Alex Marquez steigt 2020 in die MotoGP auf. Der amtierende Moto2-Weltmeister fährt in der kommenden Saison also in der höchsten Kategorie der Weltmeisterschaft. Wie in den vergangenen drei Jahren bereits Francesco Bagnaia, Franco Morbidelli und Johann Zarco vor ihm. So weit, so gut und eigentlich eher Regelfall als Ausnahmesituation, denn seit Einführung der Moto2-Klasse vor zehn Jahren schaffte es der jeweilige Titelträger nur zweimal nicht, direkt in der MotoGP anzudocken.

War man in den Tagen des Saisonfinales, als der Deal nach dem überraschenden Rücktritt von Jorge Lorenzo eingefädelt wurde, aber in den sozialen Medien oder den Kommentarforen der großen Motorsport-Portale unterwegs, so konnte man fast glauben, der Wechsel wäre der finale Akt einer groß angelegten Verschwörung. Demnach habe die Marquez-Fraktion Jorge Lorenzo zum Rückzug gedrängt, um Platz zu schaffen für die komplette Machtübernahme des Familienimperiums aus Cervera beim mächtigsten Motorrad-Hersteller der Welt. Entsprechend viel Antipathie schlug den Marquez-Brüdern in diesen Tagen entgegen. Als neutraler Beobachter musste man sich fragen: Was bitte geht denn hier ab? Sich übergebende Smileys waren in diesen Tagen noch die appetitlichsten der Kommentare unter der Gürtellinie, die so mancher Neider von sich gab. Dass es sich bei Alex um den amtierenden Champion handelte, der zwar kein Recht auf einen Aufstieg hat, aber damit zumindest ein lupenreines Empfehlungsschreiben besitzt, hatten viele entweder nicht mitbekommen oder wollten dies einfach nicht wahrhaben. Zuletzt wurde sogar die Klasse des Moto2-Champions in Frage gestellt, weil dieser fünf Jahre gebraucht habe, um den WM-Titel zu erringen. Zum Vergleich: Auch Johann Zarco war fünf Jahre in der Moto2 unterwegs, bevor er in die MotoGP aufstieg. Lorenzo Baldassarri hat ebenfalls bereits fünf Jahre auf dem Konto, Marcel Schrötter steht sogar bei siebeneinhalb. Valentino Rossis Halbbruder Luca Marini absolviert 2020 seine fünfte Moto2-Saison. Sollte man all diesen Fahrern in Zukunft einen MotoGP-Aufstieg verwehren? Nein und das würde wohl auch kaum jemand ernsthaft fordern. Diese Piloten heißen allerdings auch nicht Marquez. Ein Name, der vor allem bei einer ganz bestimmten Fan-Fraktion regelmäßig unappetitliche bis unentschuldbare Kommentare nach sich zieht. Recht machen kann man es diesen Leuten ohnehin nicht, frei nach dem Motto: "Haters gonna hate."

Honda hat sich mit Alex Marquez den amtierenden Weltmeister der Moto2 geholt, als sich durch den Lorenzo-Rücktritt die Chance dazu ergab. HRC war damit schneller als seine Konkurrenten im Werben um eine vielversprechende Zukunftshoffnung. Dass dieser Champion ausgerechnet den gleichen Nachnamen wie Hondas wichtigste Aktie trägt, ist zwar kein Zufall, ist aus Sicht der Marketing-Abteilung aber wichtiger als für die Rennsport-Fraktion des Konzerns. Denn die will nur eines: Erfolge sehen. Als Rookie auf das wohl einsteigerunfreundlichste Motorrad zu steigen und dann auch noch den direkten Vergleich mit dem aktuell begnadetsten Motorradpiloten der Welt anzutreten, verlangt Mut. Hut ab vor dieser Entscheidung von Alex Marquez, der sich im kommenden Jahr beweisen müssen wird und wohl vor der härtesten Prüfung seines Lebens steht. Eines ist allerdings sicher: Seinen Platz in der Königsklasse hat sich der zweifache Weltmeister redlich verdient.

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