Die Lage ist ernst. 2022 stellt Deutschland mit Moto2-Pilot Marcel Schrötter nur noch einen Stammfahrer in der Motorrad-Weltmeisterschaft. Der Routinier liebäugelt allerdings mit einem Wechsel in die Superbike-WM. So könnte der Grand-Prix-Sport 2023 ohne jegliche deutsche Beteiligung über die Bühne gehen.

Dass der Motorradsport in der Bundesrepublik ein massives Nachwuchsproblem hat, ist nicht neu. Zu lange wurde die Talenteförderung von den zuständigen Stellen wie ADAC und DMSB vernachlässigt. "Wir wissen, dass Verbesserungsbedarf besteht", sagt Lars Soutschka, Vorstand Vertrieb, Kommunikation und Motorsport beim ADAC. "Die Nachwuchsarbeit ist ein wichtiges Thema. Der ADAC ist aber nicht die einzige Organisation, die hier Geld aufwenden kann. Auch Partner und die Industrie sind gefragt. Wenn es Konzepte gibt von Leuten, die eine Ahnung von dieser Materie haben, dann sind wir die Letzten, die da nicht gesprächsbereit sind."

ADAC-Vorstand Soutschka zeigt sich offen für neue Ideen, Foto: ADAC
ADAC-Vorstand Soutschka zeigt sich offen für neue Ideen, Foto: ADAC

Eine solche Person ist Stefan Bradl. Im Vorjahr startete er zusammen mit Honda Deutschland und Ex-Grand-Prix-Pilot Adi Stadler ein eigenes Förderprojekt für junge deutsche Rennfahrer. "Es wird ein paar Jahre dauern, bis wir die Früchte dieser Arbeit ernten können", dämpft Bradl im Video-Interview mit Motorsport-Magazin.com die Erwartungen auf einen neuen deutschen WM-Piloten in der unmittelbaren Zukunft. Bradl sieht seine Initiative aber auch als Denkanstoß für die verantwortlichen Institutionen, ihrerseits wieder vermehrt Förderarbeit zu leisten. "Ich hoffe, dass wir vielleicht in den nächsten ein bis zwei Jahren erfolgreiche Nachrichten übermitteln können, dass wir wieder eine Nachwuchsserie in Deutschland platzieren können."

Eine Vision, die tatsächlich Realität werden könnte. Wie Motorsport-Magazin.com erfuhr, laufen beim ADAC bereits Planungen für eine derartige Serie an. Diese soll über dem ADAC Mini Bike Cup platziert werden. Dort war früher der ADAC Junior Cup angesiedelt, der allerdings zur Saison 2020 vom Northern Talent Cup abgelöst wurde. In dieser Serie für den nord- und osteuropäischen Raum fällt die deutsche Beteiligung aber spärlich aus: 2022 kommen nur fünf von 26 Stammfahrern aus der Bundesrepublik.

Der Northern Talent Cup befindet sich in seiner dritten Saison, Foto: Dorna
Der Northern Talent Cup befindet sich in seiner dritten Saison, Foto: Dorna

Angedacht ist eine Klasse analog zum Austrian Junior Cup. Dort fahren seit dem Vorjahr 26 Teilnehmer zwischen 13 und 20 Jahren an rund sechs Wochenenden auf Rennstrecken in und rund um Österreich. Zum Einsatz kommen Einheitsmotorräder vom Typ KTM RC4R. Die 250ccm-Viertakter leisten 46 PS. Das Startgeld für eine Saison beträgt 2.500 Euro. Die neue ADAC-Serie soll im Gegensatz zu ihrem österreichischen Pendant allerdings markenoffen gestaltet werden.

Bis zur tatsächlichen Umsetzung dieses Projekts ist es allerdings noch ein weiter Weg. Ein Funktionär des DMSB schätzt die Chance auf eine Umsetzung aktuell mit 50:50 ein.