Der Nächste, bitte! Mit Sheldon van der Linde hat BMW wieder einmal einen talentierten Fahrer von Konkurrent Audi losgeeist. Der 19 Jahre junge Südafrikaner testete im vergangenen Dezember erstmals ein DTM-Auto beim Rookie-Test in Jerez. Schon nach wenigen Runden stand für die BMW-Verantwortlichen fest: VDL wird als Stammfahrer in der Tourenwagenserie verpflichtet. Audi hingegen setzt weiterhin auf das Sextett des Vorjahres.

Experten sind sich einig: Mit Sheldon van der Linde hat Audi ein echtes Top-Talent verloren. Einer, der es genau wissen muss, ist Teamchef Wolfgang Land. 2018 holte er mit Sheldon van der Linde und dessen drei Jahre älterem Bruder Kelvin die Vize-Meisterschaft im ADAC GT Masters und einen Podestplatz beim prestigeträchtigen 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps.

Land bezeichnet Sheldon van der Linde bei Motorsport-Magazin.com als einen Rohdiamanten! Und sagt weiter: "Ich bin richtig stolz, dass BMW erneut einen Fahrer verpflichtet hat, der bei uns sein Handwerk erlernt hat. Das ist für mich ein Zeichen, dass wir offensichtlich keinen schlechten Job machen."

Von Land-Motorsport zu BMW

Ein kleiner Seitenhieb auch in Richtung Audi, weil sie erneut ein großes Talent zur Konkurrenz haben ziehen lassen? Van der Linde stand zuletzt bei Audi customer racing unter Vertrag. Er ist der zweite 'Land-Fahrer' innerhalb eines Jahres, der einen Audi- gegen einen BMW-Rennwagen eintauscht.

Mit dem US-Amerikaner Connor De Philippi gewann Land-Motorsport 2016 die Fahrer-Meisterschaft im ADAC GT Masters. 2017 folgte Platz drei in der GT3-Serie sowie der Gesamtsieg bei den 24 Stunden Nürburgring. Seit Anfang 2018 geht De Philippi für den bayrischen Rivalen BMW in der US-amerikanischen IMSA-Serie sowie diversen Langstrecken-Klassikern auf Punkte- und Pokaljagd...

Kelvin und Sheldon van der Linde sorgten im ADAC GT Masters für Furore, Foto: ADAC GT Masters
Kelvin und Sheldon van der Linde sorgten im ADAC GT Masters für Furore, Foto: ADAC GT Masters

Kelvin van der Linde: Aston Martin ein Thema?

Auf ein Bruderduell zwischen Sheldon und Kelvin van der Linde in der DTM werden die Fans vorerst warten müssen, obwohl sich Kelvin nach Informationen von Motorsport-Magazin.com für das DTM-Projekt von Aston Martin ins Gespräch gebracht hat. Stattdessen hat er nun seinen Vertrag für 2019 mit Audi customer racing verlängert, und soll zukünftig bei Audi-Kundenteams unter anderem im ADAC GT Masters an den Start gehen.

Seinem jüngeren Bruder gratulierte er auch öffentlich via Facebook: "Heute bin ich der stolzeste Bruder auf der Welt. Herzlichen Glückwunsch zu deinem DTM-Platz, Sheldon! Was für eine Leistung für Südafrika und unsere Familie. Wir beide hatten diesen Traum vom ersten Tag an. Zusammen haben wir bisher einige tolle Momente erlebt. Ich hätte so gern dieses Jahr zusammen mit dir in der Startaufstellung gestanden, aber die Würfel sind diesmal nicht so gefallen. Aber keine Sorge. Ich arbeite mir den Arsch ab und das Ziel ist, in Zukunft zwei VDL in der DTM zu haben."

BMW-Chef: Angebot und Nachfrage

Nachdem Motorsport-Magazin.com im Dezember vergangenen Jahres exklusiv von van der Lindes DTM-Test bei BMW berichtet hatte, fragten wir auch bei BMW Motorsport Direktor Jens Marquardt nach.

Von einem weiteren Griff in seine berüchtigte Wundertüte wollte der 51-Jährige zu diesem Zeitpunkt nicht sprechen, sagte aber: "Motorsport ist ein einfaches Geschäft. Es gibt Angebot und Nachfrage. Und es gibt Fahrer, die auf dem Markt sind. Wir scheinen attraktive Programme zu haben, sodass sich viele Fahrer bei uns melden, die gerne entweder in einem Programm fahren oder an einem Test teilnehmen wollen. In diesem Fall hat es gut zusammengepasst."

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com hat van der Lindes Manager Dennis Rostek, der auch Audi-Star Rene Rast den Weg in die DTM geebnet hat, den überraschenden Deal eingefädelt.

ADAC GT Masters 2018: Sheldob van der Linde gewinnt Junior-Wertung vor BMW-Werksfahrer Mikkel Jensen, Foto: ADAC GT Masters
ADAC GT Masters 2018: Sheldob van der Linde gewinnt Junior-Wertung vor BMW-Werksfahrer Mikkel Jensen, Foto: ADAC GT Masters

Diese Fahrer gingen von VW zu BMW

Auffällig: Damit hat der Volkswagen-Konzern seit 2012 schon insgesamt sechs hochtalentierte, ausgebildete und unterstützte Fahrer an BMW verloren. Den Reigen eröffnete Ford-, Renault- und Porsche-Cup-Gewinner Dirk Werner, der sich mit dem Gesamtsieg in der IMSA-Sportwagen-Meisterschaft in einem Porsche für höhere Aufgaben empfahl. BMW nahm ihn 2012 unter Vertrag und Werner war auf Anhieb und an der Seite von Bruno Spengler maßgeblich am Sieg des BMW Team Schnitzer in der DTM-Teamwertung beteiligt.

Marco Wittmann, der mit VW-Power 2010 und 2011 jeweils den zweiten Platz in der Formel-3-Euroserie belegte, wurde nicht von Audi, sondern dem bayrischen Rivalen BMW für die DTM verpflichtet - und zahlte das in ihn gesetzte Vertrauen mit zwei Titelgewinnen 2014 und 2016 zurück.

Auch Tom Blomqvist ist ein VW-Zögling, der 2014 als bester Pilot mit einem VW-Motor in der Formel-3-EM hinter Esteban Ocon, aber noch vor Max Verstappen und Lucas Auer den zweiten Platz belegte. Im Jahr darauf erzielte er mit BMW seinen ersten Sieg in der DTM. Blomqvist schied Ende 2017 nach 54 Rennen und fünf Podestplätzen aus dem DTM-Aufgebot aus und holte mit BMW im darauffolgenden Jahr auf Anhieb den Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen in Spa.

Eriksson: Von VW-Power zum BMW-Sieger

Und auch der Karriereweg von Joel Eriksson verlief ähnlich der seiner Vorgänger: Motopark-Teamchef Timo Rumpfkeil gab dem Schweden 2014 zunächst im ADAC Formel Masters, dann in der Formel 4 und schließlich ebenfalls mit VW-Power in der Formel-3-EM eine Chance, die Eriksson auf Platz fünf und bester Neuling 2016 sowie Gesamtzweiter 2017 hinter dem zukünftigen McLaren-Formel-1-Piloten Lando Norris nutzte.

Zur Belohnung erhielt der Skandinavier 2018 ein Cockpit - nicht bei Audi, sondern bei BMW. Auch Eriksson enttäuschte die Verantwortlichen nicht und erzielte in seinem erst 14. Rennen seinen ersten DTM-Sieg in Misano, übrigens den letzten seines Arbeitgebers BMW vor der Rekord-Siegesserie von Rene Rast, der die letzten sechs DTM-Rennen 2018 gewann!

Beinahe hätte Audi in der Vergangenheit auch den DTM-Überflieger verloren. Unter dem früheren Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich hatte Rast nämlich keine Chance auf ein DTM-Cockpit. Nur die Tatsache, dass der ehemalige VW- und Audi-Entwicklungschef Dr. Ulrich Hackenberg von dessen Können überzeugt war, sorgte dafür, dass der gebürtige Mindener letztendlich doch noch für Audi in der DTM auf Punktejagd gehen konnte - mit großartigen Erfolgen wie dem Titelgewinn als DTM-Neuling und der Vize-Meisterschaft im vergangenen Jahr.