So mancher DTM-Fan mag sich verwundert die Augen reiben: Da wird stets kommuniziert, wie hoffnungslos unterlegen doch angeblich das Mercedes C-Coupe sein soll, so dass es sogar eine Ausnahmegenehmigung für Stuttgart gibt, um nach zu homologieren, und nun macht der Stern bereits bei drei Saisonsiegen halt. Doch das Ei ist bereits gelegt: In Zandvoort wird das neue, stark verbesserte Fahrzeug kommen. Droht damit in der nächsten Saison, für die nicht weiterentwickelt werden darf, eine ähnliche Dominanz wie in den Jahren 2001 und 2003? Zur Erinnerung: Damals gewann Mercedes acht (2001) beziehungsweise neun (2003) von zehn DTM-Rennen.

Schießt die Maßnahme übers Ziel hinaus?

Nur die Zukunft wird das zeigen können, doch die Befürchtungen mehren sich. "Wenn Mercedes jetzt mit einem zu guten Auto in Zandvoort kommt, dann wissen wir, worauf wir uns nächstes Jahr einstellen können", sorgte sich Timo Scheider. Norbert Haug analysierte: "Mercedes versteht das Auto jetzt wesentlich besser. Das neue technische Paket wird noch besser werden und das jetzige ist schon gut." Hat also Mercedes schlicht und einfach zu Saisonbeginn das Auto falsch eingestellt? Ist das C-Coupe gar nicht so schlecht? Oder sind drei Ausnahmefälle schuld an den drei Mercedes-Siegen?

Timo Glock hat ähnliche Befürchtungen: "Die Möglichkeit besteht, dass sie auf einmal einen Schritt vor uns sind. Entweder bringen sie ein paar Kleinigkeiten, oder die bringen so ein Paket, dass wir in Zandvoort und damit nächstes Jahr alle dumm aus der Wäsche schauen." Allerdings meldete er auch Zweifel an: "Ich stelle es mir unheimlich schwierig vor, wenn innerhalb von zwei Monaten das ganze Team neu aufstellt und neue Leute gebracht werden, die so schnell das Konzept des Autos verstehen müssen", kommentierte der frühere Formel-1-Pilot die personellen Umstellungen im Mercedes-Lager.

Drei irreguläre Siege?

Dort sieht man die Sache natürlich ganz anders, obwohl Wolfgang Schattling weiß, dass es langsam schwierig wird, Erklärungen zu liefern: "Wenn ihr jetzt aus diesem Ergebnis schließen wollt, dass wir ein sehr wettbewerbsfähiges Paket hätten, muss ich euch enttäuschen. Ich weiß, das klingt unglaublich, aber ich kann nur auf die Rundenzeiten im Trockenen verweisen. Ab Runde 39 sieht man, dass wir zeitentechnisch im Hinterfeld waren. Da war der Timo Scheider zwischen fünf und acht Zehntel schneller pro Runde und Wittmann auch. Das zeigt, dass wir noch lange nicht da sind, wo wir sein wollen. Wir sind nicht die besten, bei weitem."

Pascal Wehrlein bescherte Mercedes den dritten Saisonsieg, Foto: DTM
Pascal Wehrlein bescherte Mercedes den dritten Saisonsieg, Foto: DTM

Wie aber kommen dann drei Siege zustande, während Audis Durststrecke mittlerweile mehr als ein Jahr beträgt? "Das kann ich ganz kurz beantworten", so der DTM-Leiter von Mercedes-Benz. "Immer wenn es schwierig wird, macht unser Team die beste Arbeit. Oschersleben, Norisring, hier: Drei schwierige Rennen, dreimal wechselnde Bedingungen, dreimal rutschige Strecke, dreimal eine super Performance unserer Fahrer. Pascal [Wehrlein] ist ein Megatalent, Chris[tian Vietoris] ist das auch, aber er ist vor allem bei Regen superstark. Wenn er in den ersten beiden Reihen gestanden hätte, wäre das heute sicher anders ausgegangen."

Alles also Zufall? Man kann einwenden, dass die Siege von Mercedes allesamt unter ungewöhnlichen Umständen zustande kamen: In Oschersleben regnete es und ein Safety Car sorgte für einen irregulären Rennverlauf, der Norisring zählt selbst bei Trockenheit überhaupt nicht als Gradmesser und in der Lausitz waren es wieder Mischbedingungen. Hinzu kommt die generelle Stärke von Mercedes auf dem Lausitzring: "In der Vergangenheit war der Mercedes immer gut, wo es viele Bodenwellen gibt und wo es auf mechanischen Grip ankommt", erklärte Timo Glock.

Weitere Faktoren: Fahrzeuggewichte und Nassperformance

Allerdings fand Glock einen weiteren Erklärungsansatz: Die Kompensationsgewichte. Mercedes hatte in der Lausitz das leichteste Auto. "Man rechne einmal den Gewichtsvorteil heraus, dann sieht man, wie viele Mercedes ins Q3 gekommen wären." In der Tat: Setzt man einen Vorteil von einer Viertelsekunde für 10 Kilogramm als Gradmesser an, wäre es zumindest im Qualifying eng für Mercedes geworden, weil BMW dann wesentlich stärker gewesen wäre. Doch im Regen zählt das Gewicht kaum und Mercedes fuhr im Rennen trotzdem davon. Somit zieht eher das Argument des mechanischen Grips, auf den es im Regen sehr ankommt.

Wolfgang Schattling verweist auf die Trockenzeiten, Foto: RACE-PRESS
Wolfgang Schattling verweist auf die Trockenzeiten, Foto: RACE-PRESS

So sah es dann auch Audi-DTM-Chef Dieter Gass, der gegenüber Motorsport-Magazin.com aussagte: "Ein Rennen im Nassen hat immer seine eigenen Gesetze. Den großen Unterschied hat der Anfang ausgemacht, und da war es nass." Die Nachhomologation scheint somit nach Performance-Gesichtspunkten durchaus gerechtfertigt zu sein. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass Mercedes bereits einen Schritt gemacht hat, und das nicht bloß wegen der Performance-Gewichte. Das hatte sich bereits am Nürburgring gezeigt.

Scheider: In gewisser Weise verarscht

Timo Scheider hingegen betrachtet dieses Thema aus einem ganz anderen Blickwinkel: "Klar kann ich verstehen, dass es nicht im Sinne der DTM sein kann, wenn ein Hersteller wegen Chancenlosigkeit den Stecker zieht", so der Routinier. "Aber man muss auch ganz klar sagen, dass es frustrierend ist, wenn andere Hersteller im Winter sehr viel Geld, Zeit, Energie und Wissen investiert haben, ein gutes Auto hingestellt haben und nun bestraft werden, indem man dem anderen Hersteller erlaubt, einfach weiterzuentwickeln. Da fühlt man sich schon ein bisschen verarscht."

Nach dem dritten Sieg von Mercedes sind die Gemüter also durchaus ein wenig erhitzt. Sollte Mercedes tatsächlich zu dominant werden, dann müsste der Entwicklungsstopp wiederum für die anderen aufgehoben werden, die dann wiederum besser sein könnten als Mercedes und so würde es immer weitergehen. Wolfgang Schattling versuchte zu beschwichtigen und ist sich sicher: "Wir haben viel Arbeit vor uns, denn unter trockenen Bedingungen würde es garantiert nicht so aussehen. Aber ich bin heilfroh, dass unser Team unter schwierigen Bedingungen so einen guten Job macht. Das zeigt, dass wir vom Mindset her richtig aufgestellt sind."