2017 musste er sich nur Lando Norris in der Formel-3-Europameisterschaft geschlagen geben, 2018 und 2019 startete er in der DTM für BMW und fuhr einen Sieg ein - doch dann ging es erst einmal bergab: Joel Eriksson hat in seiner noch jungen Karriere schon einige Höhe- und Tiefpunkte erlebt.
Nach einer Karriere-Achterbahnfahrt samt der Corona-Pandemie hat sich der heute 25-Jährige berappelt und zurückgemeldet: Eriksson zählte 2023 als Test- und Ersatzfahrer zum Jaguar-Werksteam in der Formel E und konnte bei wenigen Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife direkt mit Gesamtsiegen überzeugen.
Das Jahr 2024 beginnt schon einmal verheißungsvoll: Eriksson gibt sein Debüt beim berühmten 12-Stunden-Rennen von Bathurst in Australien. In 'Down Under' teilt sich der Schwede einen Porsche 911 GT3 R mit Porsche-Supercup-Champion Bastian Buus und dem Neuseeländer Jaxon Evans. Das neugegründete Team Phantom Global Racing erhält dabei technische Unterstützung vom Team 75 des früheren Le-Mans-Siegers und WEC-Weltmeisters Timo Bernhard.
Warum es zu einer Wiedervereinigung zwischen Eriksson und Porsche-Ikone Bernhard kommt, wie er die harte Zeit nach dem BMW-Aus erlebt hat und wie er heute auf frühere Gegner a la Lando Norris, George Russell und Co. blickt, erzählt Eriksson jetzt im Interview mit Motorsport-Magazin.com.
Joel, du warst als offizieller Test- und Ersatzfahrer des Formel-E-Teams von Jaguar an der Strecke im Einsatz und bist einige GT3-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife gefahren. Wie fällt dein Fazit zur Saison 2023 aus?
Joel Eriksson: Die abgelaufene Saison war faktisch die erste richtige für mich nach der Corona-Pandemie und nachdem ich BMW Motorsport verlassen hatte. Nachdem ich ja schon ein professioneller Rennfahrer war, war es schwierig für mich, während Covid und ohne den Support eines Herstellers ein Cockpit zu finden. Zu Jaguar bestand schon seit geraumer Zeit Kontakt, 2020 führten wir erstmals Gespräche. Über den Job als Test- und Ersatzfahrer war ich sehr happy, weil Jaguar zu den größten und erfolgreichsten Teams in der Formel E zählt. Für mich war das ein Traum, weil ich eine Weile mit dem Rennfahren pausieren musste und auch kein Geld hatte, um mich irgendwo in ein Cockpit einzukaufen. Die Formel E hatte ich seit ihrem Beginn auf dem Schirm. Ich hoffe, dass ich 2024 weiter mit Jaguar zusammenarbeiten kann.
2021 bist du bereits einige Rennen in der Formel E für das damalige Team Dragon Racing als Ersatzmann für Nico Müller gefahren. War es nicht möglich, für 2024 ein Einsatzcockpit zu bekommen?
Joel Eriksson: Es gab Gespräche mit mehreren Teams, aber es ergab sich leider keine Möglichkeit. In der Formel E ist es sehr schwierig, einen Platz im Feld mit all diesen Fahrern zu bekommen, die dort schon seit vielen Jahren am Start sind. Es kommen wenige neue Fahrer hinzu, eher gibt es Wechsel innerhalb der Teams.
Stimmt, nur Maserati hat mit Jehan Daruvala einen Rookie verpflichtet. Warum gibt es seit Jahren nur wenige Fahrer, die aus anderen Serien in die Formel E kommen?
Joel Eriksson: Die Erfahrung spielt eine so große Rolle. Ich hatte noch keine Chance, mich in der Formel E richtig beweisen zu können. Ja, ich bin 2021 an vier Rennwochenenden für Dragon gefahren. Aber ich hatte vor dem ersten Rennen nur einen einzigen Testtag und bin mitten in der Saison eingesprungen. Ich bin sehr happy über diese Gelegenheit, aber es war nicht einfach, auf Anhieb alles umzusetzen. Vor allem das Qualifying mit dem damaligen Format und nur einer einzigen schnellen Runde war ohne jegliche Erfahrung verdammt hart. In den Rennen waren die Pace und das Energiemanagement dann wirklich gut bei mir, und ich habe ja auch einen Punkt eingefahren. Andere Teams sagten mir später, dass meine Performance gut war. Das half mir auch, einen Platz bei Jaguar zu bekommen. Mein Ziel wäre natürlich, eines Tages für Jaguar Rennen zu fahren und mich beweisen zu können. Ich glaube weiterhin, dass ich in Formelautos meine beste Performance zeigen kann.
2022 bist du erstmals in der Nürburgring Langstrecken-Serie an den Start gegangen und hast mit Falken-Porsche auf Anhieb zwei Rennen gewonnen. Dieses Jahr hast du mit dem Falken-Team den zehnten Gesamtplatz beim 24h-Rennen Nürburgring erzielt. Hast du Gefallen gefunden an der Nordschleife?
Joel Eriksson: Ich bin noch relativ neu auf der Nordschleife, und es gibt vieles zu lernen. Ich denke, dass ich eine ziemlich steile Lernkurve hatte und mich schnell an das Racing gewöhnen konnte. Ich bin insgesamt sechs Rennen gefahren und habe drei davon gewonnen, das ist schon gut. Natürlich gehörte eine Portion Glück dazu, aber mir sind auch zwei schnellste Rennrunden gelungen. Die Pace ist gut, ich brauche nur noch etwas mehr Rennerfahrung. Die Arbeit mit Falken lief sehr gut, es fühlte sich wie in einer Familie an. Das erinnerte mich an meine Zeiten im Formelsport, wo ich sowohl in der Formel 4 als auch in der Formel 3 für das Team Motopark an den Start gegangen bin. Ich würde auch 2024 gerne GT3-Rennen fahren, aber das ist ein hart umkämpfter Markt, weil es so viele und auch viele gute Fahrer gibt.
Szenekenner und Fans fragen sich noch heute, warum es nach deinen beiden DTM-Jahren 2018 und 2019 sowie einem Sieg in Misano für dich nicht bei BMW als Werksfahrer weiterging. Hast du eine Antwort darauf?
Joel Eriksson: Die Frage habe ich mir auch gestellt. Das war eine so komische Zeit und hart für mich. 2015 wurde ich Vizemeister in der ADAC Formel 4, stieg dann in die Formel-3-Europameisterschaft auf und wurde auf Anhieb bester Rookie sowie Fünfter in der Meisterschaft. 2017 habe ich dann gegen Lando Norris um den Titel gekämpft. Danach kam BMW auf mich zu und wollte mich gern in der DTM haben. Damals hätte ich auch in die Formel 2 wechseln können, aber der Werksvertrag bei BMW war eine tolle Gelegenheit, auf sehr professionellem Level zu arbeiten und fürs Rennfahren bezahlt zu werden. In der Formel 2 wäre es vielleicht nicht gut gelaufen, und ich wäre völlig vom Radar verschwunden. Dieses Risiko wollten wir auch wegen der finanziellen Lage nicht eingehen. Und die DTM war immer ein Traum für mich, mit all diesen großen Namen wie Mattias Ekström, der zu meinen Vorbildern zählte.
Mit BMW bist du in 37 DTM-Rennen dreimal aufs Podest gefahren. Warst du mit deiner eigenen Leistung zufrieden?
Joel Eriksson: Es lief in den zwei Jahren nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Dafür gab es unterschiedliche Gründe. Damals war ich noch ziemlich jung und kam in eine für mich völlig neue Welt. Es fiel mir damals nicht leicht, mein Mindset zu ändern. Bei meinem ersten Test im DTM-Auto Ende 2017 war ich direkt schnell, aber zur nächsten Saison gab es einige Änderungen wie reduzierte Downforce. Dadurch fühlte sich das Auto etwas anders an und nicht mehr so stark wie ein F3-Auto, das ich ja kannte. 2019, als die neuen Turbo-Autos kamen, ging bei mir dann wirklich alles daneben. In den Rennen gingen ein paar Motoren hoch, und im Qualifying hatte ich mehrfach Probleme mit der Benzinpumpe. Das war niemandes Schuld, es war einfach ein neues Auto, und bei BMW taten sich alle schwer.
2020 warst nicht mehr in der DTM dabei...
Joel Eriksson: Im Motorsport kann es ziemlich schnell gehen. Wenn du zwei nicht so gute Jahre hast, bist du nicht mehr so gefragt. Das ist die Realität. Was du davor erreicht hast, spielt dann keine große Rolle mehr, und es wird echt schwierig. 2020 bin ich im GT Masters für Schubert Motorsport gefahren, aber mit dem M6 GT3 fiel es allen schwer. Im Jahr danach gab es weniger Plätze bei BMW, und mein Vertrag lief aus. Die konnten mir kein Cockpit mehr geben, und warum hätten sie mich dann weiterverpflichten sollen? Das war das Ende bei BMW.
Im DTM-Starterfeld 2018 warst du mit 19 Jahren der jüngste Fahrer und mitten in deiner Entwicklung. Hast du das Gefühl, inzwischen auch menschlich gereift zu sein?
Joel Eriksson: Ja, auf jeden Fall. Vor allem nach dem Ende bei BMW und der Pandemie. Ich habe gelernt, mehr Verantwortung für mich zu übernehmen. Ich musste alles selbst machen, konnte mir keinen Manager leisten. Wenn ich heute auf diese Zeit zurückblicke, war das eigentlich gut, weil ich sehr viel gelernt habe. Vor allem, dass ich nichts als selbstverständlich ansehen darf. Schau, damals, als ich großen Erfolg in der Formel 3 hatte, es viele Anfragen gab und BMW ankam, dachte ich als junger Mensch, dass es halt einfach so von selbst läuft. Dass es auch ganz anders sein kann, fand ich später heraus und bin dadurch als Mensch gewachsen.
Was kam dann?
Joel Eriksson: Dann kam Timo Bernhard. Ich würde sogar sagen, dass Timo mich damals gerettet hat. Ich habe ihn 2018 beim Race of Champions kennengelernt, und irgendwie passte die Chemie auf Anhieb. Wir haben damals Nummern ausgetauscht, hatten zunächst aber keinen weiteren Kontakt. 2021 klingelte dann plötzlich mein Telefon, und als ich Timos Namen auf dem Display sah, dachte ich: "Was zur Hölle?!" Er sagte, dass er mich gerne im GT Masters für die restlichen Saisonrennen als Fahrer hätte, weil ihm ein Fahrer weggebrochen war. Das nahm ich sehr gerne an und das hat mich ins Spiel zurückgebracht. Er half mir später auch bei Gesprächen mit Falken. Ich kann mich bei Timo einfach nur bedanken. Er ist kein Manager, hat kein Geld genommen, sondern ist einfach ein Mensch, der jemandem wie mir helfen wollte. Ein toller Kerl!
In der Formel 3 bist du damals gegen Fahrer wie Mick Schumacher, Lando Norris, Lance Stroll, Guanyu Zhou, Nikita Mazepin oder den heutigen Formel-E-Weltmeister Jake Dennis angetreten. Frustriert es dich rückblickend, dass dir nicht der Sprung in die Formel 1 oder eine andere FIA-WM gelungen ist?
Joel Eriksson: Ach, irgendwann wird man erwachsen. Als ich jünger war, habe ich mich natürlich mit anderen Fahrern verglichen. Bevor ich ins Bett ging, habe ich früher immer auf Social Media gesehen, welcher dieser Jungs jetzt wieder einen Platz in einem Formel-1-Nachwuchsteam ergattert hat. Natürlich war das hart, vor allem in den zwei Jahren in der Formel 3, als ich gegen Russell, Norris, Schumacher, Zhou, Günther, Sette Camara und so weiter gefahren bin. Ich habe aber meinen eigenen Pfad gewählt und ging zu BMW, womit ich auf eine gewisse Weise den Formel-1-Traum aufgegeben habe. Aber nicht, weil ich Angst hatte, es nicht zu schaffen, sondern weil das einfach ein tolles Angebot von BMW war, das nur wenige Rennfahrer erhalten. Diese Entscheidung habe ich auch niemals bereut. Ich würde nicht sagen, dass ich damals besser oder schlechter war als Norris oder Russell, aber wir waren auf einem vergleichbaren Level. Der Titelkampf gegen Lando 2017 werde ich niemals vergessen, das Racing war fantastisch und fair. Lando war super hart zu knacken und echt clever - ich aber auch.
Was macht eigentlich dein älterer Bruder Jimmy, der 2016 in der GP2-Serie fuhr, dann in den GT3-Sport gewechselt ist und 2020 im GT Masters seine bislang letzten Rennen fuhr?
Joel Eriksson: Er hat jetzt zwei Kinder und ist damit gut beschäftigt! 2020 bin ich im GT Masters gegen ihn angetreten, womit ein kleiner Traum für uns wahr wurde. Aber Jimmy war immer auf das Geld von Sponsoren angewiesen und konnte leider keine professionelle Karriere einschlagen. Er hat wirklich viel Mist erlebt. In der Formel 3 hat er 2012 den Titel gewonnen gegen Fahrer wie Lucas Auer, fuhr dann in der GP3 und GP2. Rückblickend ist er dem Traum von der Formel 1 zu lange nachgejagt. Wir haben viel Zeit und Geld investiert, um ihn in die F1 zu bringen. Dabei hätten wir ihn zwei Jahre früher in ein GT-Auto oder sowas stecken sollen, bei einem guten Team. Dort hätte er garantiert auf dem Level von Werksfahrern performt. Am Ende war es Jimmy, der mir gezeigt hat, wie man ein Rennauto schnell fährt. Wir waren immer mindestens auf dem gleichen Level. Nach Corona hat er leider Sponsoren verloren und konnte nicht weiterfahren. Das ist wirklich schade, weil er eine gute Vita hat. Dieses Jahr hätte er in der Schwedischen Tourenwagen-Meisterschaft fahren sollen, doch leider wurden die neuen Elektro-Autos nicht rechtzeitig fertig.
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