Wer dachte, Honda hätte den Tiefpunkt schon am MotoGP-Samstag in Austin erreicht, der wurde am Sonntag eines Besseren belehrt. Im Amerika Grand Prix verpasste der größte Motorradbauer der Welt erst zum dritten Mal in der MotoGP-Ära mit allen vier Piloten die Punkteränge. Joan Mir und Takaaki Nakagami stürzten wie schon im Sprint, Johann Zarco musste mit einem technischen Gebrechen aufgeben. Luca Marini schaffte es immerhin ins Ziel, allerdings mit 33,5 Sekunden Rückstand und geschlagen vom zuvor bereits gestürzten Alex Marquez. Das Austin-Wochenende ist nicht nur ein neuer Tiefpunkt, sondern eines der bittersten Debakel in Hondas WM-Geschichte.

Wie schlecht Hondas MotoGP-Wochenende in Austin wirklich war, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Denn selbst in der letzten Saison, als der stolze Hersteller eines der schwierigsten Jahre der eigenen WM-Geschichte erlebte, gab es - bis auf eine Ausnahme - am Ende immer zumindest ein paar WM-Punkte zu bejubeln. Nur beim chaotischen Großbritannien GP in Silverstone ging Honda komplett leer aus. Allerdings stürzte Marc Marquez damals in den Punkterängen liegend, Nakagami und Iker Lecuona verzockten sich im Flag-to-Flag-Rennen mit ihren Motorradwechseln auf Regenreifen.

Marquez wirft Siegchance weg: Es war ein Defekt! (01:00 Min.)

Honda bleibt in Austin ohne MotoGP-Punkte: Schlechter denn je!

Mit etwas mehr Glück wären damals also WM-Punkte möglich gewesen. In Austin schien das an diesem Wochenende aber auch dann nicht realistisch. Die vier japanischen Bikes belegten das gesamte Wochenende über die letzten vier Plätze, warem im Qualifying drei Zehntel langsamer als im Vorjahr und fanden sich selbst in der Startphase von Sprint und Grand Prix nur ganz kurz in Nähe der Punkteränge wieder. Nochmal ein klarer Rückschritt zu den ersten beiden Saisonstationen in Katar und Portugal also, konnten Zarco und Mir dort doch immerhin noch aus eigener Kraft in die Top 15 fahren. Ohne gegnerische Mithilfe in Form von Stürzen oder Defekten wäre selbst das in Austin aber wohl nicht möglich gewesen.

Entsprechend schlecht war die Stimmung am Sonntagabend bei den vier HRC-Piloten. "Wir haben momentan viele Probleme", weiß Joan Mir und beschreibt: "Unsere Situation ist wirklich schwer. Selbst wenn du mehr erreichen willst, geht das nicht. Wenn du es trotzdem versuchst, passiert das, was passiert ist. Du kannst vielleicht zwei Runden lang etwas gutmachen, aber spätestens in der dritten Runde sagt das Bike: Ich gebe auf! Dann liegst du auf dem Boden. Das ist mehr oder weniger unsere Geschichte aktuell."

Takaaki Nakagami verzeichnete einen von fünf Honda-Stürzen in Sprint und Grand Prix, Foto: LAT Images
Takaaki Nakagami verzeichnete einen von fünf Honda-Stürzen in Sprint und Grand Prix, Foto: LAT Images

Takaaki Nakagami: Unvorstellbar, wie schlecht die Honda RC213V ist!

LCR-Honda-Fahrer Takaaki Nakagami wurde noch deutlicher: "Es war unmöglich, an diesem Wochenende ein gutes Resultat zu erwarten. Die Honda hat hier große Probleme, ist mehr oder weniger jede Runde zwei Sekunden langsamer. Wir pushen, aber die Rundenzeit kommt nicht. Du hast kein Gefühl für das Motorrad. Ich hatte immerhin einen guten Start und habe ein paar Positionen gutgemacht. Ich wusste aber, dass ich dort nur für ein paar Kurven bleiben würde. Ich hatte kein Gefühl für die Front und wusste, dass ich irgendwann stürzen würde, wenn ich weiter pushe."

Exakt so kam es dann auch. In Runde sieben crashte Nakagami in Kurve 19 aus dem Rennen, nachdem er die Front im schnellen Rechtsknick verloren hatte. "Das ist ein schwerer Moment, den ich so nicht erwartet hatte", lässt er tief blicken. "Keiner findet eine Lösung, keiner kann sich verbessern. Mehr gibt es nicht zu sagen. Ich bin enttäuscht von unserer Leistung. Wir sind langsamer als letztes Jahr, ich kann das nicht verstehen. Wir waren in nicht einer Session in einer guten Position." Wo die größten Probleme liegen? "Sobald ich das Motorrad bewege, ist das Gefühl für die Front weg. Das Bike lenkt überhaupt nicht ein. Ihr könnt euch das nicht vorstellen. Es ist völlig unmöglich, der Ideallinie zu folgen. Das Motorrad fährt in die entgegengesetzte Richtung", erklärt Nakagami. "Du versuchst, dem mit deiner Köperposition entgegenzuwirken, aber es ist nicht machbar. Du kannst so keine 20 Runden fahren."

Eine Aussage, die Bände spricht, so allerdings nur zum Teil richtig ist. Denn Honda-Neuzugang Luca Marini schaffte es bekanntlich ins Ziel. "Ich habe überlebt!", scherzt er deshalb. Anschließend war die gute Laune aber auch beim VR46-Schützling schnell wieder verflogen. "Ich habe alles gegeben, alles versucht. Ich habe um diesen letzten Punkt gekämpft, wie letztes Jahr um den ersten Platz", offenbart das Austin-Schlusslicht. "Wir sind momentan in großen Schwierigkeiten. Das Bike ist ganz anders. Wir haben unsere stärksten Punkte aus letztem Jahr verloren und stattdessen weitere Schwachpunkte hinzubekommen."

Die vier Hondas fuhren in Austin geschlossen am Ende des Feldes, Foto: LAT Images
Die vier Hondas fuhren in Austin geschlossen am Ende des Feldes, Foto: LAT Images

Honda: Johann Zarco und Joan Mir mit Durchhalteparolen

All das an dem Ort, an dem Honda nur 12 Monate zuvor mit Alex Rins der bislang letzte MotoGP-Sieg gelang. LCR-Nachfolger Johann Zarco, der nach sechs Runden mit einem technischen Problem am Heck seiner Honda RC213V aufgeben musste, will dennoch positiv bleiben. "Es bringt nichts, jetzt in Pessimismus zu verfallen. Wir wussten, dass dieses neue Projekt schwer werden würde. Honda hat so viele Dinge verändert. Wir brauchen einfach Zeit", meint er. Mir stimmt zu: "Wir müssen stark bleiben, hart weiterarbeiten und den Blick nach vorne richten."

Zumindest in unmittelbarer Zukunft stehen Honda jedoch weitere schwere Rennwochenenden bevor. Die zweiwöchige Pause bis zum Spanien Grand Prix (26. bis 28. April) nutzt der japanische Hersteller zwar für private Testfahrten mit den beiden Werkspiloten in Barcelona und Jerez, die Früchte dieser Arbeit werden aber wohl frühstens nach der Sommerpause zu sehen sein. Zuvor muss sich Honda strecken, um in Konstrukteurs- und Team-WM nicht jetzt schon völlig den Anschluss zu verlieren.