Marco Wittmann geht als jüngster deutscher Meister in die Geschichte der DTM ein. Der Titelsieg war nach seiner überragenden Saison nur eine Frage der Zeit. Am Lausitzring machte der BMW-Pilot den Triumph frühzeitig perfekt. Wie konnte Wittmann in seiner zweiten Saison derart aufblühen und die Konkurrenz in Grund und Boden fahren? Motorsport-Magazin.com liefert die Gründe für Wittmanns Mega-Jahr.

1. - Der Talent-Faktor

Keine Frage - Marco Wittmann ist ein Riesen-Talent. Das hat der 24-Jährige schon während seiner Formelzeit immer wieder unter Beweis gestellt. Ein zweiter Platz beim wichtigen Rennen der F3-Welt in Macau 2011 stellte die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft bei BMW. Warum Wittmann aber nie komplett im Fokus stand: Ihm haftete jahrelang der Status des Nummer-2-Fahrers an. Zweiter beim Formel BMW-Weltfinale 2007, zwei Mal Vize-Meister in der Formel 3 Euro Serie, Platz drei in Macau nach Sieg im Quali-Rennen 2011 - es war fast wie ein Fluch, dass am Ende jedes Mal ein Kontrahent die Nase vorn hatte.

Trotzdem gelang es Wittmann über die BMW-Schiene, dem Motorsport auf hohem Niveau erhalten zu bleiben. In seinem Debütjahr in der DTM ließ der Franke seine Fähigkeiten mehr als nur einmal aufblitzen. Zwei schnellste Runden, eine Pole und ein Podium in Österreich waren der beste Beleg. Vor allem sein Speed auf der schnellen Runde verblüffte immer wieder. "Das Qualifying ist eine meiner Stärken. In ein, zwei Runden alles rauszuholen - das ist eine meiner Stärken", beschrieb sich Wittmann selbst.

Wittmann startete 2011 mit Signature in Macau, Foto: F3 Euro Series
Wittmann startete 2011 mit Signature in Macau, Foto: F3 Euro Series

2. - Der Team-Faktor

zur Saison 2014 musste Wittmann MTEK und Timo Glock verlassen. Es ging in die Eifel, zu RMG. Dem Team, das als schwächstes in den Reihen von BMW galt. Hier erhielt Wittmann mit Maxime Martin einen Rookie-Teamkollegen und war damit automatisch Wortführer innerhalb der Truppe von Stefan Reinhold. "Mir als Rookie hätte nichts Besseres passieren können, als den Besten im eigenen Team zu haben", so Martin. Dass RMG dieses Jahr so sehr aufblühen würde, war allerdings überhaupt nicht absehbar. Zusammen holten Wittmann und Martin fünf Siege aus acht Rennen für RMG.

"Das ist für mich in Wirklichkeit eine viel größere Überraschung, als die Überraschung Marco Wittmann", sagte Motorsport-Magazin.com-Experte Manuel Reuter. "RMG fuhr speziell im vergangenen Jahr im Nirgendwo und ich hätte nie gedacht, dass so eine immense Steigerung möglich ist." Reuter hat die beiden RMG-Boliden unter der Saison genau auf der Strecke beobachtet und dabei ist dem früheren DTM-Meister Erstaunliches aufgefallen.

"Diese beiden Autos bewegen sich anders als die anderen BMW", erklärte Reuter. "RMG bereitet ein Fahrzeug vor, das im Qualifying und im Rennen sensationell funktioniert." Hexenwerk in den früheren Zakspeed-Hallen? Keineswegs. Reuter: "Hinter diesem Erfolg stehen keine großen Geheimnisse. Es geht um Kleinigkeiten wie Spur, Sturz, Höhe, Luftdruck, das Gefühl für den Reifen und natürlich auch das Zutrauen, dass du mit dem Erfolg bekommst."

RMG war die große Überraschung der Saison, Foto: BMW AG
RMG war die große Überraschung der Saison, Foto: BMW AG

3. - Der Auto-Faktor

Vor der Saison verabschiedete BMW den M3-Boliden in den verdienten Ruhestand. An dessen Stelle trat der Nachfolger namens M4 DTM. Beide Autos unterscheiden sich aerodynamisch in einigen Punkten, eigentlich blieb nur der Motor gleich. BMW ist es auch mit dem M4 gelungen, ein sehr konkurrenzfähiges Auto auf die Beine zu stellen. Vor allem im ersten Abschnitt der Saison waren die Münchner dem Audi-Pendant RS5 überlegen.

Die Ingolstädter holten im Verlauf des Jahres zwar auf und fahren inzwischen auf Augenhöhe. Doch der M4 bietet unterm Strich das bessere Gesamtpaket, ist nicht so Strecken abhängig. Dass Mercedes mit seinem schwachen C-Coupé unter normalen Bedingungen nicht mithalten, spielte natürlich auch BMW in die Karten - ein Konkurrent weniger auf der Strecke.

Mit dem M4 ist BMW wieder ein Sieger-Auto gelungen, Foto: DTM
Mit dem M4 ist BMW wieder ein Sieger-Auto gelungen, Foto: DTM

4. - Der Fahrstil-Faktor

Wittmann war der große Gewinner des Fahrzeugwechsels bei BMW. Mit dem M3 zeigte er zwar starke Leistungen, musste aber noch mehr für den Erfolg kämpfen. Der M4 war quasi maßgeschneidert, das hatte sich schon im Winter bei den Testfahrten angedeutet. "Der M4 hat ihm von Anfang an wie ein Handschuh gepasst", fand auch Markenkollege Augusto Farfus. Gleichzeitig betonte BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt, dass Wittmann keine Sonderbehandlung erfuhr. Alle acht BMW seien auf dem gleichen Stand.

Timo Glock fiel auf, warum sein ehemaliger Teamkollege besser mit dem M4 zurecht kommt als mit dem Vorgänger. "Er hat einen speziellen Fahrstil", erklärte MTEK-Pilot Glock. "Den hatte er auch schon letztes Jahr, als er noch nicht so ganz auf dem M3 funktioniert hat, weil das Auto zu untersteuernd war. Marco fährt teilweise relativ stark untersteuernd. Marco ist ein Talent hinter dem Lenkrad. Das weiß man, und deshalb ist er hier." Durch das Verhalten des M4 wurden seine Fähigkeiten noch mehr zu Tage gefördert.

Wittmann liegt der M4 besser als der alte M3, Foto: BMW AG
Wittmann liegt der M4 besser als der alte M3, Foto: BMW AG

5. - Der Konkurrenz-Faktor

Kein unwesentlicher Punkt auf dem Weg zum Titel. Wittmann hatte die gesamte Saison über keinen deutlichen Meisterschafts-Konkurrenten. Während er an der Spitze seine Kreise zog, wechselten sich die Positionen hinter ihm in schöner Regelmäßigkeit ab. Das fiel vor allem bei Audi auf, die zwar mit starken Mannschaftsleistungen überzeugten, sich aber keine Speerspitze heraus kristallisierte. Als Mattias Ekström zum Titelanwärter Nummer 1 erkoren wurde, war Wittmanns Vorsprung schon viel zu groß.

Das zeigte sich eindrucksvoll nach dem Lausitz-Rennen: Den Gesamtzweiten Christian Vietoris trennen gerade einmal fünf Punkte von Mike Rockenfeller auf Platz fünf. Während sich die Audi-Konkurrenz gegenseitig die Punkte stahl, war bei BMW sehr früh klar, dass Wittmann die Speerspitze bilden würde. Nur Bruno Spengler konnte ansatzweise mithalten, galt aber schon lange nicht mehr als realer Titelanwärter. Mit sieben starken Markenkollegen konnte Wittmann die Rennen etwas entspannter angehen.

Wittmann galt schon früh als BMW-Speerspitze, Foto: DTM
Wittmann galt schon früh als BMW-Speerspitze, Foto: DTM

6. - Der Charakter-Faktor

Mit 24 Jahren geht Wittmann als jüngster deutscher Meister in die lange Geschichte der DTM ein. Wegen der engen Abstände innerhalb der Tourenwagenserie herrschte meist bis zum Saisonende ein Zweikampf um den Titel. Bei Wittmanns Triumph war es anders. Schon nach der ersten Jahreshälfte war eigentlich klar, dass die Meisterschaft nur über ihn führen würde. Zu stark hatte er sich in den ersten Rennen präsentiert.

Doch mit steigendem Erfolg wurde der Druck auf den jungen Wittmann immer größer. Äußerlich gab er sich grundsätzlich gelassen und wollte nichts von einer möglichen Meisterschaft wissen - innerlich dürfte es etwas anders ausgesehen haben. Aus seinen Formelzeiten weiß man, dass Wittmann auch gern einmal Emotionen zeigt. Inzwischen wirkt er allerdings wesentlich gereifter als noch vor ein paar Jahren.

Abteilung volle Attacke gibt es bei Wittmann nicht mehr. Er ging die Rennen klug an und wusste, wann er sich einmal zurückhalten musste. Am Lausitzring war das kein Kunststück mehr, doch in Rennen wie am Norisring zahlte sich die Gelassenheit und Übersicht zu seinen Gunsten aus. "Marco ist jetzt sehr selbstsicher und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen", fand auch Manuel Reuter.

Marco Wittmann hat in den Jahren viele Erfahrungen gesammelt, Foto: BMW AG
Marco Wittmann hat in den Jahren viele Erfahrungen gesammelt, Foto: BMW AG

7. - Der Flow-Faktor

Eine jahrelange Tradition in der DTM: Wenn es läuft, dann läuft es. Egal ob Timo Scheider oder Mike Rockenfeller - die Meister der vergangenen Jahre sprachen stets von einem Flow, der am Ende den Ausschlag über Sieg oder Niederlage gab. "Marco hat gerade einfach eine perfekte Zeit mit dem Auto", so der zweifache DTM-Champion Timo Scheider. "Ich kenne das aus meinen Meister-Jahren. Wenn man so einen Flow hat, dann kann man sich auch rückwärts ins Auto setzen und schnell sein."

Das bestätigte auch Audis Rennleiter Dieter Gass auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com am Rande des Lausitz-Wochenendes: "Marco hat die gesamte Saison über keinen Fehler gemacht; zumindest keinen, den ich auf dem Schirm hätte. Wir haben das auch im vergangenen Jahr mit Mike Rockenfeller gesehen: Wenn es läuft, dann läuft es. Marco hat das Beste daraus gemacht und verdient den Titel gewonnen."