"Da haben Sie bestimmt mehr durch die Seiten- als durch die Frontscheibe geschaut", gerät ein ehemaliger Motorsportchef ins Lachen, als ich ihm im WEC-Fahrerlager zu Spa-Francorchamps begeistert von meiner soeben erfolgten Taxifahrt mit BMW-Werksfahrer Robin Frijns erzähle.

Und tatsächlich erlebe ich den wilden Ritt über den 7,004 Kilometer langen Ardennenkurs aus so ziemlich jedem nur denkbaren Blickwinkel. Rennwagen-Ass Frijns bringt uns erstmals in Les Combes in die stabile Schieflage, rudert kontrolliert am Lenkrad und driftet spektakulär durch die Rechts-Links-Passage nach der langen Kemmel-Geraden.

BMW beim WEC-Rennen in Spa-Francorchamps
Das Sportgerät der Wahl in Spa: BMW M3 Touring Competition, Foto: Motorsport-Magazin.com

Auch im Touring-BMW geht quer mehr

Wir sitzen hier übrigens nicht im BMW M Hybrid V8, den sich Frijns in der Langstrecken-WM mit seinen Teamkollegen Rene Rast und Sheldon van der Linde teilt. Stattdessen hat uns sein Münchner Arbeitgeber für die Taxirunde einen metallic-grauen BMW M3 Touring in der Competition-Variante zur Verfügung gestellt. Ja, auch mit einem 4,8 Meter langen Touring kann man herrlich driften, wie ich durch Robin am eigenen Leib spüren darf.

Genug Power hat der M3 Touring dafür ohnehin: Der Reihen-6-Zylinder mit seinem Twinturbo drückt 510 PS und bringt die Power dank Allradantrieb bzw. wahlweise Heckantrieb in Spa-Francorchamps locker auf den Asphalt. Wirkt der M3 Touring von außen betrachtet eher wie ein Auto für den großen Wochenendeinkauf, drückt mich die Leistung schon dem Weg von Eau Rouge hoch nach Raidillon in den eng anliegenden Karbon-Schalensitz. Von 'Knuffelen' (niederländisch für Kuscheln) keine Spur.

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Robin Frijns mit seinen BMW-Teamkollegen Rene Rast und Sheldon van der Linde, Foto: BMW M Motorsport

Raidillon, oder auch: Blindes Vertrauen in Robin Frijns

Den Berg rauf nach Raidillon, das muss man selbst mal erlebt haben. Tatsächlich chauffiert mich Frijns praktisch blind durch diese berüchtigte Passage nach dem Eau-Rouge-Knick. Durch seine stets wachen Augen - auch, wenn es äußerlich manchmal etwas anders wirken mag - sieht der Niederländer faktisch nur den Himmel und einige Baumwipfel auf der linken Fahrbahnseite, die den Fahrern als Orientierung dienen können. Für mich ein Gefühl wie auf der Achterbahn, glücklicherweise ohne den freien Fall am Ende.

Ich vertraue Frijns buchstäblich blind in Raidillon - welche andere Wahl hätte ich auf dem Beifahrersitz - auch in dem Wissen, dass er Spa kennt wie seine eigene Westentasche. Frijns ist im 70 Kilometer entfernten Maastricht geboren und hat eine Weile in Belgien gelebt. Auf dem Traditionskurs fuhr er schon mit der GP2, holte dort Poles und Podestplätze in der DTM sowie 2021 den vierten Platz beim 24-Stunden-Rennen mit seinem früheren Audi- und heutigen BMW-Team WRT.

Und "Robin hat absolute Kontrolle über sein Auto, er macht nichts kaputt", erinnere ich mich spontan an die Worte seines früheren Formel-Teamchefs Josef Kaufmann von anno 2013.

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Normalerweise steuern Frijns und Co. den BMW M Hybrid V8 in der WEC, Foto: LAT Images

Junge! Frijns hat alles unter Kontrolle

Kein Problem also, dass Frijns seinen - und meinen - Spaß hat, als er ausgangs der tollen Pouhon-Kurve den BMW im Drift über die Kerbs abfängt und selbst ihm ein leises 'Woah' über die Lippen dringt. "Junge!", denk' ich mir nur im besten New-Kids-Slang. Natürlich hat der Renn-Profi und Unternehmer (Frijns Unlimited) stets alles unter Kontrolle, auch, wenn Robin nach unserer Runde leicht überrascht feststellt, dass das DSC-Programm stärker regelnd eingestellt war als gedacht. Den Kampf zwischen Mann und Technik hat Frijns dennoch gewonnen.

Bei der Vollgashatz von Stavelot über Blanchimont bis zur Bus-Stop-Schikane geht es dann mehr schnell als quer zur Sache, und ich mag mir gar nicht vorstellen, was für eine immense Herausforderung Spa mit dem 680 PS starken BMW-Prototypen für die Fahrer darstellen muss. Einen guten Eindruck kannte ich aber zumindest erhalten. "Hartelijk bedankt", Robin Frijns!