Fahren mit den GT3-Rennwagen?
Ekström: Die Autos sind noch relativ seriennah und können deshalb von vielen Piloten auf einem nahezu gleichen Niveau schnell bewegt werden.

Wo liegen die größten Unterschiede zwischen den Prototypen der Klasse-Eins und den seriennahen Sportwagen der GT3-Kategorie?
Ekström: Die Spreu vom Weizen trennt sich erst, wenn die Aerodynamik eine Rolle spielt, die Kurvengeschwindigkeiten entsprechend hoch sind und extrem spätes Bremsen den Unterschied ausmacht. Deshalb habe ich mir schon in der Vergangenheit mit den Class-One-Prototypen der DTM mehr Leistung (mindestens 800 PS, d. Red.) gewünscht. Das habe ich immer wieder, auch öffentlich zum Ausdruck gebracht, weil es nicht nur für mich eine große Herausforderung gewesen wäre.

Ist die aktuelle DTM mit den GT3-Sportwagen jetzt auf dem richtigen Weg?
Ekström: Im zweiten Jahr der GT3-Ära ist die Nachfrage bei Teams und Fahrern offenbar größer als im Premierenjahr 2021. Das ist sicher ein guter Fingerzeig.

Was erwartest Du von der neuen DTM-Saison mit mindestens sechs Marken und rund 30 Fahrern?
Ekström: Die verschiedenen Konstellationen versprechen eine ganze Reihe spannender Elemente. Es gibt beispielsweise Reglementänderungen, auf deren Umsetzung ich sehr gespannt bin. Ich würde mir noch mehr spektakuläres Racing und Zweikämpfe wünschen. Außerdem bin ich gespannt, ob die Balance of Performance (BoP) ausgeglichener ist, was vor allem in den letzten beiden Events 2021 auf dem Hockenheim- und Norisring meiner Meinung nach nicht der Fall war.

Wie meinst Du das konkret?
Ekström: Das gesamte BoP-Thema ist sehr schwierig und höchst sensibel, weil es für alle gerecht sein soll. Das ist der Anspruch. Als ich noch in der DTM aktiv war, haben wir schon über 7,5 Kilogramm Erfolgsgewicht geklagt. Die haben in der Regel beim nächsten Rennen für ein schlechteres Ergebnis gesorgt. Wenn ich dagegen sehe, dass man 2021 nach einem Samstag-Sieg auch das zweite Rennen am Sonntag trotz 25 kg Zusatzballast locker gewinnen konnte, dann hat mich das schon auch erstaunt.

Mattias Ekström: Meilensteine seiner DTM-Karriere

  • 197 DTM-Rennen für Audi von 2001 bis 2018
  • 23 Siege: Die viertmeisten aller DTM-Fahrer
  • 2 DTM-Titel mit Audi 2004 und 2007
  • 9 Mal in Top-3 der Gesamtwertung, 4-facher Vize-Meister
  • 77 Podestplätze: Platz 3 in der ewigen Statistik
  • 21 Pole Positions: Nur Bernd Schneider hat mehr (29)
  • 1.219 Punkte: Die fünftmeisten aller DTM-Fahrer
  • Weitere Erfolge: STCC-Meister 1999, 24h Spa-Sieger 2011, WRX-Weltmeister 2016, WRX-Vizeweltmeister 2017, 2018 & 2020, Pure ETCR-Champion 2021, 3 Einzelsiege beim Race of Champions 2006, 2007 & 2009

Die Verantwortlichen der DTM-Dachorganisation ITR und vor allem Gerhard Berger haben die legale und perfekt umgesetzte Teamorder von Mercedes-AMG nach dem Finale hart kritisiert und mit Konsequenzen gedroht. Wenn jemand weiß, wie Teamorder in der DTM funktioniert, dann bist Du es. Was hältst Du davon, dass die DTM nach dem Norisring-Eklat erneut ein Verbot der Teamorder ins Reglement aufgenommen hat?
Ekström: Gar nichts, denn Teamorder kann niemand, der Ahnung von den vielfältigen Möglichkeiten hat, verhindern. Allenfalls kann man mit dieser Entscheidung die Fans etwas beruhigen.

Du warst selber schon von solchen Spielereien betroffen und nicht gerade begeistert...
Ekström: Jedem, der sich damit beschäftigt, muss klar sein, dass es Teamorder doch schon immer gab, das haben deine Journalisten-Kollegen oftmals nur nicht mitbekommen. All die Tricks und Strategien, die dabei angewendet wurden und werden, haben doch nur ein Ziel: Gewinnen! Es gibt einfach zu viele Grauzonen, die von Ingenieuren und Strategen perfekt genutzt werden, um sie in die Tat umzusetzen.

Also ist es der falsche Weg, solch unbeliebte Maßnahmen zu unterbinden?
Ekström: Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass auch die Formel 1 mit dem Verbot gescheitert ist. Und in der DTM mussten die Hersteller gleich mehrfach erkennen, dass ein Verbot keinen Sinn macht. Alle haben es in irgendeiner Form immer wieder gemacht.

Foto: Audi Communications Motorsport
Foto: Audi Communications Motorsport

Kannst Du Fans verstehen, die damit ein Problem haben?
Ekström: Ja, natürlich, aber man darf nicht vergessen, dass es dabei auch um viel Geld geht, das die Hersteller in der DTM investieren bzw. investiert haben. Auch in anderen Sportarten gibt es diese Unterstützung. Solange alles den gültigen Regeln entspricht, sollte das jeder akzeptieren.

Kann ein Hersteller oder Fahrer stolz darauf sein, auf diese Art und Weise den Titel zu gewinnen?
Ekström: Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass sich die Hersteller im Laufe der Saison auf einen Fahrer festlegen, den es zu unterstützen gilt. Das wissen alle, die im Rennsport tätig sind. Wenn Du bereits am Anfang der Saison nicht bei der Musik bist und ablieferst, ist deine Rolle als Wasserträger vorprogrammiert. Bei der Tour de France steht doch beispielsweise schon vor der ersten Etappe fest, welcher Fahrer für das jeweilige Team gewinnen soll.

Im letztjährigen Endspurt hat sich Mercedes-AMG erst beim Finale auf Maximilian Götz als Titelgewinner festgelegt. Gab es in deiner DTM-Zeit schon viel frühere Entscheidungen, auf welchen Fahrer ein Hersteller gesetzt hat?
Ekström: Das weiß Du doch genauso gut wie ich! Am krassesten war es bei Pascal Wehrlein, den Mercedes schon Mitte der Saison (2015, d. Red.) als Titelgewinner auserkoren hatte. Immer dann, wenn es Spitz auf Knopf zuging, wurde frühzeitig auf den punktbesten Fahrer gesetzt - was sich dann im Nachhinein oftmals auch als richtig erwiesen hat.

Du kennst das ABT-Team, für das Du in der DTM in 17 Jahren von 2001 bis 2017 und in fast 200 Rennen an den Start gegangen bist, 2004 und 2007 zwei Titel gewonnen und am Saisonende insgesamt neunmal einen Top-3-Platz belegt hast, bestens. In diesem Jahr werden wieder drei Fahrer versuchen, den Titel mit den Äbten zu gewinnen. Was traust Du ihnen zu?
Ekström: Ich schaue mir das mit großem Interesse an, wie sich in meiner ABT-Familie der Konkurrenzkampf entwickelt. Mit Kelvin van der Linde und dem dreimaligen Champion René Rast hat das Team zwei Hochkaräter in seinen Reihen und zudem in Ricardo Feller (letztjähriger Deutscher GT-Meister, d. Red.) noch ein hoffnungsvolles Talent in der Hinterhand. Dieses erfolgversprechende Trio richtig zu händeln, ist auch für das Team eine Herausforderung, zumal in meinem früheren Renningenieur Florian Modlinger einer der besten Strategen überhaupt das ABT-Team kürzlich in Richtung Porsche (Formel E) verlassen hat. Ich bin wirklich gespannt, wer dabei als Gewinner hervorgeht.

Apropos E-Mobilität: Du bist neben der DTM noch in vielen anderen Rennserien und Disziplinen wie Rallye- und Rallycross-WM, Rallye Dakar, NASCAR, V8 Supercars, Race of Champions, im GT-Sport sowie in den Elektro-Rennserien Extreme E und Pure ETCR unterwegs gewesen oder noch aktiv. Hat dich nie die Formel E, die weltweit erste Elektro-Rennserie interessiert?
Ekström: Doch schon, weil das Managen von Effizienz, die ungewohnten Profilreifen und auch die Strategie mich interessieren. Das sind alles Dinge, die ich mag. Zudem hätte ich wohl in Florian Modlinger einen absoluten Experten an meiner Seite gehabt, der zu den Besten seines Fachs gehört, was er zuletzt schon beim zweiten Formel-E-Event in Mexiko mit dem ersten Porsche-Erfolg (Doppelsieg, d. Red.) überhaupt bewiesen hat.

Foto: Audi Communications Motorsport
Foto: Audi Communications Motorsport

Abschließend: Was sind eigentlich deine nächsten Aufgaben und was planst Du zukünftig sonst noch?
Ekström: Zentraler Mittelpunkt meiner diesjährigen Aktivitäten ist ganz ohne Frage die Weiterentwicklung des Audi RS Q e-tron für die nächste Rallye Dakar (im Januar 2023, d. Red.). Dabei wollen wir alle bisher gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse einfließen lassen. Es ist mein eigener Antrieb, dieses Werks-Engagement zum Erfolg zu führen. Wer mich kennt, weiß, dass ich dafür alles geben werde. Zudem wünsche ich mir, meinen letztjährigen Titel in der Pure ETCR-Rennserie für elektrisch betriebene Tourenwagen verteidigen zu können. Außerdem plane ich, mein eigenes EKS-Team in Schweden weiterhin bestehen zu lassen und arbeite diesbezüglich an einem Konzept, über das es aber im Moment noch zu früh ist, Details zu verraten.

DTM-Ikone Mattias Ekström: Das große Interview zum Rücktritt: (14:55 Min.)