Zwei Ducatis in der ersten Startreihe beim Heimspiel, Jorge Lorenzo mit exzellenter Ausgangsposition von P2, Valentino Rossi auf "Lieblingsstartplatz" acht und Weltmeister Marc Marquez nur auf P13: Der Italien-GP in Mugello verspricht, ein denkwürdiges Rennen zu werden. Doch wer hat am Sonntag die besten Chancen auf den Sieg im Rossi- und Ducati-Land? Motorsport-Magazin.com hat sich durch Zeiten und Fakten des Wochenendes gewühlt und präsentiert die heißesten Anwärter:

Jorge Lorenzo: Auf dem Papier spricht wenig bis nichts gegen den Sieg-Hattrick des Yamaha-Superstars. Von P2 hat der Top-Starter relativ freie Bahn nach vorne, muss bei normalem Verlauf lediglich fürchten, hinter den beiden pfeilschnellen Ducatis durch die ersten Kurven zu fliegen. Lorenzos stärke im Rennen ist die kaum fassbare Konstanz an Top-Runden, die der Mallorquiner natürlich vor allem bei freier Fahrt im Stile eines Metronoms an der Spitze in den Asphalt brennt. Wie er zuletzt in Le Mans bewies, muss er den Start aber nicht gewinnen, um seine stärkste Waffe einsetzen zu können. Sollte sich Lorenzo in der Anfangsphase vor die Ducatis schieben können, dürfte die Hoffnung der Konkurrenz schnell auf ein Mindestmaß zusammenschrumpfen.

Jorge Lorenzo ist der Topfavorit auf den Sieg in Mugello, Foto: Tobias Linke
Jorge Lorenzo ist der Topfavorit auf den Sieg in Mugello, Foto: Tobias Linke

Lorenzo bewies über das gesamte Wochenende, dass er seine aktuelle Ausnahmeform problemlos gehalten hat. In Sachen Longruns war der WM-Zweite auch in den Freien Trainings in Mugello eine Klasse für sich (mittlere bis hohe 1:47er). Da die Yamaha YZR-M1 im Vergleich zum Vorjahr zudem deutlich reifenschonender agiert, scheint auch ein später Einbruch im Rennen ausgeschlossen. Einzig das Layout in Mugello könnte Lorenzo einen Strich durch die Rechnung machen: Auf der gefühlt unendlichen Gerade ist die Yamaha den Ducatis doch deutlich unterlegen. Auch die Bergauf-Passagen fordern eine Menge Motor-Leistung. Befindet sich Lorenzo länger im Clinch mit den Ducatis, könnte an der Spitze durchaus Spannung aufkommen. Dennoch ist Lorenzo klarer Favorit auf den Sieg.

Andrea Dovizioso: Mit Ausnahme von Jerez präsentierte sich der Italiener in Diensten Ducatis 2015 in der Form seines Lebens. Vier Podien in fünf Rennen sprechen eine mehr als deutliche Sprache. Beim "doppelten Heimspiel" für Pilot und Team sollte Dovizioso gar noch zulegen können. Mit Startplatz drei verfügt er definitiv über eine starke Ausgansposition, kann durch die enorme Beschleunigung seines Arbeitsgeräts zudem durchaus damit rechnen, früh mindestens an Lorenzo vorbeizugehen.

Mit Andrea Dovizioso darf im Kampf um den Sieg durchaus gerechnet werden, Foto: Tobias Linke
Mit Andrea Dovizioso darf im Kampf um den Sieg durchaus gerechnet werden, Foto: Tobias Linke

Dies wäre für Dovizioso enorm wichtig, da er am bisherigen Wochenende bei den Longruns im Durchschnitt rund 0,3-0,4 Sekunden hinter Lorenzo zurücklag. Vor allem auf der langen Geraden könnte Dovizioso von einer Führung gegenüber den Konkurrenten profitieren, da er diese dort stets ausbauen würde. Neben der Startphase wird für Dovizioso vor allem das Ende des Rennens entscheidend. Kann er sein Tempo und den Reifenabbau konstant halten, ist ein weiteres Top-Ergebnis mehr als nur wahrscheinlich. Stand jetzt ist Dovizioso im Kampf um den Sieg Lorenzos Rivale Nummer eins.

Valentino Rossi: Die Konkurrenz ist gewarnt. Valentino Rossi startet von Platz acht ins Rennen - wie auch bei seinen bisherigen Saisonsiegen in Katar und Termas de Rio Hondo. Rossi verfügt über das gleiche Material wie Lorenzo, schaffte es bislang jedoch noch nicht, ein Setup zu finden, dass ihm konstant starke Longruns auf Lorenzo-Niveau ermöglicht. Dass Rossi die entscheidenden Kniffe in der Regel zum Warm-Up oder allerspätestens zum Rennen aus dem Hut zaubert, ist mittlerweile bereits weit mehr als nur ein offenes Geheimnis.

Rossi kann und muss sich mit einem guten Start früh an und die Spitze fahren, um realistische Chancen auf den Sieg zu haben. Aber wo wäre das nächste Rossi-Wunder wahrscheinlicher, als beim Heimspiel vor abertausenden frenetischen Tifosi? Von 2002-2008 siegte der Doktor ununterbrochen in Mugello - und jede Durststrecke hat bekanntlich einmal ein Ende. Der Doktor ist am Sonntag mindestens Podest-Kandidat.

Marc Marquez: Direkte Qualifikation für Q2 verpasst, Sturz in FP4, Aus in Q1: Superstar Marc Marquez erlebte den wahrscheinlich schwärzesten Samstag seiner Karriere. Eine zu stark auf das Rennsetup ausgerichtete Herangehensweise ließ Marquez in letzter Sekunde noch aus den Top-10 der ersten drei Freien Trainings herausrutschen, ehe ein taktischer Fauxpas seines Teams ihm das Aus in Q1 bescherte. Im Glauben an eine sichere Qualifikation nach dem ersten Run blieb MM93 an der Box, um Reifen zu sparen - und wurde prompt von Yonny Hernandez auf P3 verdrängt.

Marc Marquez erlebte in Mugello einen Samstag zum Vergessen, Foto: Tobias Linke
Marc Marquez erlebte in Mugello einen Samstag zum Vergessen, Foto: Tobias Linke

Marquez wird das Rennen am Sonntag mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch angehen, muss von Startplatz 13 jedoch aufpassen, dass er sich den Arbeitstag nicht schon früh mit einer ungestümen Aktion ruiniert. Bereits in Katar kostete Marquez ein Fehler in der Startphase ein gutes Rennergebnis. Sollte sich der zweifache MotoGP-Weltmeister mit einem Top-Start jedoch früh in die Spitzengruppe katapultieren, scheint noch einiges möglich. Die Unterlegenheit auf eine schnelle Runde ist im Rennen hinfällig - MM93 war am bisherigen Wochenende mindestens die Nummer drei auf die Distanz. In Sachen Zweikampfführung und Wettkampfhärte macht Marquez ohnehin niemand etwas vor.

Ein gutes Resultat oder Podium sind für Marquez trotz massiven Handicaps alles andere als ausgeschlossen. Und wie besagt eine vielzitierte Sportweisheit: Unterschätze nie das Herz eines Champions...

Die Fraktion der Angeschlagenen: Ducati-Pilot Andrea Iannone wird den Mugello-Samstag gewiss niemals vergessen. Vor Freunden, Familie und abertausenden Fans beim Heimspiel stellte er mit 350,8 zuerst den Geschwindigkeitsrekord der MotoGP-Geschichte auf, sicherte sich anschließend seine erste Pole-Position. Iannone hat dennoch zwei große Sorgen: Zum ersten seine nach wie vor lädierte Schulter, die dem Italiener massive Schmerzen bereitet und ihn vor allem auf die Renndistanz letztlich doch einbremsen könnte. Andererseits hängt "Maniac Joe" der knallharten Konkurrenz an der Spitze im Renntrimm ohnehin stets hinterher. Trotz vieler starker Qualifyings und Anfangs-Phasen in Grands Prix' steht für den Ducati-Neuzugang nach wie vor nur der dritte Podestplatz aus Katar an Edelmetall zu buche.

Was kann Pole-Setter Andrea Iannone im Rennen ausrichten?, Foto: Ducati
Was kann Pole-Setter Andrea Iannone im Rennen ausrichten?, Foto: Ducati

Dani Pedrosa kommt nach seiner Rückkehr immer besser in Fahrt, unterbot in Mugello mit einer Traumrunde seinen eigenen Streckenrekord aus dem Jahr 2013. Aufgrund des unglaublichen Tempos in der Spitzengruppe startet der kleine Katalane dennoch lediglich von Rang sieben. Ein gutes Ergebnis wird für Pedrosa maßgeblich von zwei Dingen abhängen. Ein starker Start und schneller Anschluss an die Spitzengruppe sind unabdingbar. Zudem muss der Repsol-Honda-Pilot hoffen, dass sein operierter Arm sowie seine Fitness konstant hohes Tempo über die 23 Runden zulassen....

Die Tipps der Redaktion:

Samy Abdel Aal: Für mich gibt es kaum Zweifel, dass Jorge Lorenzo am Sonntag den Hattrick klar macht und nach Jerez und Le Mans auch in Mugello triumphiert. Ich halte sogar eine weitere Solo-Fahrt für durchaus denkbar, sollte sich Lorenzo früh an die Spitze setzen können. Andrea Dovizioso hat mich bislang mehr als nur überzeugt, weswegen ich ihm Platz zwei absolut zutraue. Der letzte Podestplatz wird meiner Meinung nach zwischen Valentino Rossi und Marc Marquez entschieden. Für mehr Spannung in der WM wünsche ich mir hier ein Podium des Weltmeisters.

Samys Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Dovizioso, 3. Marquez

Tobias Ebner: Ja, ich glaube an einen Ducati-Sieg morgen! Die Roten werden alles in die Waagschale werfen und alles in ihrer Macht stehende tun, um das Heimrennen siegreich zu beenden. Ebenso wird Rossi darauf erpicht sein, seinen Fans das bestmögliche Resultat zu schenken. Und der Doktor legt im Rennen bekanntermaßen immer noch eine Schippe drauf. Zusammen mit einem Jorge Lorenzo in bärenstarker Form dürfen wir uns auf einen tollen Dreikampf um den Sieg gefasst machen.

Tobias' Top-3-Tipp: 1. Dovizioso, 2. Lorenzo, 3. Rossi

Annika Kläsener: Aller guten Dinge sind drei! Und daher gelingt es dem Doktor ein drittes Mal in dieser Saison, von Startplatz acht zum Sieg zu fahren. Egal ob Katar oder Argentinien - Hauptsache Italien! Die Tifosi werden sich nicht mehr halten können, weil außerdem Andrea Iannone aufs Podest fährt. Jorge Lorenzo sorgt dafür, dass nicht nur italienische Flaggen über dem Podest wehen.

Annikas Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Lorenzo, 3. Iannone

Chris Lugert: Ducati startet von 1 und 3, doch Jorge Lorenzo ist im Rennen ein Tier. Wenn ihm ein guter Start gelingt, wird er seine Rennintelligenz einsetzen und warten, bis bei Ducati entweder die Reifen eingehen oder sie aufgrund vo Spritmangel langsam machen müssen. Lorenzo gewinnt das Rennen, doch da Rossi, Marquez und Pedrosa relativ weit hinten sind, werden die beiden Ducati-Werksfahrer problemlos auf das Podium fahren. Am Ende setzt sich Iannone gegen Dovizioso durch.

Chris' Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Iannone, 3. Dovizioso

Marion Rott: Ganz einfach: Marquez macht das Ding! Er hat eine derartige Wut im Bauch, dass er sich bis ganz nach vorne durchkämpft. Jorge Lorenzo wird Zweiter und Andrea Dovizioso holt sich einen Podestplatz. Ausgerechnet bei seinem Heimrennen schafft es Valentino Rossi erstmals nicht aufs Podest.

Marions Top-3-Tipp: 1. Marquez, 2. Lorenzo, 3. Dovizioso

Heiko Stritzke: Die Tests für Ducati zahlen sich aus. Andrea Dovizioso ist in der Lage, das Tempo von Lorenzo diesmal das ganze Rennen zu gehen. Von hinten kommt Rossi, doch der Rekordweltmeister verbaut sich einen möglichen Sieg wiedermal durch ein schlechtes Qualifying. Iannone ist noch nicht ganz fit.

Heikos Top-3-Tipp: 1. Dovizioso 2. Lorenzo 3. Rossi

Markus Zörweg: Jorge Lorenzo komplettiert in Mugello nach den Siegen in Jerez und Le Mans seinen Hattrick. Über die gesamte Renndistanz können die Ducatis nicht mithalten, Andrea Dovizioso wird aber guter Zweiter. Valentino Rossi verliert in der Startphase viel Zeit, schafft dennoch als Dritter den Sprung auf das Podium, weil Andrea Iannone in der Schlussphase abbaut und Honda mit Marc Marquez und Dani Pedrosa die Fahrbarkeit ihrer Maschine nicht verbessern können.

Markus' Top-3-Tipp: 1. Lorenzo, 2. Dovizioso, 3. Rossi