Aus dem turbulenten Leben eines Profi-Rennfahrers, das so vieles mehr beinhaltet als 'nur' Autos im Kreis zu fahren: Pascal Wehrlein erlebte am Donnerstag in Spa-Francorchamps eine verspätete Premiere in der WEC. Der amtierende Formel-E-Weltmeister in Diensten von Porsche verpasste nicht nur die verpflichtende Fahrer-Besprechung am Morgen, sondern auch noch das 1. Freie Training um 11:30 Uhr.

Nicht etwa, weil der aufgeweckte Herr Wehrlein vergessen hätte, den Wecker zu stellen. Ganz im Gegenteil: Während die Porsche-Kollegen aus der WEC fleißig ihre Trainingskilometer auf der 7,004 Kilometer langen Strecke sammelten, hockte Wehrlein noch im Formel-E-Simulator in Weissach! Auf dem eng getakteten Plan: Vorbereitung auf das nächste Elektro-Rennen in Tokio am 17. Mai.

Wehrlein gibt WEC-Debüt, McLaren steigt aus Formel E aus! (11:05 Min.)

Pascal Wehrlein: Vom Formel-E-Simulator ins WEC-Rennauto

Aus dem Hightech-Simulator im Porsche-Entwicklungszentrum bei Stuttgart ging es für den 30-Jährigen dann schnurstracks rund 400 Kilometer weiter nordwestlich ins belgische Spa-Francorchamps, wo Wehrlein noch pünktlich zur Medienrunde am Nachmittag erschien. Was für ein stressiger Start in sein erstes Rennwochenende bei der Langstrecken-WM, wo er sich erstmals den #6 Werks-Porsche mit den amtierenden Weltmeistern Kevin Estre und Laurens Vanthoor teilen wird.

Dass Wehrlein am Donnerstag einen derartigen Doppeleinsatz erleben wird, wusste man bei den straff organisierten Porscheanern mit reichlich Vorlauf. Schon am 25. April hatten die Zuständigen aus Zuffenhausen die WEC-Verantwortlichen darüber informiert, dass Wehrlein nicht wie vorgeschrieben am Fahrer-Briefing teilnehmen kann. Die Sportkommissare akzeptierten die Begründung und ordneten ein spezielles Einzel-Briefing ohne weitere Folgen an.

Simulator-Test, Autobahn, Medienrunde, Driver-Briefing - und dann endlich rein ins richtige Rennauto: Im 2. Freien Training am Donnerstagnachmittag von 16:30 bis 18:00 Uhr konnte Wehrlein dann endlich den Porsche 963 fahren, den er erstmals im Januar bei den 24 Stunden von Daytona für das JDC-Kundenteam pilotiert hatte.

Wehrlein folgt im #6 Porsche auf Matt Campbell, der die bisherigen WEC-Rennen in Katar und Imola an der Seite von Estre und Vanthoor bestritten hat. Der Australier ist für Spa-Francorchamps wegen des parallel stattfindenden IMSA-Rennens in Laguna Seca verhindert und macht Platz für Wehrlein, der das Spa-Rennen auch als Vorbereitung auf die 24 Stunden von Le Mans (14.-15. Juni 2025) nutzt. Beim Klassiker wechselt er in den #4 Porsche um die IMSA-Stars Felipe Nasr und Nick Tandy.

Formel E und WEC: Grenzerfahrung für Porsche und Wehrlein

"Wir gehen schon an die Grenzen", beschrieb Porsches LMDh-Werksleiter Urs Kuratle das Doppelprogramm von Wehrlein. "Beide Zeitschienen sind extrem eng. Die Fahrer müssen viel Zeit im Simulator verbringen zur Vorbereitung für die Formel E und WEC. Wir haben keinen Zweifel daran, das Pascal das hinbekommt, aber es ist eine Menge Arbeit."

Gut für Wehrlein: Mit seinen erfahrenen Teamkollegen Estre und Vanthoor hat er Spitzenkräfte im Prototypen an seiner Seite. "Ich bin neu im Team und sie sind die amtierenden Weltmeister", sagte Wehrlein, selbst WM-Held aus einer anderen Welt. "Ich werde mich an sie anpassen und ihren Hinweisen folgen. Von den Jungs kann ich noch viel lernen. Das Wichtigste für mich ist, das erste Mal an einem Rennwochenende mit dem Team zu arbeiten und mich auf Le Mans vorzubereiten."

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Donnerstag in Spa: Wehrlein mit Porsches Fahrer-Berater Timo Bernhard, Foto: IMAGO/PsnewZ

"DTM, Formel E und Le Mans gewinnen wäre schon ziemlich cool"

Der Start in Le Mans darf gerne auch als Geschenk von Porsche für den gewonnenen WM-Titel in der Formel E betrachtet werden. Die hektischen Wochen von Wehrlein zeigen, dass die eigentliche Vorgabe für die Werksfahrer, sich voll auf ein einzelnes Werksprogramm zu fokussieren, nicht aus der Luft gegriffen ist. Auch zeitlich hat es diesmal - und zum ersten Mal - gepasst für Wehrlein, dessen Priorität weiterhin die Formel E genießt.

Dass ihn die Langstrecke aber grundsätzlich reizt, bestätigte Wehrlein im Interview für die aktuelle Print-Ausgabe von Motorsport-Magazin.com: "Die Formel E ist meine Priorität und mein Zuhause, dort fühle ich mich sehr wohl. Ich freue mich schon jetzt auf die Gen4-Ära, genieße jede Reise zu den Rennen und liebe es wie seit dem ersten Tag, mit dem Team zusammenzuarbeiten. Ich gehe in diesem Programm richtig auf. Andererseits denke ich auch daran, was ich in meiner Karriere noch erreichen möchte. Die DTM, Formel E und Le Mans gewonnen zu haben - das wäre schon ziemlich cool, wenn ich in 20 Jahren mal zurückblicke."

Nico Müller: WEC-Rückkehr im Werks-Porsche

Stressige Zeiten erlebt nicht nur Wehrlein, sondern auch Werksfahrerkollege Nico Müller. Der Schweizer gibt in Spa ebenfalls sein Renndebüt im Werks-Porsche, genauer gesagt in der #5 an der Seite von Michael Christensen und Julien Andlauer. Am vergangenen Wochenende waren Müller und Wehrlein noch mit der Formel E in Monaco unterwegs, jetzt warten Spa und bald darauf das nächste Elektro-Rennen in Tokio. Gut für Müller: Er konnte schon im 1. Spa-Training ein paar Runden drehen, denn sein Simulator-Test mit dem Porsche-Kundenteam Andretti steht erst zu Beginn der kommenden Woche an.

"Das hat Laune gemacht!", sagte Müller, der die WEC bestens aus seiner Zeit bei Peugeot kennt, zu Motorsport-Magazin.com. "Ich habe mich schnell relativ wohlgefühlt, aber natürlich gibt es noch ein bisschen was zu lernen. Es hilft, die Erfahrung vom Peugeot zu haben, aber es gibt schon einige Unterschiede zwischen einem LMH (Peugeot) und einem LMDh (Porsche). Das darf man nicht unterschätzen."

Müller hat laut eigener Aussage erst vor zwei Wochen erfahren, dass er in Spa den #5 Porsche anstelle von Mathieu Jaminet fahren kann, der wie Campbell wegen des IMSA-Rennens verhindert ist. Für den zweifachen DTM-Vizemeister eine willkommene Gelegenheit, den 963 besser kennenzulernen, immerhin begleitet er Porsche in Le Mans als offizieller Ersatzfahrer. "Wie es nach Le Mans weitergeht, ist noch offen", sagte Müller. "Mein Hauptprogramm bleibt die Formel E mit Andretti."