In der DTM zieht Audi den Stecker, in der Formel E wird weiter gestromt. Die Ingolstädter Vorstandsentscheidung, das Programm in der Tourenwagenserie nach dem Werkseinstieg 2004 nicht zu verlängern, sorgte bei zahlreichen Motorsport-Fans für großen Unmut. Möglicherweise noch mehr, weil die Formel E hierzulande noch immer einen schweren Stand unter den Anhängern des traditionellen Rennsports hat.

Den Ärger vieler Fans kann auch Formel-E-Gründer Alejandro Agag nachvollziehen. Beim Spanier, der im Gegensatz zur DTM mit einer Fülle an Hersteller-Engagements gesegnet ist, wollte auch nicht im Ansatz Schadenfreude oder Genugtuung angesichts des Audi-Bebens aufkommen.

"Es macht mich immer traurig, wenn solche Nachrichten kommen", versichert Agag im Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Gerhard Berger und ich sind seit vielen, vielen Jahren gute Freunde. Die Entscheidung war schade, aber es stehen Allen kritische Zeiten bevor. Ich bin überhaupt nicht glücklich darüber, denn uns könnte es als Nächste treffen. Deshalb kann ich da nicht zuversichtlich sein."

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Keine Verpflichtung für Motorsport

Mit werksseitigen Ausstiegen aus der Formel E dürfte in nächster Zeit kaum zu rechnen sein. Zu sehr passen die Prinzipien der Autohersteller zum Konzept der ersten rein elektrischen Rennserie der Welt. Laug Agag müsse man froh sein, dass die Konzerne überhaupt in den Motorsport investieren. "Audi hat keine Verpflichtung, sich im Motorsport zu engagieren", stellt der Geschäftsmann, der seit vielen Jahren im Rennsport mitmischt und unter anderem in der GP2 ein eigenes Team unterhielt, fest.

Die Entscheidung des Audi-Vorstands unter dem neuen CEO Markus Duesmann sei zu akzeptieren, es sei aber keine gute für den gesamten Motorsport. Für daraus hervorgehende Kritik seitens vieler DTM-Fans zeigt Agag Verständnis, dies habe jedoch nichts mit der Formel E an sich zu tun.

Agag: Wäre als DTM-Fan auch nicht glücklich

Er meint: "Natürlich, das kann ich absolut nachvollziehen. Wenn die Leute die DTM mögen, sehen sie das kritisch. Das hat aber nichts mit der Formel E zu tun. Wenn Audi sich entschieden hätte, das DTM-Programm zu beenden um stattdessen Speedboote zu bauen, dann wären sie auf die Speedboote sauer. Wenn ich ein Fan der DTM wäre, dann wäre ich auch unglücklich."

Während die DTM um ihre geschichtsträchtige Zukunft bangen muss, erscheinen die Formel E und Agags jüngstes Projekt, die Extreme-E, krisenfester aufgestellt. Die SUV-Rennserie, die Anfang 2021 debütieren soll, hat sogar einen verbesserten Corona-Schutz inklusive, wie Agag ausführt: "Die Extreme-E ist die Corona sicherste Rennserie im Moment, weil wir nicht vor Publikum fahren. Das erweist sich jetzt als Vorteil, auch, wenn wir das bei der Gründung natürlich nicht vorhersehen konnten."

Der Audi-Vorstand begründete das DTM-Aus auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Herausforderungen infolge der Corona-Pandemie. Vorstandschef Duesmann sprach zudem von einem Wandel hin zum Anbieter sportlicher, nachhaltiger Elektromobilität: "Wir fokussieren uns deshalb auch auf der Rennstrecke und fahren konsequent um den Vorsprung von morgen. Die Formel E bietet dafür eine sehr attraktive Plattform."

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Rast kann Fan-Frust nachvollziehen

Eine Argumentation aus Sicht des Konzerns, die auch der amtierende DTM-Champion Rene Rast nachvollziehen kann. "Wir müssen uns immer vor Augen führen, warum Motorsport betrieben wird", sagt der Audi-Erfolgsfahrer im großen Interview mit Motorsport-Magazin.com, das am Donnerstag erscheint. "Natürlich wollen wir auf der einen Seite tollen Sport sehen, auf der anderen ist es aber ein Marketinginstrument, um die Leute für Autos zu begeistern. Die mittel- und langfristige Ausrichtung der Hersteller ist einfach elektrisch, und da passt die Formel E perfekt ins Bild."

Rast, der 2016 beim Rennen in Berlin seinen bislang einzigen Auftritt in der Formel E hatte, kann ebenso den Unmut vieler Motorsport-Anhänger nachvollziehen: "Natürlich kann ich verstehen, dass einige Fans nicht gerade jubeln und frustriert sind. Wenn man sich die Rennen der Formel E aber mal anschaut, gibt es in kaum einer anderen Rennserie so viel Action. Das ist eine Serie, die ihren Reiz hat, wenn auch ohne klassischen Motoren-Sound. Ich kann nicht sagen, dass die Formel E schlecht ist."