Es sieht alles danach aus als könnte Francesco Bagnaia am Sonntag in Valencia Geschichte schreiben: Mit einem gewaltigen Vorsprung von 23 Punkten auf Fabio Quartararo angereist, könnte er den ersten Titel für Ducati seit Casey Stoner 2007 und den ersten Titel für einen Italiener seit seinem Idol Valentino Rossi 2009 einfahren. Der Turiner will darüber aber noch gar nicht nachdenken: "Bevor ich darüber nachdenke, muss ich den Titel erst einmal holen. Dann kann ich darüber nachdenken, was das bedeutet. Ich habe noch drei Tage vor mir, bevor ich Weltmeister sein kann, da will ich nicht zu viel darüber nachdenken. Natürlich würde sich dadurch für mich etwas ändern, aber jetzt muss ich mich auf meine Aufgaben konzentrieren."

Diese Aufgabe gibt sich die Ducati-Speerspitze selbst vor und da heißt es nicht relaxend auf Platz 14 zu fahren, denn das würde schon zum Titel reichen: "Ich bin nicht entspannter als in Sepang, so lange es noch eine Chance gibt weiter zu pushen. Es ist wichtig das Wochenende clever anzugehen. Ich bin im Vergleich zu Fabio in einer besseren Position, aber ich muss den Job immer noch erledigen. Es gilt sich maximal zu konzentrieren und das bestmögliche Ergebnis zu holen."

Sachsenring-Sturz als Wachmacher für Bagnaia

Dass sich Bagnaia überhaupt in dieser komfortablen Punktesituation befindet, kommt einer Sensation gleich. Nach seinem Sturz am Sachenring lag der Italiener satte 91 Punkte hinter Titelverteidiger Fabio Quartararo auf Yamaha. Trotz des Nullers war der Deutschland-Grand-Prix der entscheidende Moment in der WM für den 25-Jährigen: "Ich warf alles hinein, aber der Sachsenring war dann eine große Lehrstunde für mich. Sicherlich hatte ich mehr Potential als ein Rennen zu gewinnen und dann im nächsten wieder zu stürzen. Ich verstand das und habe das in mir gefühlt, dass es alles besser sein muss. Ich habe dann an meinen Wochenenden gearbeitet, mich besser vorbereitet und bin Rennen für Rennen näher rangekommen."

Die Analyse fruchtete und es folgte eine Serie von vier Siegen in Folge und danach weitere Podestplätze. Seit dem Sachenring hat sich Bagnaia nur eine Sache vorzuwerfen: "In Japan war ich zu übermütig, da hatte ich gleich zweimal Glück: Zum einen, dass ich nicht in Fabio reingerauscht bin, und zum anderen, dass er nicht viele Punkte gutgemacht hat." In anderen schwierigen Situationen zeigte er wiederrum seine neugewonnen Reife: "Ich wusste auch, dass ich unter schwierigen Bedingungen da sein muss. Im Nassen in Thailand und auch in Australien habe ich einfach nur mein Bestes herausgeholt und nicht riskiert, unbedingt gewinnen zu wollen." Herauskamen in diesen Rennen zwei Dritte Plätze und 30 Punkte, anstatt Stürze und Nullnummern wie zu Saisonbeginn.

Valencia ist Ducati-Land, doch Vorsicht: In der MotoGP kann alles passieren!

Ein Bagnaia in Hochform kommt nun auf eine Strecke, auf der er bereits im letzten Jahr einen Ducati-Dreifachsieg anführte. Eigentlich dürften alle Tifosi da von einem Titelgewinn ausgehen, wenn es sich nicht um die MotoGP handeln würde: "Diese Strecke ist recht gut für uns. Dieses Jahr war unser Bike stark, was das Handling angeht, da haben wir uns im Vergleich zum letzten Jahr verbessert. Die MotoGP ist dennoch eine Welt voller Überraschungen, da kann immer etwas passieren."

Nicky Hayden machte 2006 das Unmögliche möglich, Foto: Repsol Honda
Nicky Hayden machte 2006 das Unmögliche möglich, Foto: Repsol Honda

So wie etwa 2006, als Nicky Hayden vom Sturz von Valentino Rossi profitierte und doch noch zum Weltmeister wurde. Bagnaias Idol und Förderer Rossi wird in Valencia auch vor Ort sein und ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen, damit sich dieses Szenario nicht wiederholt: "Es wird großartig sein, das Vale hier ist. Er kennt diese Situation mehr als gut und weiß, wie ich mich fühle. Er kann mir helfen und ein Lehrer sein." Am Sonntag wird dann klar sein, ob Italien einen neuen Motorradchampion feiern darf.