Wenn an diesem Samstag der Große Preis der Niederlande in Assen unweit der deutschen Grenze gefahren wird, dann bieten sich vielen Fahrern Chancen, die sie in dieser Saison bislang so nicht hatten.

Das beginnt schon damit, dass der beliebte Kurs im Norden der Niederlande seit dem vergangenen Jahr stark verändert wurde. Dadurch wurde die Strecke um mehr als einen Kilometer kürzer und noch dazu die berühmte Nordschleife verstümmelt. Das bedeutet, alle Fahrer kommen auf einen für sie neuen Kurs, wodurch auch jene Piloten eine Chance haben, die noch nicht so viel Erfahrung in Assen sammeln konnten. Ob die Kathedrale des Motorsports, wie Assen auch bezeichnet wird, ihren klerikalen Charakter beibehalten hat, wird allerdings nicht nur die Reaktion der Fahrer, sondern auch die der Fans ausmachen, die jedes Jahr in Massen auf das Renngelände strömen.

Bei der eigentlichen Entscheidung des Wochenendes, nämlich der im Rennen, hat Alex Hofmann wohl die größte Chance, von den hinteren Gefilden der Ergebnislisten nach vorne zu wandern. Der Deutsche darf nämlich auf einer Werks-Ducati an den Start gehen, da er den verletzten Sete Gibernau ersetzt, der sich nach einem Schlüsselbeinbruch, den er beim Startunfall in Barcelona erlitten hat, noch erholen muss.

Schielt man auf die Wertung in der Weltmeisterschaft, dann ergeben sich viele mögliche Konstellationen, die nach dem Fallen der Zielflagge am Samstag eintreten könnten. Bezieht man die Ergebnisse der vergangenen Rennen in die Kalkulation mit ein, dann ist wohl jene am wahrscheinlichsten, dass Valentino Rossi sich wieder etwas näher an Spitzenreiter Nicky Hayden heranarbeiten wird können. Doch auch Hayden selber hat die Chance, durch seinen ersten Rennsieg in diesem Jahr, seine Position an der Spitze der Fahrerwertung zu festigen.

Bei dieser fiktiven Wahrscheinlichkeitsrechnung gibt es aber einige Variablen, die alles noch gehörig ins Wanken bringen könnten. Zunächst stellt sich die Frage, wie fit Loris Capirossi bereits wieder ist. Dass er an den Start gehen wird ist sicher. Wie befreit der Italiener angesichts seiner Blessuren, die er in Barcelona erlitten hat, fährt, ist nur schwer abzuschätzen. Da man Capirossi aber durchaus als Mann ohne Nerven, physisch wie psychisch, bezeichnen kann, hat er durchaus Chancen an der Spitze mitzumischen.

Beim dritten Verletzten des MotoGP-Startunfalls in Barcelona ist hingegen noch gar nichts fix. Für Marco Melandri wird sich erst nach den ersten beiden Trainings am Donnerstag entscheiden, ob er den Rest des Rennwochenendes überhaupt mit bestreitet. Da der Italiener aber noch über Krämpfe und Schmerzen an Stellen klagt, die er überhaupt nicht kennt, dürfte es ihm im Rennen schwer fallen vorne mitzufahren.

Zusätzlich zu diesen Überlegungen, muss man noch Fahrer wie Dani Pedrosa, Colin Edwards, Casey Stoner, John Hopkins und Kenny Roberts Jr. mit einbeziehen, die bei der Vergabe der Podiumsplätze alle ein Wörtchen mitreden könnten.

125cc

In der Achtelliterklasse wird der Sieg wieder über die Aprilias der Aspar Mannschaft führen. Die einzigen Störenfriede, die der Mannschaft von Jorge Martinez das Süppchen versalzen könnten sind Mika Kallio, Lukas Pesek und vielleicht Thomas Lüthi.

Für KTM und Mika Kallio wird es aber an erster Stelle darum gehen, das pechschwarze Wochenende von Barcelona zu vergessen. Leicht wird das nicht, da Julian Simon fehlt. Der Spanier hatte sich bei einem Sturz in Katalonien einen Oberschenkelbruch zugezogen, der mittlerweile aber erfolgreich operiert wurde. Ersetzt wird Simon in Assen nicht.

Die beiden KTM-Nachwuchsfahrer Stefan Bradl und Michael Ranseder werden diese Lücke nur schwer füllen können. Bei Bradl wird man ohnehin abwarten müssen, ob er sich seinerseits von seinem Sturz im ersten Barcelona-Training erholt hat.

250cc

WM-Leader Andrea Dovizioso kommt mit dem Selbstvertrauen seines ersten 250er-Sieges in die Niederlande, wodurch er auch hier wieder einer der heißesten Anwärter auf den obersten Podestplatz ist. Allerdings wird Jorge Lorenzo nicht jedes Mal einen so schlechten Start erwischen wie in Barcelona. Denn von den Rundezeiten her, wäre der Spanier in Katalonien wohl nicht zu schlagen gewesen.

Neben diesen zwei gibt es aber noch zahlreiche andere, die ebenfalls immer für einen Spitzenplatz gut sind. Alex de Angelis, der immer noch seinem ersten Sieg hinterher jagt. Alex Debon, der als Hector Barberas Ersatzfahrer schon in Barcelona sehr schnell unterwegs war. Die beiden Aoyama-Brüder, Hiroshi auf KTM, Shuhei auf Honda, sind auch immer vorne dabei. Um es kurz zusammenzufassen, die 250er waren in dieser Saison zu ausgeglichen, um einen Favoriten zu bestimmen. Chancen haben viele.

Franz Aschenbrenner gehört zwar nicht zu jenen, die an der Spitze mitfahren, aber er hat sich in seinen ersten beiden Rennwochenenden als Ersatzfahrer von Dirk Heidolf kontinuierlich gesteigert. In Barcelona hätte er wegen der vielen Ausfälle sogar in die Nähe der Punkteränge kommen können, wenn er nicht selbst ausgefallen wäre. Mit der wenigen, aber doch vorhandenen Erfahrung, die Aschenbrenner bislang gesammelt hat, könnte er sich in Assen vielleicht wieder etwas näher an seinen ersten WM-Punkt heranarbeiten. Die Chancen sind da.