Es war ein Shitstorm mit Ansage. Oschersleben raus - Ungarn wieder drin. Ein Paukenschlag im DTM-Rennkalender für 2016, der bei einem Großteil der deutschen Fans der Serie alles andere als gut ankam. Erstmals seit 2003 verschwindet die einzige Strecke im Norden aus dem Kalender, zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren gastiert die DTM nur noch auf fünf statt sechs deutschen Rennstrecken. Dafür die Rückkehr nach Ungarn - ein Rennen, das 2014 nicht gerade Begeisterungsstürme auf halbleeren Tribünen hervorgerufen hatte.

Bei der Bekanntgabe des Kalenders sparte es sich die DTM, zu sehr ins Detail zu gehen. Aus nachvollziehbaren Gründen, wie sich anhand der Fan-Reaktionen bestätigte. Oschersleben-Geschäftsführer Thomas Voss wusste seit einigen Wochen, dass das Rennen in der Nähe von Magdeburg zur Debatte stand. Nach der endgültigen Absage zeigte er sich allerdings überrascht - vor allem, weil der Vertag zwischen ITR und Oschersleben bis einschließlich 2016 bestätigt war.

"Es gab einen bestehenden Vertrag", sagte Voss im MDR. "Und keinerlei Anzeichen, dass es in irgendeiner Form eine Art Verschlechterung gegeben hat. Wir hatten gar keine Anzeichen, dass es dazu kommen könnte, dass Oschersleben nicht berücksichtigt wird für 2016." Das Aus nach so langer Zeit schmerze sehr, sagte Voss nachdrücklich.

66.000 Fans waren am letzten Oschersleben-Wochenende vor Ort, Foto: DTM
66.000 Fans waren am letzten Oschersleben-Wochenende vor Ort, Foto: DTM

Zu wenig Tickets verkauft?

Inzwischen ist durchgesickert, mit welcher Begründung der Vertrag gelöst worden sein soll: Angeblich wurden zu wenig Tickets verkauft. So habe die ITR von einer Vertragsklausel Gebrauch machen können, um aus dem Kontrakt herauszukommen. "Es gibt eine Klausel im Vertrag, die jetzt auch gezogen wurde und die Vertragsbeendigung zur Folge hatte", bestätige Voss, ohne näher darauf einzugehen.

In diesem Jahr war das Rennwochenende in Oschersleben gut besucht gewesen. 66.000 Fans sollen es am gesamten Wochenende gewesen sein, und damit 1.000 mehr als in der Saison 2014. Und Ungarn? 33.000 Zuschauer sollen 2014 beim Comeback an den Hungaroring gekommen sein. Streckenfotografen - meist mit einem guten Überblick - berichten von vornehmlich leeren Tribünen rund um die Strecke, die sich in der Formel 1 hoher Popularität erfreut.

Ungarn galt nicht gerade als DTM-Fanmagnet, Foto: Audi
Ungarn galt nicht gerade als DTM-Fanmagnet, Foto: Audi

Verständlicher Ärger

Der Ärger der deutschen Fans ist verständlich - wer möchte schon gern ein ‚Heimrennen´ verlieren, vor allem in der Region um Oschersleben, wo die DTM als Sport-Highlight des Jahres galt. Laut MDR galt das DTM-Wochenende in der Börde sogar als größte Einzel-Sportveranstaltung in Sachsen-Anhalt. Nun ist allerdings davon auszugehen, dass die ITR nicht das Ziel hatte, explizit den deutschen Anhängern zu schaden. Es gehe darum, einen Kompromiss zwischen all den unterschiedlichen Interessen in der DTM zu finden, meinte der frühere Champion Manuel Reuter. Und von denen gibt es nicht wenige...

"Aus deutscher Sicht ist es für die Fans schwer nachvollziehbar, warum Oschersleben rausfällt und dann Budapest in den Kalender kommt", sagte Reuter im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Aber: ITR und Hersteller haben sicherlich Gründe, warum es dazu gekommen ist. Diese Balance mit all den unterschiedlichen Interessen von Herstellern, Strecken und Fans zu finden, ist nicht einfach. Da kann es schon mal passieren, dass das eine oder andere Interesse hinten runterfällt."

Manuel Reuter siegte 2000 auf Opel in Oschersleben, Foto: Sutton
Manuel Reuter siegte 2000 auf Opel in Oschersleben, Foto: Sutton

4,5 tolle Events in Deutschland

Dass Oschersleben für 2016 auf der Kippe stand, war intern schon länger bekannt. Bei einem Interview mit ITR-Boss Hans Werner Aufrecht Ende September, das auch Motorsport-Magazin.com vorliegt, ließ dieser anklingen: "Der Auftrag ist, dass wir vier, fünf tolle Veranstaltungen haben in Deutschland. Ich möchte nichts gegen Oschersleben sagen, weil dieser Veranstalter auf all unsere Wünsche eingeht, aber Oschersleben ist halt Oschersleben." Man dürfe sich nicht sklavisch an Oschersleben binden, sagte Aufrecht weiter.

Für 2016 ist Oschersleben definitiv raus aus dem Kalender. Möglich aber, dass das nördlichste Rennen Deutschlands ab 2017 zurückkehrt. Ein Grund, warum Geschäftsführer Voss eher ruhige Töne anschlug. "Wir haben nicht alle Brücken abgebrochen und werden das auch nicht tun. Wir sprechen über eine Rennserie, die von drei Automobilherstellern gestützt wird. Automobile werden nicht nur in Deutschland verkauft, sondern auch im Ausland. Dass man sich internationalisieren will, da habe ich Verständnis für", sagte er. Erste Gespräche über eine weitere Zusammenarbeit mit der ITR habe es bereits gegeben.

Rückkehr nach Oschersleben nicht ausgeschlossen, Foto: Gruppe C GmbH
Rückkehr nach Oschersleben nicht ausgeschlossen, Foto: Gruppe C GmbH

Herz der DTM ist Deutschland

Nicht wenige Fans kritisierten, dass sich die DTM mit dem neuen Kalender immer mehr von Deutschland entferne. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass immer Kritik aufkommt, wenn Rennen im Ausland - wie etwa der wichtige Automarkt China - diskutiert werden. "Das Herz und die Basis der DTM ist Deutschland. Es kann nicht sein, dass wir irgendwann nur noch zwei Rennen in Deutschland haben", sagte DTMDA-Sprecher Reuter gegenüber Motorsport-Magazin.com deutlich.

Allerdings machte Reuter dabei eine Einschränkung. Letztendlich sei das große Ziel, den Fans eine gute Show und attraktive Renn-Action zu bieten. "Die Rennserie heißt zwar DTM. Das bedeutet aber nicht, dass wir ausschließlich in Deutschland fahren sollten", sagte er. "Wir sind international aufgestellt. Der Name rührt aus frühen Tagen. Es sollte eine gute Balance sein. Wir sollten, unabhängig von den Strecken, den Fans eine gute Show bieten können. Das ist das Wichtigste."

Glock hat Spaß

In dieser ernst geführten Debatte rund um die Zukunft der DTM hatte einer aber seinen Spaß: Timo Glock. Der BMW-Star gewann dieses Jahr sein zweites Rennen in der DTM ausgerechnet in Oschersleben. "Da gewinne ich in Oschersleben und die nehmen das sofort raus", scherzte Glock bei Twitter. "Was passiert, wenn ich noch häufiger gewinne? Sind dann keine Strecken mehr übrig?" BMW-Kollege Antonio Felix Da Costa antwortete mit einem zumindest aus BMW-Sicht sinnvollen Kommentar: "Bitte gewinn am Lausitzring!"

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Die Hintergründe, die zur Auflösung des Vertrags mit Oschersleben führten, erscheinen durchaus fragwürdig. Am Ende muss man sich aber fragen, ob der Rauswurf aus dem Kalender der DTM wirklich schadet. De facto waren die Rennen in Oschersleben zwar gut besucht, aber nur selten ein sportliches Highlight. Der Hungaroring bietet wegen seines Layouts deutlich mehr Potenzial. Letztendlich entscheidet die Attraktivität des Sports - vor allem im Fernsehen - über Erfolg oder Misserfolg in der öffentlichen Wahrnehmung. Schön aber zu sehen, dass sich die deutschen Fans aufregen. Das zeigt immerhin, dass die DTM überhaupt noch eine Fan-Basis hat. (Robert Seiwert)