Die MotoGP brachte mit der Einführung der Sprintrennen am Samstag 2023 die größte Format-Revolution ihrer Geschichte an den Start. In den Kurzrennen werden für die ersten neun in etwa die Hälfte der Zähler des Grand Prix am Sonntag vergeben. Der Schlüssel lautet: 12 - 9 - 7 - 6 - 5 - 4 - 3 - 2 - 1. Nach nun fünf ausgetragenen Wochenenden des neuen Formates haben wir uns gefragt: Wie sähe die WM-Tabelle nach dem alten Format ohne Sprints aus? Wer sind die großen Gewinner des Sprints und wer stünde ohne sie wesentlich besser dar? Unsere Analyse zeigt beachtliche Unterschiede.

Im WM-Stand ist es nicht ersichtlich, wie viele Punkte eines Fahrers vom Samstag und vom Sonntag stammen. Daher haben wir diese zunächst einmal getrennt.

MotoGP-Saison 2023: Aufteilung der Punkte aus Rennen und Sprints

Pos.FahrerGesamtpunkteRennenSprintAnteil RennenAnteil Sprint
1Francesco Bagnaia94504453%47%
2Marco Bezzecchi93761782%18%
3Brad Binder81433853%47%
4Jorge Martin80443655%45%
5Johann Zarco6658888%12%
6Luca Marini54381670%30%
7Maverick Vinales49371276%24%
8Jack Miller49351471%29%
9Fabio Quartararo4948198%2%
10Alex Rins4738981%19%
11Aleix Espargaro42301271%29%
12Alex Marquez4135685%15%
13Franco Morbidelli4034685%15%
14Augusto Fernandez30300100%0%
15Fabio di Giannantonio25250100%0%
16Miguel Oliveira21111052%48%
17Takaaki Nakagami21210100%0%
18Dani Pedrosa139469%31%
19Marc Marquez120120%100%
20Jonas Folger770100%0%
21Danilo Petrucci550100%0%
22Michele Pirro550100%0%
23Joan Mir550100%0%
24Lorenzo Savadori440100%0%
25Raul Fernandez330100%0%
26Stefan Bradl220100%0%

Bei dieser Betrachtung sehen wir, dass alle (nicht verletzten) Stammfahrer der MotoGP-Saison 2023 bereits Punkte angeschrieben haben, wobei das jedoch fünf von ihnen noch nicht im Sprint gelang. Logischerweise sind die Top 9 auch deutlich schwieriger zu erreichen als die Top 15. Eine kuriose Anomalie bildet Marc Marquez. Der Honda-Star hat bisher alle seine Zähler aus den Sprints, da er bei seinen zwei Renneinsätzen jeweils nicht ins Ziel kam. Nach dem alten System stünde er also noch ganz ohne Zählbares dar.

Je weiter wir in der WM-Tabelle nach unten blicken, desto dominanter wird (mit der Ausnahme von Marquez und Pechvogel Miguel Oliveira) der Anteil der im Rennen gesammelten Punkte, was der Logik von weniger Punktplatzierungen im Sprint entspricht. Auf den vorderen Platzierungen hingegen sollte sich der Anteil der Sprintpunkte rein mathematisch bei etwa einem Drittel einpendeln. Tatsächlich entsprechen bei den Spitzenpiloten nur Luca Marini, Jack Miller und Aleix Espargaro dieser Erwartung. Dafür gibt es wiederum drei Fahrer, die diesen Wert deutlich übertreffen. In der reinen Sprint-Tabelle wird ihre Dominanz sehr deutlich.

Die Sprints sorgten bisher für viel Action, Foto: LAT Images
Die Sprints sorgten bisher für viel Action, Foto: LAT Images

Die Sprint-Tabelle

Pos.FahrerPunkte
1Francesco Bagnaia44
2Brad Binder38
3Jorge Martin36
4Marco Bezzecchi17
5Luca Marini16
6Jack Miller14
7Maverick Vinales12
8Aleix Espargaro12
9Marc Marquez12
10Miguel Oliveira10
11Alex Rins9
12Johann Zarco8
13Alex Marquez6
14Franco Morbidelli6
15Dani Pedrosa4
16Fabio Quartararo1
17Augusto Fernandez0
18Fabio di Giannantonio0
19Takaaki Nakagami0
20Jonas Folger0
21Danilo Petrucci0
22Michele Pirro0
23Joan Mir0
24Lorenzo Savadori0
25Raul Fernandez0
26Stefan Bradl0

Hier wird überdeutlich, dass der Sprint bisher von drei Piloten dominiert wird: Francesco Bagnaia, Brad Binder und Jorge Martin. Alle drei haben mehr als 45% ihrer Punkte in Sprints eingefahren. Die Siege in den Sprints gingen auch jeweils an sie (2x Bagnaia und Binder, 1x Martin). Von 15 möglichen Top-3-Platzierungen belegten sie 10. Die beiden VR46-Piloten Marco Bezzecchi und Luca Marini, die in dieser Wertung die Ränge 4 und 5 einnehmen, haben nicht einmal die Hälfte der Punkte des drittplatzierten Martin gesammelt. Marc Marquez hingegen findet sich auf einmal in den Top 10 wieder, obwohl er nur an zwei von fünf Sprints teilnahm. Auch Miguel Oliveira durfte im Sprint ordentlich punkten, das Pech verfolgte ihn dann jeweils im Rennen. Doch wo es Gewinner gibt, da gibt es auch Verlierer. Am besten sehen wir diese, wenn wir uns den 'klassischen' WM-Stand ansehen, in dem nur die Grand Prix gewertet werden.

So sähe der WM-Stand ohne Einführung der Sprints aus

Pos.FahrerPunkte
1Marco Bezzecchi76
2Johann Zarco58
3Francesco Bagnaia50
4Fabio Quartararo48
5Jorge Martin44
6Brad Binder43
7Luca Marini38
8Alex Rins38
9Maverick Vinales37
10Jack Miller35
11Alex Marquez35
12Franco Morbidelli34
13Aleix Espargaro30
14Augusto Fernandez30
15Fabio di Giannantonio25
16Takaaki Nakagami21
17Miguel Oliveira11
18Dani Pedrosa9
19Jonas Folger7
20Danilo Petrucci5
21Michele Pirro5
22Joan Mir5
23Lorenzo Savadori4
24Raul Fernandez3
25Stefan Bradl2
26Marc Marquez0

Marco Bezzecchi wäre plötzlich WM-Führender und das sogar relativ deutlich. Francesco Bagnaia hingegen würde auf Rang drei abrutschen, denn er müsste sich auch noch hinter Pramac-Pilot Johann Zarco einreihen. Die große Überraschung finden wir auf Rang Vier. Fabio Quartararo wird 2023 nicht müde zu betonen, wie groß die Yamaha-Krise ist. Ohne Sprints hätte er aber nur zwei Punkte weniger als Titelverteidiger Bagnaia. Jorge Martin würde eine Position verlieren, Brad Binder sogar deren drei. Ihr Rückstand auf den WM-Leader wäre jeweils mehr als verdoppelt. Enger ist also auf jeden Fall die WM mit Sprints. Dort liegen die ersten Vier innerhalb von nur 14 Punkten. Nach dem alten Format lägen zwischen den Top Vier 28 Zähler, also genau das Doppelte.

Fazit: Drei Supersprinter, Franzosen verlieren

Abschließend muss festgehalten werden, dass die Einführung der Sprints die WM-Wertung der MotoGP an der Spitze ordentlich durcheinanderwürfelt und das zu Gunsten von Francesco Bagnaia, Brad Binder und Jorge Martin. Außerdem deutet sich an, dass auch Marc Marquez und Miguel Oliveira langfristig Gewinner des Formates werden könnten. Die klaren Verlierer hingegen sind die beiden Franzosen im Feld. Johann Zarco und Fabio Quartararo wären 2022 noch WM-Zweiter bzw. Vierter gewesen, jetzt finden sie sich auf den Rängen Fünf und Neun wieder. Marco Bezzecchi kann ebenfalls als Verlierer gelten, würde er die WM sonst relativ deutlich anführen. Der Spannung im WM-Kampf haben die Sprints allerdings bisher nicht geschadet. Im Gegenteil: Die Spitze liegt enger zusammen.