Das MotoGP-Training am Freitagabend in Austin endete mit einem Knalleffekt: WM-Leader Jorge Martin pulverisierte den Rundenrekord auf dem Circuit of the Americas kurzerhand um fast eine halbe Sekunde. In 2:01.397 Minuten gelang ihm eine überlegene Bestzeit, einzig Maverick Vinales konnte mit 0,076 Sekunden Paroli bieten. Das restliche Feld verlor mehr als vier Zehntel auf eine Runde. Werden Pole Position und Sprintsieg also nur zwischen diesen beiden entschieden oder kann noch ein anderer Pilot mitmischen? Motorsport-Magazin.com mit dem großen Favoritencheck vor dem Samstag in Austin.

Zu Beginn sei an dieser Stelle gleich mal festgehalten: Sowohl Martin als auch Vinales präsentierten sich am Freitagabend in ihren Medienrunden sehr siegessicher und mit breiter Brust. Grundsätzlich also schonmal kein gutes Zeichen für die Konkurrenz. "Ich habe zwei kleine Fehler gemacht und morgen daher noch etwas Luft nach oben, aber natürlich nicht viel. Was meine Pace angeht, fühle ich mich ziemlich stark", warnte etwa Rekordmann Martin und ergänzte: "Auch wenn sich andere morgen noch steigern, zähle ich mich zu den besten. Egal was passiert: Ich bin bereit!"

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MotoGP - Martin und Vinales zuversichtlich: Für alles bereit!

Worte, die so auch Portimao-Sprintsieger Vinales wenig später fast 1:1 wiederholte: "Ich hatte heute viel Spaß, ich habe das Bike und den Tag sehr genossen. Ich kann mich noch verbessern, speziell in Sektor drei und vier. Es geht aber nur noch um wenige Tausendstel. Martin und ich waren heute schon sehr schnell, das war ziemlich unglaublich. Ich bin sehr stolz auf mein Team. Ich fühle mich gut, der Speed ist da. Ich bin bereit für morgen."

Die beiden Spanier bemühten sich also nicht um Tiefstappelei oder Understatement, sie machten vielmehr ihre Ambitionen deutlich. Und das auch völlig zurecht, stimmte ihre Pace in Austin doch von der ersten Runde an. "Martin und Vinales sind beeindruckende Timeattacks gefahren. In Sachen Rennpace sehe ich Vinales als stärksten", erkannte auch Weltmeister Francesco Bagnaia. Damit knüpften die beiden unmittelbar an ihre Leistungen aus Portimao an, wo sie bereits Sprint- und Grand-Prix-Sieg einfuhren, jeweils sogar recht ungefährdet.

Dass sich dies in Austin wiederholt, ist trotz der beeindruckenden Rundenzeiten vom Freitag aber nicht zu erwarten. Die Begründung trägt den Namen Francesco Bagnaia. Dieser schwamm am Freitag zwar etwas unter dem Radar, ist für Sprint und Grand Prix aber bestens gerüstet. "Ich fühle mich gut, das war mein bester Freitag seit langem. Ich bin sehr glücklich", offenbart der Ducati-Star trotz vier Zehnteln Rückstand eine breite Brust und erklärt: "Wir sind eine andere Strategie gefahren, meine Pace war ziemlich gut. Daher bin ich happy. Ich war auf mich selbst fokussiert. Wir wissen ganz genau, was wir tun müssen."

Francesco Bagnaia glaubt, im Amerika GP ebenfalls mitreden zu können, Foto: LAT Images
Francesco Bagnaia glaubt, im Amerika GP ebenfalls mitreden zu können, Foto: LAT Images

Zumindest eine kleine Warnung an das Spitzenduo also, die zumindest bei Martin auch nicht auf taube Ohren stößt. "Ich habe die Trainingszeiten noch nicht gesehen, aber ich denke, dass Pecco stark sein wird", vermutet er und bringt auch noch einen anderen Piloten ins Spiel bringt: Austin-Spezialist Marc Marquez. Dieser gewann sieben der bisherigen zehn Ausgaben des Amerika Grand Prix. "Ihn hier zu schlagen, ist immer sehr hart", warnt der Pramac-Pilot.

Marc Marquez: Austin-Stärke mit Ducati verloren gegangen?

Marquez selbst will davon aber weiterhin nichts wissen. Am Donnerstag kündigte er bereits an, dass er im Vorhinein ein Podium unterschreiben würde. Und an dieser These hat sich nach dem Trainingsfreitag auch nichts geändert. "Viele Leute haben es wohl nicht geglaubt, aber es ist so wie ich gedacht habe: Es gibt zwei bis drei Fahrer, die extrem schnell und auch schneller als ich sind", meint er. "Im Moment kann ich so um die Top-Fünf kämpfen. Vielleicht reicht es am Samstag für die Top-Drei, aber es wird schwierig."

Klassisches Tiefstapeln? Wohl eher nicht. Denn Marquez' historische Austin-Stärke scheint mit dem Wechsel zu Ducati tatsächlich etwas verloren gegangen zu sein. Die vielen schnellen Richtungswechsel im 1. Sektor lassen sich mit der Desmosedici GP23 nicht mehr ganz so einfach meistern und auch in den Stop-And-Go-Kurven hinkt der Gresini-Pilot hinterher. Um in Austin auch am Samstag wieder ganz vorne dabei zu sein, muss in diesen Bereichen noch aufgeholt werden. Diesen Bedarf hat Marquez aber längst erkannt: "Darauf habe ich mich bereits im Training am Nachmittag konzentriert und einige Dinge verstanden. So sind die Rundenzeiten auch Schritt für Schritt besser geworden." Nicht auszuschließen also, dass am Samstag weitere Verbesserungen gelingen, die den Spanier dann doch noch in den Mix befördern könnten.

Enea Bastianini und Pedro Acosta: Die Austin-Geheimfavoriten

Ähnlich steht es um 2022-Sieger Enea Bastianini. Dieser erlebte am Freitag zwar zwei ordentliche Sessions, ragte dabei aber nicht heraus. "Ich habe eine schnelle Pace, darüber kann ich glücklich sein. Ich bin zufrieden mit meinem Tag", zieht er zunächst ein positives Fazit, weiß aber auch: "Im dritten Sektor gehöre ich zu den langsameren, dort habe ich noch Verbesserungspotenzial. Auch auf der Bremse muss ich noch besser werden." Das 2. Freie Training bleibt 'La Bestia' noch, um die nötigen Fortschritte zu erzielen. Gelingt das, könnte auch er Martin und Vinales herausfordern. Die Zeit drängt, aber möglich ist es. "Das Bike kann das, ich habe die Daten bereits mit anderen Fahrern verglichen", weiß auch Bastianini.

Pedro Acosta ist eines der MotoGP-Dark-Horses in Austin, Foto: LAT Images
Pedro Acosta ist eines der MotoGP-Dark-Horses in Austin, Foto: LAT Images

Dann gibt es da noch Superrookie Pedro Acosta, der auch in Austin keinerlei Anlaufschwierigkeiten offenbarte und am Freitag als einziger KTM-Pilot vorne mithalten konnte. "Ich mag die Strecke, das Bike funktioniert gut. Wir sind auf dem richtigen Weg", kündigt der 19-Jährige an. Wo die fünfeinhalb Zehntel zur Spitze herkommen sollen, hat er ebenfalls schon identifiziert. "In den langgezogenen Kurven mit leichtem Banking haben wir die größten Probleme", meint er und weiß: "Wir haben dafür noch etwas in der Tasche." Trumpft also vielleicht sogar der Rookie ganz groß auf? Der GasGas-Pilot ist zumindest einer, den die etablierten Piloten an der Spitze erneut ganz genau im Auge behalten sollten.

Was denkt ihr: Können Bagnaia und Co. für eine Überraschung sorgen oder sind Martin und Vinales in Austin zu stark? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!