Die MotoGP-Wintertestfahrten 2024 sind Geschichte, der Saisonstart in Katar (08. - 10.03.) rückt immer näher. Die Vorbereitung in Sepang und Katar brachte dabei einige spannende Erkenntnisse, vor allem eines überrascht auf den ersten Blick jedoch. Dass alle fünf Tagesbestzeiten an Ducati-Piloten gingen, ist zunächst nichts Besonderes. Dass sie allesamt von Fahrern auf dem Werksmotorrad, der Desmosedici GP24, erzielt wurden aber umso mehr. Denn das ist ein Bild, das in den vergangenen Jahren so nicht zu sehen war.

Im Gegenteil: 2022 gingen zwei der fünf Tagesbestzeiten sowie eine absolute Testbestzeit an Ducati-Fahrer auf dem Vorjahresmotorrad, 2023 ebenso. Nicht selten bewegten sich in diesen Tests alle vier Vorjahres-Ducatisti zumindest auf Augenhöhe mit den besten Werkspiloten, waren teilweise sogar schneller. Erklären lässt sich das damit, dass die Vorjahresmaschinen bereits vollständig 'aussortiert' und bestmöglich abgestimmt sind. Dort geht es nur noch um Feinarbeit, um das Motorrad ideal an die Wünsche des Fahrers anzupassen. Bei den Werksbikes handelt es sich dagegen um völlig neue Maschinen, die erst ausgetestet werden müssen. Das perfekte Setup findet sich erst im Verlauf der Saison, wodurch die Vorjahresmaschinen zum Start häufig auf Augenhöhe oder sogar schneller sind.

Marc Marquez stürzt erstmals auf Ducati: Suche nach dem Limit (06:48 Min.)

2022 nutzte der damalige Gresini-Pilot Enea Bastianini diesen Vorteil etwa, um drei der erste sieben Saisonrennen zu gewinnen, während das neue Motorrad nur in Spanien erfolgreich war. Nach Bastianinis drittem Triumph in Frankreich wendete sich das Blatt dann aber. Die GP22 war ausgemerzt und von nun an tonangebend. Francesco Bagnaia und Jack Miller gewannen sieben Rennen, 'La Bestia' nur noch eines. 2023 wiederholte sich dieses Spiel: Siegte VR46-Pilot Marco Bezzecchi in den ersten fünf Rennen noch zweimal und damit genau so oft wie Weltmeister Bagnaia, gelang ihm im restlichen Saisonverlauf nur noch ein Sieg in Indien, während die neue Desmosedici GP23 weitere elf Grand-Prix-Siege feiern sollte.

Da die Ducati GP23 in der vergangenen Saison ein solch dominantes und starkes Motorrad war, rechnete im MotoGP-Paddock über den Winter eigentlich fast jeder damit, dass sie auch in diesem Jahr nur schwer zu schlagen sein dürfte. Die Testfahrten in Sepang und Katar liefern nun aber einen anderen Eindruck. Nicht nur Aprilia und KTM machten einen großen Sprung nach vorne, sondern auch Ducati selbst mit der Desmosedici GP24, die schon zu diesem frühen Zeitpunkt im MotoGP-Jahr 2024 eine klare Steigerung zum Vorjahresmodell zu sein scheint.

Die Ducati GP24 wusste in den Wintertests sofort zu gefallen, Foto: LAT Images
Die Ducati GP24 wusste in den Wintertests sofort zu gefallen, Foto: LAT Images

Marc Marquez bester GP23-Pilot: Schon jetzt großer Rückstand auf Bagnaia

Marc Marquez verlor am finalen Testtag in Katar als schnellster GP23-Pilot bereits 0,383 Sekunden auf die Bestzeit von Bagnaia, landete dabei aber auch hinter Bastianini und Aleix Espargaro. Und auch Jorge Martin wäre im Klassement wohl noch vor dem Gresini-Neuzugang vorzufinden gewesen, hätte er am Dienstag nicht mit Chattering-Problemen zu kämpfen gehabt, die seine Time-Attack beeinträchtigten. "Es gibt drei, vier, fünf Fahrer, die noch schneller sind als wir. Speziell Bagnaia, Martin und Bastianini liegen vor uns", erkannte auch Marquez selbst nach Testende. Seine GP23-Kollegen sortierten sich im Katar-Test nur auf den Rängen 8, 10 und 13 ein, allesamt mit mehr als fünf Zehnteln Rückstand. Zum Vergleich: Im Vorjahr fehlten Luca Marini, Marco Bezzecchi und Alex Marquez nach dem finalen Testtag noch weniger als vier Zehntel auf die Bestzeit, sie alle landeten innerhalb der Top Sieben des Abschluss-Klassements.

"Zu sehen, wie schnell die Werksducatis schon sind, das ist ... Wenn du ein neues Motorrad bringst, dann brauchst du normalerweise etwas Zeit, du hast etwas zu kämpfen. Aber sie kamen hier an und waren sofort sehr schnell", stellte Marco Bezzecchi am Dienstagabend beunruhigt fest und scheint damit auch die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. "Mein Gefühl für das Motorrad hat sich enorm verbessert. Momentan würde ich sagen, dass es in allen Bereichen besser ist als die GP23. Wir können also sehr zufrieden mit unserer Arbeit sein", lobte sein guter VR46-Academy-Kumpel Bagnaia am Dienstag fast zeitgleich.

Ducati geht mit GP24 Entwicklungsrisiko - und wird belohnt!

Doch woher kommt dieser untypisch große Unterschied zwischen GP23 und GP24? Ganz einfach: Ducati ging 2024 bei der Entwicklung des neuen Motorrads etwas mehr Risiko als etwa im Vorjahr und wurde dafür belohnt, sowohl Motor- als auch Verkleidungsupdate brachten sofort den erhofften Fortschritt. "Dieses Jahr werden wir etwas mehr machen. Ich denke daher, dass der Unterschied zwischen Werksbike und dem alten Motorrad etwas größer ausfallen wird", hatte Ducati-Teamchef und Superhirn Gigi Dall'Igna bereits beim Valencia-Test Ende November angekündigt. Er sollte - wie so häufig - Recht behalten.

Somit könnte 2024 tatsächlich ein schlechtes Jahr für Marc Marquez und Co. werden, scheint der eigentliche Vorteil der Vorjahresmaschine in dieser Saison doch nicht zu existieren. Vereinzelte Spitzenresultate sind sicher möglich, ein WM-Kampf gegen die Werksducatisti dürfte damit aber nur schwer zu realisieren sein. Schließlich wird der Vorteil der Desmosedici GP24 im Saisonverlauf nur noch größer werden.

Was meint ihr? Können Marc Marquez, Marco Bezzecchi und Co. 2024 ihren Werkskollegen trotzdem die Stirn bieten? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!