Die Zeiten der klassischen Reifenkriege zwischen Michelin und Bridgestone sind lange vorbei, seit 2009 beliefern entweder der eine oder der andere Hersteller die MotoGP exklusiv mit seinen Pneus. Dennoch findet sich nun Michelin, das seit dem Vorjahr in der Königsklasse am Ruder ist, in einem Reifenkrieg wieder. Der spielt sich nun aber auf einer ganz anderen Ebene ab. Anstatt maßgeschneiderte Gummis für einzelne Piloten zu bauen, ist man als Einheitslieferant dazu aufgerufen, gut funktionierende Reifen für möglichst viele Fahrer oder Maschinen zu bauen. Und genau da liegt die Krux.

Neues Michelin-Rezept schmeckt Rossi nicht

Michelin änderte für die Saison 2017 den Aufbau seiner Vorderreifen, setzt seither auf eine weichere Karkasse und sorgt für eine breitere Auflagefläche. Eine Charakteristik, die vor allem einem Piloten Probleme bereitet: Valentino Rossi. Der Altmeister führt seine Probleme in diesem Jahr größtenteils auf die Michelin-Front-Slicks zurück, die ihm durch die geringere Festigkeit im Aufbau Schwierigkeiten beim Anbremsen bereiten. Rossi forderte daher bereits bei den Wintertests eine Rückkehr zur alten Karkasse von Michelin, blitzte damit aber vorerst ab. Schließlich wurde der Superstar der MotoGP aber doch erhört, an diesem Wochenende in Argentinien hätte erstmals ein neuer Vorderreifen, der dem aus dem Vorjahr gleicht, zum Einsatz kommen sollen.

Valentino Rossi klagt schon das ganze Jahr über mangelnde Reifen-Performance in den Bremszonen, Foto: Yamaha
Valentino Rossi klagt schon das ganze Jahr über mangelnde Reifen-Performance in den Bremszonen, Foto: Yamaha

Die Betonung liegt aber auf 'hätte'. Zunächst verzögerte sich die Ankunft der im Eiltempo hergestellten Slicks auf den Qualifying-Samstag, beim traditionellen Meeting der Safety Commission am Freitagabend, zu dem neben der Rennleitung auch alle Piloten eingeladen sind, wurde der Einsatz der neuen Vorderreifen dann aber endgültig torpediert. Der offizielle Grund: Im Reglement für diese Saison ist festgeschrieben, dass Michelin an jedem Rennwochenende drei unterschiedlichen Vorder- und Hinterreifen zur Verfügung stellt - nicht mehr und nicht weniger. In Argentinien stehen aber bereits je drei Typen zur Auswahl, der neue Front-Slick wäre Nummer vier gewesen.

Safety Commission gegen neue Michelin-Reifen

"Wir haben in der Safety Commission gefragt, warum es diesen Reifen hier überhaupt gibt", verriet Marc Marquez am Samstag. "Niemand konnte uns eine Antwort geben. Auch die Rennleitung hatte keine Informationen dazu. Es macht auch keinen Sinn, mehr Reifen zu haben. Drei verschiedene Slicks vorne und hinten sind genug, sonst wird das Rennwochenende ja zu einem reinen Reifentest. Wir waren gestern rund 15 Piloten in der Safety Commission und alle waren sich einig."

Eine Aussage, die man Marquez durchaus glauben kann. Denn im Gegensatz zum amtierenden Weltmeister, der Stammgast in den Meetings der Safety Commission ist, war mit Valentino Rossi der größte Fürsprecher des neuen Reifen wie so oft nicht mit dabei. "Ich habe am Freitagabend noch lange mit dem Team gearbeitet und konnte daher nicht zum Meeting gehen", erklärte Rossi am Samstag. So hatte er keine Möglichkeit, für den von ihm gewünschten Reifen zu lobbyieren und musste den Beschluss hinnehmen. Druck, diesen Slick nicht verfügbar zu machen, soll vor allem von Honda gekommen sein. Denn das Modell, das zwar über eine härtere Karkasse aber eine weiche Gummimischung verfügt, scheint für Marquez und Co. nicht zu funktionieren. So fürchtet man, nicht nur gegen Yamaha-Überflieger Maverick Vinales sondern auch noch gegen Rossi ins Hintertreffen zu geraten.

Marquez und Honda hätten durch den neuen Reifen wohl an Boden verloren, Foto: Repsol
Marquez und Honda hätten durch den neuen Reifen wohl an Boden verloren, Foto: Repsol

In Argentinien bleibt es somit für den Rennsonntag bei der üblichen Reifenauswahl mit Soft, Medium und Hard für die Front und das Heck der Maschinen. "Es wäre interessant gewesen, den neuen Reifen zu testen. Jetzt müssen wir eben mit dem, was wir haben, weitermachen", nahm Rossi die Entscheidung zur Kenntnis. In Austin soll es aber einen zweiten Anlauf mit den neuen Reifen geben. Die letzte Schlacht im Reifenkrieg ist also noch lange nicht geschlagen.