Selten zuvor in der Geschichte dieses Sports beherrschten derart große Unbekannten die Gleichung der MotoGP. Michelin und Magneti Marelli heißen die Heilsbringer einer glorreichen Zukunft. Und mit der Ankunft der neuen Reifen und der neuen Software sind auch die Chancen groß, dass das bisher bestehende Kräfteverhältnis ordentlich durcheinander gewürfelt werden kann. Erste Indizien dafür lieferten die Wintertests, als eine Ducati-Armada in die Spitzengruppe stürmte, Maverick Vinales mit Traum-Zeiten schockte und Honda im Nirvana versank.

Die sechs Fahrer, die auf der Pressekonferenz zum Katar-GP am Mittwoch vertreten waren, sind sich einig: 2016 wird die MotoGP ausgeglichen wie noch nie sein. "Sieht so aus als würde die Saison spannend werden. Sie bringt Neuerungen im Fahren, Unterschiede bezüglich der ECU und der Reifen. Alles wird ein bisschen mehr basic", erklärt Valentino Rossi die grundsätzlichen Änderungen zur Vergangenheit. Teamkollege Jorge Lorenzo blickt dem skeptisch gegenüber: "Es ist viel schwerer zu fahren und zu kontrollieren", meint der amtierende Weltmeister.

MotoGP-Fahrer rätseln über Kräfteverhältnis in Katar

Doch in einem Punkt sind sich die Fahrer einig: Insgesamt rückt die MotoGP noch enger zusammen. Die Open-Klasse gehört der Vergangenheit an, alle starten unter den gleichen Voraussetzungen. Das heizt den Konkurrenzkampf im Feld zusätzlich an. "Alles wird anders, enger. Vor allem auf den Qualifying-Reifen wird alles enger und schwieriger", schätzt Marc Marquez die Lage ein, und fährt fort: "Während der Tests war es unglaublich, wie eng die Zeiten zusammenlagen. Ich denke, das wird auch im Katar-Rennen so sein."

Als Geheimfavoriten gelten beim Auftakt Ducati sowie Maverick Vinales auf der Suzuki GSX-RR. Beide Seiten weisen aber jeglichen Druck noch von sich. "Ein Sieg wird schwer für uns, aber das wird es für alle. Alle sind so stark", gibt Andrea Iannone zu bedenken. Maverick Vinales will sich mit einer vermeintlichen Favoriten-Stellung ebenfalls noch nicht anfreunden, auch wenn er schon von einem möglichen Stockerl-Platz spricht: "Das Podium ist das erste Ziel. Davon träume ich, mit den Top-Fahrern zu kämpfen. Trotzdem muss ich realistisch sein und sehen, auf welchem Level mein Bike und ich sind."

Marc Marquez könnte 2016 noch weiter nach hinten rutschen, Foto: Ducati
Marc Marquez könnte 2016 noch weiter nach hinten rutschen, Foto: Ducati

MotoGP-Regeländerungen versprechen noch mehr Spannung

Für das erste Rennen ist das Kräfteverhältnis also noch völlig unbekannt, doch wie sieht es langfristig gesehen aus? Bei Honda und Marquez jedenfalls schrillen die Alarmglocken: "In Argentinien und Austin sehen wir, wo wir stehen. Es sieht aus, als würde es die schwerste MotoGP-Saison werden", fürchtet der zweimalige MotoGP-Weltmeister. Und Andrea Iannone fühlt sich gar in seine Zeit in der mittleren Kategorie zurückversetzt: "Dieses Jahr ist es bisschen wie in der Moto2. Alles ist sehr eng und schnell. Auch die Satelliten-Fahrer."

Für Rossi keine schlechte Entwicklung. Er liebt bekanntlich den Wettbewerb und freut sich darauf, auch mit anderen Konkurrenten im Rennen fighten zu können: "Wir müssen die ersten Rennen abwarten, was die ECU und die Reifen bringen. Auf dem Papier bringt beides die Fahrer enger zusammen. Wenn das passiert, kann diese Saison besser werden als im letzten Jahr." Suzuki-Pilot Vinales pflichtet ihm bei: "Ich denke dasselbe wie Vale. Es könnte aber interessanter werden." Und damit den MotoGP-Fans noch größere Leckerbissen an den 18 Renn-Sonntagen 2016 bescheren.