Seit Silverstone gelten in der MotoGP Mindestdrücke für Vorder- und Hinterreifen, die von den Fahrern in jedem Sprint und Grand Prix eingehalten werden müssen. Bei Verstößen gibt es zunächst eine Verwarnung, ab dem zweiten Mal werden Zeitstrafen ausgesprochen. In Valencia unterschritten mit Luca Marini, Fabio Di Giannantonio und Franco Morbidelli nun auch im Sprint erstmals Piloten den vorgegebenen Grenzwert. Die Wahrscheinlichkeit für weitere Vergehen im Valencia Grand Prix am Sonntag ist damit hoch.

Weil mittlerweile ein Großteil des MotoGP-Feldes den Mindestwert mindestens einmal unterschritten hat, droht beim Saisonfinale damit ein Fiasko. Schließlich fällt die Entscheidung in der Fahrer-Weltmeisterschaft erst im letzten Saisonrennen. Jorge Martin konnte seine WM-Träume durch einen Sieg im Sprint am Leben erhalten, er liegt nur noch 14 Punkte hinter Francesco Bagnaia. Beide Fahrer haben den Mindestreifendruck bereits einmal in dieser Saison unterschritten: Martin im Thailand Grand Prix, Bagnaia zwei Wochen später in Malaysia.

Verstoßen die beiden WM-Anwärter am Sonntag ein weiteres Mal, bekommen sie nachträglich eine Drei-Sekunden-Zeitstrafe auf ihr Ergebnis aufgerechnet. Für beide Piloten gilt im Grand Prix am Sonntag daher erhöhte Vorsicht, um den WM-Titel nicht durch eine Zeitstrafe noch zu verlieren. "Ich hoffe, dass mein Team gute Arbeit leisten wird", scherzte Bagnaia am Samstagabend, während Titelrivale Martin die Lage deutlich ernster wahrnahm: "Heute war ich im erlaubten Bereich und habe gewonnen, aber es ist nicht leicht. Das kann uns passieren, das kann Pecco passieren. Vielleicht ist die Saison vorbei, dann kommen drei Sekunden drauf und alles verändert sich. Ich hoffe, dass ich den Mindestwert erreiche. Ich bin zuversichtlich, aber ein Risiko gibt es immer."

Mindestdruckvergehen im Valencia-Sprint sorgen für Rätsel

Für zusätzliche Unruhe sorgt, dass in Valencia eben auch erstmals im Sprint Unterschreitungen bei Piloten festgestellt wurden, obwohl an diesem Wochenende aufgrund der geringen Außentemperaturen eigentlich überhaupt keine Probleme erwartet wurden. Zuvor gab es nur Verstöße in den Hauptrennen. Woran das liegen könnte, ist noch unklar. "Mein Druck war perfekt, daher finde ich es merkwürdig, dass andere Schwierigkeiten damit hatten. Das Limit war hier sowieso recht niedrig und 'Diggia' [Di Giannantonio, Anm.] war sogar in meinem Windschatten", rätselt Bagnaia. Eigentlich sollte der Reifendruck in einem solchen Fall eher ansteigen, das passierte aber nicht. Stattdessen kassierte der Gresini-Pilot aufgrund seiner ersten Mindestdruck-Unterschreitung am Samstag eine Verwarnung durch die Stewards.

"Die Temperaturen ändern sich hier stetig und wir verwenden unterschiedliche Reifen", stellt Martin zumindest eine Vermutung auf. Tatsächlich war es in den Freien Trainings am Vormittag jeweils deutlich kühler als nachmittags in Training und Sprint, das könnte zu falschen Rückschlüssen bei den Teams geführt haben. Da der Grand Prix am Sonntag zur gleichen Zeit wie der Sprint gestartet wird, sind nun erste Referenzwerte vorhanden. Endgültig gebannt ist die Gefahr der Unterschreitung damit aber natürlich nicht.

Fast alle Toppiloten haben bereits eine Mindestdruck-Verwarnung kassiert, Foto: LAT Images
Fast alle Toppiloten haben bereits eine Mindestdruck-Verwarnung kassiert, Foto: LAT Images

MotoGP-Fiasko droht: Nur fünf Piloten noch nicht verwarnt

Und die Zeitstrafen-Gefahr gilt eben nicht nur für Bagnaia und Martin, sondern auch für große Teile des restlichen Feldes. Von den 21 Piloten, die in Valencia noch am Start sind, haben einzig Brad Binder, Fabio Quartararo, Alex Rins, Takaaki Nakagami und RNF-Ersatzmann Lorenzo Savadori noch einen Freischuss. Neben Bagnaia und Martin müssen mit Maverick Vinales, Jack Miller, Marco Bezzecchi oder den Marquez-Brüdern zahlreiche andere Topfahrer eine Drei-Sekunden-Strafe fürchten. Aleix Espargaro, Luca Marini und Franco Morbidelli haben den Mindestwert sogar schon zweimal unterschritten, ihnen droht beim nächsten Verstoß eine Sechs-Sekunden-Zeitstrafe. Somit könnte das MotoGP-Feld nach Zieldurchfahrt am Sonntag nochmal ordentlich durchgewürfelt werden, zumal die Zeitabstände in Valencia ohnehin äußerst gering sind. Drei oder gar sechs zusätzliche Sekunden können da einen Verlust von mehreren Positionen bedeuten.

Sollte dem tatsächlich so kommen, droht die MotoGP-Titelentscheidung erst mehrere Stunden nach Zieldurchfahrt zu fallen. Kaum auszudenken, sollten Bagnaia oder Martin zu früh feiern und den WM-Titel nachträglich noch verlieren. Der Königsklasse droht ein Fiasko, denn wie Martin schon sagte: "Das kann uns passieren, das kann Pecco passieren. Vielleicht ist die Saison vorbei, dann kommen drei Sekunden drauf und alles verändert sich." Im Sinne des Sports bleibt nur zu hoffen, dass das nicht passieren wird und die Entscheidung auf der Strecke fällt.