Die Saison 2015 begann für Valentino Rossi so vielversprechend, um am Ende mit einem lauten Knall zu enden. Stand der Doktor noch bis zum Sieg im Chaos-Rennen von Silverstone jedes Mal auf dem Podium, ging es danach bergab. Der Strafpunkt in San Marino und natürlich der Sepang-Clash mit Marc Marquez kosteten Rossi die vielleicht letzte Chance auf den zehnten WM-Titel. Motorsport-Magazin.com hat sich die Saison des Doktors mit all ihren Höhen und Tiefen nochmal angeschaut.

Auftakt nach Maß

In Argentinien setzte sich Rossi knallhart gegen Marquez durch, Foto: motogp.com
In Argentinien setzte sich Rossi knallhart gegen Marquez durch, Foto: motogp.com

Ein guter Saisonstart ist für einen MotoGP-Piloten unglaublich viel wert. Das Selbstvertrauen wächst, Zweifel weichen, der Druck von außen sinkt. Eine Situation, wie sie sich jeder Fahrer erträumt. Genau in dieser fand sich Valentino Rossi nach dem Saisonauftakt in Katar wieder. In einem großartigen Duell gegen Andrea Dovizioso holte er sich den Sieg, seine größten Titelrivalen Jorge Lorenzo und Marc Marquez landeten nur auf den Rängen vier und sechs. Beflügelt von diesem Erfolg fuhr Rossi in Austin als Dritter gleich noch einmal auf das Podium, der Grand Prix von Argentinien komplettierte schließlich den fast perfekten Saisonstart Rossis. Er schlug Marquez in einem harten Duell. Der damalige Titelverteidiger stürzte nach einer Kollision mit Rossi, während der den Sieg einheimste. Erstmals zeigte sich so richtig, dass mit Rossi im Kampf um die Weltmeisterschaft zu rechnen sein wird.

Die Kunst des Verwaltens - Lektion eins

Bei den Europarennen sah Rossi Lorenzo nur von hinten, Foto: Monster
Bei den Europarennen sah Rossi Lorenzo nur von hinten, Foto: Monster

Nach dem Übersee-Triple zum Saisonstart kehrte die MotoGP nach Europa Anfang Mai nach Europa zurück. Es begannen die Wochen des Jorge Lorenzo, der in Jerez, Le Mans, Mugello und Barcelona vier Rennen in Serie gewann und sich im Titelkampf eindrucksvoll zurückmeldete. Doch Rossi blieb cool, tat was er konnte, wurde je zwei Mal Dritter beziehungsweise Zweiter und betrieb so Schadensbegrenzung. Mit immer noch einem Punkt Vorsprung in der Weltmeisterschaft grinste Rossi nach Lorenzos Siegesserie von der Spitze der Gesamtwertung und wartete geduldig auf seine nächste Chance, um zurückzuschlagen.

Zwischenspurt

In Assen schlug Rossi zurück - wieder im Duell mit Marquez, Foto: Repsol Honda
In Assen schlug Rossi zurück - wieder im Duell mit Marquez, Foto: Repsol Honda

Diese Gelegenheit für Rossi sollte nicht lange auf sich warten lassen. Zu einem Zeitpunkt, als dem Altmeister unterstellt wurde, er wäre im Qualifying zu schwach, um Lorenzo noch zu schlagen, strafte er mit der Pole Position in Assen alle seine Kritiker Lügen. Im Rennen ließ er Saisonsieg Nummer drei folgen, erneut nach einem knallharten Manöver gegen Marquez. Dieses Mal fiel die Entscheidung sogar erst in der letzten Kurve. Lorenzo wurde nur Dritter, Rossi baute seinen Vorsprung wieder aus und zwei Wochen später am Sachsenring war es erneut Rossi, der das teaminterne Duell bei Yamaha für sich entschied. Er wurde Dritter, Lorenzo nur Vierter. Von zwischenzeitlich nur einem Zähler war Rossis Polster wieder auf 13 Punkte angewachsen. So ging es in die Sommerpause.

Die Kunst des Verwaltens - Lektion zwei

Gegen Dani Pedrosa musste Rossi in Indianapolis um das Podium kämpfen, Foto: Milagro
Gegen Dani Pedrosa musste Rossi in Indianapolis um das Podium kämpfen, Foto: Milagro

Jorge Lorenzo kam wie von der Tarantel gestochen zurück aus der Sommerpause. In Indianapolis verpasst er den Sieg gegen Marquez nur hauchdünn, das Rennen in Brünn eine Woche später dominierte er eindrucksvoll. Rossi wurde zwei Mal Dritter, hatte in Sachen Renn-Pace seinem Teamkollegen aber absolut nichts entgegenzusetzen. Mit seinem Sieg in Brünn war Lorenzo in der Gesamtwertung mit Rossi gleichgezogen und hatte, aufgrund der höheren Anzahl an Siegen, zum ersten und schlussendlich auch einzigen Mal in diesem Jahr die WM-Führung übernommen. Zumindest einen Punkterückstand musste Rossi durch seine erneut praktizierte Hamstertaktik aber nicht hinnehmen.

Pakt mit dem Wettergott

Im Trockenen eigentlich chancenlos, ließ Rossi im Regen von Silverstone Marquez und Lorenzo eiskalt stehen, Foto: Milagro
Im Trockenen eigentlich chancenlos, ließ Rossi im Regen von Silverstone Marquez und Lorenzo eiskalt stehen, Foto: Milagro

Trotz seiner beeindruckenden Konstanz mit elf Podiumsplatzierungen in den ersten elf Rennen war klar, dass Rossi wieder Siege benötigen würde, um am Ende des Jahres MotoGP-Weltmeister zu werden. Doch wie sollte ihm das gegen den in Überform fahrenden Lorenzo gelingen? Nun, Rossi scheint anscheinend einen guten Draht nach oben zu haben, denn bei den nächsten beiden Rennen in Silverstone und Misano wurde Lorenzos einzig erkennbare Schwäche in diesem Jahr aufgedeckt - seine Performance bei schwierigen Wetterbedingungen.

Rossi siegte bei strömendem Regen in Silverstone, Lorenzo wurde nur Vierter. Rossi pokerte sich auf abtrocknender Strecke in Misano zu Rang vier, Lorenzo stürzte. In Aragon schien die Kommunikation zwischen Rossi und seinem meteorologischen Helfer kurz unterbrochen, bei Sonnenschein drehte Lorenzo mit seinem Sieg bei einem dritten Rang Rossis den Spieß um. Zwei Wochen darauf lief aber wieder alles für Rossi. In Motegi wurde erneut auf regennasser Strecke gestartet. Er wurde Zweiter vor Lorenzo. Von Punktegleichheit nach dem Tschechien-GP ausgehend hatte sich Rossi nach den drei nur durch Aragon unterbrochenen Chaosrennen wieder 18 Punkte Vorsprung erarbeitet.

Schlussspurt

Was folgte, war der Anfang vom Ende für Rossis WM-Chancen. In Motegi lief noch alles in geregelten Bahnen. Rossi wurde Zweiter hinter Überraschungs-Sieger Pedrosa, dahinter folgte Teamkollege Lorenzo und Marquez nur auf Position vier. Beim Rennen in Phillip Island eskalierte die Situation jedoch. Rossi machte dem noch amtierenden Weltmeister Marquez Vorwürfe, Lorenzo im Titelkampf zu unterstützen.

Marquez wehrte sich gegen diese Anschuldigungen erst verbal, im Rennen von Malaysia dann aktiv. Während Lorenzo keine Probleme hatte, an Marquez vorbeizuziehen, machte Marquez Rossi das Leben schwer, was schließlich in dem vieldiskutierten Sepang-Clash resultierte. Rossi verlor die Nerven in einem Krieg, den er selbst begonnen hatte. Die Rennleitung strafte den Doktor mit drei Punkten für unsicheres Fahren ab. Zusammen mit dem Strafpunkt aus San Marino bedeutete das für Rossi einen Start aus der letzten Reihe in Valencia.

Diese Strafversetzung und im übertragendem Sinne der Zwist mit Marquez war der Anfang vom Ende für Rossis Titelchancen. Sein Antrag auf Annullierung der Strafe vor dem Internationalen Sportgericht wurde abgewiesen. Damit war klar, dass Rossi Wunder vollbringen musste, um noch Chancen gegen Lorenzo zu haben.

Am Ende konnte sich Rossi nur über den Titel des Vize-Meisters freuen, Foto: Milagro
Am Ende konnte sich Rossi nur über den Titel des Vize-Meisters freuen, Foto: Milagro

Der letzte Kampf

Aus dem Wunder von Valencia wurde jedoch nichts. Zwar kämpfte sich Rossi in 20 Minuten an 20 anderen Piloten vorbei und war noch vor Ablauf der ersten Rennhälfte auf dem vierten Platz angekommen, für mehr reichte es jedoch nicht. Lorenzo führte von Anfang bis Ende vor Marquez und Pedrosa und gab die Führung nie ab. Rossis Rückstand auf Pedrosa lag bei über zehn Sekunden, ein Aufholen war nicht möglich. Die einzige Hoffnung des Doktors waren nun die beiden Spanier auf den Hondas.

Doch auch wenn Marquez unmittelbar hinter Lorenzo fuhr, startete der Spanier nicht ein Überholmanöver. Kein Interesse seitens Marquez, Rossi im Titelkampf auch noch entgegenzukommen? Gut möglich, aber nachweisen kann man dem nun ehemaligen Weltmeister natürlich nichts. Am Ende des Sonntags stand Lorenzo als Weltmeister ganz oben auf dem Siegertreppchen, Rossi musste ohne Titel in die Box. Ein bitteres Ende einer großartigen Saison des MotoGP-Superstars.