Ducati hat sich für das MotoGP-Rennen am Sonntag in Spielberg eine perfekte Ausgangslage gesichert. Enea Bastianini ist auf der Pole Position nur eines von vielen heißen Eisen, die Ducati für einen weiteren Sieg auf dem Red Bull Ring im Feuer hat. Mit dem Pole-Setter, Francesco Bagnaia, Jack Miller und Jorge Martin haben die Italiener vier Fahrer ganz vorne im Grid. Mit Johann Zarco folgt auf Startplatz sechs ein weiterer Ducati-Fahrer. Für die WM-Ambitionen des Herstellers könnte das zum Problem werden. Die Piloten wehren sich allerdings gegen die Idee einer Teamorder - inklusive Titelaspirant Bagnaia.

"Wir sind da vorne viele Ducatis. Es ist wichtig, in der ersten Runde nicht anzugreifen und auf Sicherheit zu gehen", sagt Bastianini, der zum ersten Mal in seiner MotoGP-Karriere von der Pole Position ins Rennen gehen wird. In der Weltmeisterschaft liegt er als Vierter nur 27 Punkte hinter Ducatis momentan bestplatzierten Mann, Francesco Bagnaia. Der nimmt den taktischen Ansatz seines Markenkollegen mit Humor.

"Er fängt schon mit der Strategie an, und sagt, dass er nicht angreifen wird", schmunzelt der Werksfahrer. In Anbetracht seines eigenen Rückstandes von 49 Zählern auf WM-Leader Fabio Quartararo könnte Ducati wiederum gut beraten sein, ihm den Weg für einen Sieg frei zu machen. Mit den Markenkollegen als Rückendeckung könnte er in Spielberg einen Big Point gegen Quartararo landen.

Ducati-Fahrer setzten auf Vernunft statt Teamorder

Ein solches Vorgehen kann sich Bagnaia allerdings kaum vorstellen, und will es auch gar nicht. "Es ist ein Rennen und jeder will überholen und vorne sein. Das wird wohl nicht nur am Start, sondern auch in den ersten Runden ziemlich eng. Vielleicht ist es ein Ansatz, den Fahrern zu sagen, dass sie sich zurückhalten sollen, aber daran wird sich niemand halten. Also ist es für mich besser, nichts zu sagen und einfach das Rennen zu fahren", erklärt er.

Teamkollege Jack Miller, der Ducati im kommenden Jahr in Richtung KTM verlassen wird, sieht das ähnlich. "Da sind viele Ducatis, aber es ist ein Einzelwettkampf. Jeder kämpft für sich selbst, egal ob Ducati oder irgendein anderes Motorrad", stellt der 27-jährige Australier klar. "Die MotoGP ist die Königsklasse und wir wissen, was wir tun. Es können Unfälle passieren und das versteht jeder. Ich denke, wir sollten das hinbekommen und müssen nicht über Divebombs sprechen."

Bastianini hingegen hat seine Bedenken, was den Appell an die Vernunft angeht. Der 24-jährige Italiener hat in der Königsklasse zwar schon drei Rennen gewonnen, aber bisher musste er sich auf dem Weg an die Spitze stets durchs Feld kämpfen. Die Gefahr im Nacken beunruhigt ihn: "Das Rennen wird sehr schwer. Alle Ducatis sind so stark, alle wollen gewinnen. Es gibt auch diese neue Schikane und am Start will jeder als Erster dort ankommen."

Der neue Streckenabschnitt lässt auch Miller zweifeln. "Das wird ziemlich chaotisch. Du musst dich vorne aus dem Staub machen. In freier Fahrt ohne andere Motorräder in der Nähe, ist es natürlich besser", weiß auch der dreifache MotoGP-Sieger, der nicht nur mit seinen Ducati-Kollegen rechnet: "Fabio ist unglaublich schnell, Joan [Mir] und Alex [Rins] fahren das ganze Wochenende schon sehr gut, Maverick [Vinales] auch. Es wird ein hektisches Rennen, so wie in Silverstone."

Bagnaia und Bastianini wollen keine Rennen mehr wegwerfen

Hektische Rennen hatte Bagnaia für seinen Geschmack in dieser Saison schon genug. Seinen Rückstand in der Gesamtwertung fing er sich vor allem mit selbstverschuldeten Ausfällen ein. In der ersten Saisonhälfte sah er vier Mal nicht die Zielflagge. Diese Fehler will er nicht wiederholen. "Ich will nicht an den Sieg denken. Wir müssen Punkte aufholen, und ich habe diesen Fehler dieses Jahr schon zwei Mal gemacht. Ich will ein kluges Rennen fahren. Wenn Platz vier das ist, was für mich drin ist, muss ich das verstehen", so der 25-jährige Italiener.

Bastianini verfolgt einen ganz ähnlichen Ansatz, nachdem auch er mit seinen verpassten Chancen hadert. "Die letzten Rennen vor der Sommerpause war ich nicht schnell. Ich war ein bisschen müde und nervös, habe viele Fehler gemacht. Es ist für mich wichtig, für die zweite Saisonhälfte besser zurückzukommen", sagt er. "Ich muss für den Rest der Saison mein Bestes geben, und von Rennen zu Rennen und nicht auf die Weltmeisterschaft schauen."

Dir Konstellation mit Bastianini auf der Pole Position schafft für den Sonntag in Spielberg allerdings ganz neue Vorzeichen. "Wir alle wissen, dass sein Reifenmanagement eines der besten im Grid ist", so Miller. Sein Teamkollege weiß ebenfalls um die Stärken des Gresini-Piloten. "Er ist gegen Ende des Rennens sehr stark", so Bagnaia.

Taktische Überlegungen, einen möglichen Fluchtversuch von Bastianini zu unterbinden, wollen die Ducati-Werksfahrer aber nicht anstellen. "Ich kenne meine Stärken und denke nicht über ihn nach. Das ist Zeitverschwendung", sagt Miller. Für Bagnaia gilt dasselbe: "Ich fahre mein Rennen und versuche keine Fehler wie in Le Mans zu machen. Wenn ich sehe, dass er schneller ist, muss ich cleverer sein."