Robert, wie fühlt es sich an, die Nummer 1 bei Mercedes in der DTM zu sein?
Robert Wickens: Natürlich fühlt es sich großartig an der bestplatzierte Mercedes-Fahrer zu sein! Ich denke, dass ich das schon in der Vergangenheit hätte erreichen können. Aber aus irgendwelchen Gründen - Pech, eigene Fehler - war das nicht der Fall. Dieses Jahr kommt einfach alles zusammen. Auch mit meinem Team läuft es in diesem Jahr super. Es fühlt sich gut an, herauszustechen.

Verspürst du durch deine Rolle einen besonderen Druck?
Robert Wickens: Nein. Weißt du, als Fahrer lebst du für solche Momente. Du kommst an die Strecke, willst gewinnen und im Rampenlicht stehen. Das, was wir dieses Jahr erreicht haben, ist tatsächlich fast genau das, was wir uns vor jedem Rennwochenende ausrechnen. Es gibt natürlich auch Ausnahmen wie am Nürburgring. Den größten Druck mache ich mir selbst. Die Leute können mir erzählen, was immer sie wollen - aber letztendlich habe ich die Kontrolle darüber, wie sehr ich etwas versuchen möchte. Ich befinde mich derzeit in einem sehr guten Rhythmus, sowohl mit meinem Team als auch mit mir selbst.

2015 hattest du kein einfaches Jahr in der DTM. Was hat sich in dieser Saison geändert?
Robert Wickens: Ziemlich viel. Letztes Jahr bin ich mental zusammengeklappt, um es einmal so zu sagen. Ich hatte einen guten Start in die Saison und habe bis zum Norisring-Wochenende um die Meisterschaft gekämpft. Danach hatte ich ein schlechtes Rennen nach dem anderen. Ich habe versucht, die Lösung zu finden - aber auf die simpelste Weise, statt tiefer einzutauchen. Die Abwärtsspirale setzte sich dann bis zum Saisonende fort...

Wie hast du den Schalter über den Winter umgelegt?
Robert Wickens: Ich habe mein Team innerhalb von HWA ausgetauscht. Die Jungs haben im vergangenen Jahr keine Fehler gemacht. Es ging einfach darum, eine neue Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Mein aktuelles Team hat eine andere Herangehensweise, etwa bei der Fehlerlösung. Meine Ingenieure pushen mich jetzt noch mehr und treiben mich an, bei Data-Reports und Besprechungen noch fleißiger zu sein. Hinter den Kulissen ist einiges passiert, was viele Leute gar nicht mitbekommen haben.

Am Nürburgring erlebte Wickens eine Rückschlag im Titelkampf, Foto: DTM
Am Nürburgring erlebte Wickens eine Rückschlag im Titelkampf, Foto: DTM

Was hat sich noch geändert?
Robert Wickens: Ich habe angefangen, mit einem Mentaltrainer zu arbeiten. Wir tauschen uns ständig aus und er begleitet mich bei einigen Rennwochenenden an der Strecke. Es ist einfach schön, einen Menschen zu haben, zu dem du immer gehen und ihm alles erzählen kannst.

Wie genau läuft eure Zusammenarbeit ab?
Robert Wickens: Weißt du, manchmal reden wir den halben Tag lang einfach über das Leben. Ich habe immer daran geglaubt, dass man sich keinen zu großen Stress machen soll mit Dingen, die man ohnehin nicht beeinflussen kann. Das war immer meine Lebenseinstellung, schon als Kind. Frei nach dem Motto: Wenn mich etwas stört, kann ich es kontrollieren? Falls nicht, mache ich mir einfach keine Sorgen darüber.

Aber letztes Jahr habe ich mich zu sehr auf alles andere fokussiert und das Gefühl gehabt, unfair behandelt zu werden. Etwa bei der Situation am Red Bull Ring letztes Jahr. Immer nur dachte ich: ‚Warum habe ausgerechnet ich so viel Pech?´ Dadurch habe ich mir selbst viele schlechte Gefühle bereitet. Statt die Probleme zu lösen, bin ich ein bisschen in Selbstmitleid zerflossen und dachte nur: ‚Das ist doch scheiße´. Aber unser Trainer hat einige Methoden und Tricks auf Lager, damit ich nicht den Fokus verliere. Das war ein wichtiger Teil in diesem Jahr für mich.

Es sind die kleinen Details, die auf diesem Level den Unterschied ausmachen können...
Robert Wickens: Ja, ich denke schon. Weißt du, du fühlst das Auto ja nicht durch die Muskeln in deinen Armen. Du fühlst es eher mit deinem Verstand, mit deinen Augen und so weiter. Dafür musst du mental voll geschärft sein. Wenn du im Kopf nicht zu 100 Prozent fit bist, wird es auch nichts mit den richtigen Ergebnissen auf der Strecke.

Nach 5 Jahren DTM: Die neue Nummer 1 bei Mercedes, Foto: DTM
Nach 5 Jahren DTM: Die neue Nummer 1 bei Mercedes, Foto: DTM

Mentaltrainer sind in der Motorsport-Welt noch immer ein heikles Thema...
Robert Wickens: Was ich sehr frustrierend finde: Im Motorsport gilt es immer noch als Schwäche, mit einem Mentaltrainer zu arbeiten. Da denken viele Leute zunächst, du hättest ein Problem mit deinem Kopf. Aber in Wahrheit ist das in vielen Top-Sportarten seit Jahren Standard. Wie etwa beim Golf - diesen Sport kann man von der mentalen Seite sogar mit Motorsport vergleichen.

Hast du früher schon mal mit so einem Coach gearbeitet?
Robert Wickens: Nein. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit einem Mentaltrainer zusammenarbeite. Während meiner Zeit in den Nachwuchs-Formelserien kannte ich so etwas gar nicht. Als ich damals noch im Juniorprogramm von Red Bull war, durften wir nicht einmal einen Mentaltrainer haben.

Beim DTM-Rennen in Moskau gab es Ärger zwischen Mercedes und BMW. Martin Tomczyk soll dich ausgebremst haben. Gehst du mit solchen Situation jetzt anders um?
Robert Wickens: Was in Moskau passiert ist, gibt es in der DTM schon seit längerem. Man kann es ja auch mal positiv sehen: Anscheinend machen wir unsere Arbeit gut genug, um sie dazu zu bewegen, uns einzubremsen... Am Ende ist es nun mal so gelaufen. Moskau liegt in der Vergangenheit, wir können es nicht mehr ändern. Dieses Jahr gelingt es mir, negative Dinge nicht von einem zum nächsten Rennwochenende mitzunehmen. Wenn du zu sehr auf der Vergangenheit herumreitest, bist du in der Gegenwart nicht bei der Sache. Wenn ich mental noch so gepolt wäre wie im letzten Jahr, wäre ich wegen dieser Sache heute immer noch im Drehzahlbegrenzer. Wenn jetzt so etwas geschieht, sage ich nur: ‚Shit happens´.