Für Insider nicht ganz unerwartet, zieht sich das Team75 Bernhard des zweimaligen Langstrecken-Weltmeisters Timo Bernhard nach zwei Jahren aus der DTM zurück!

Nach Gerüchten um einen möglichen Rückzug aus der Traditions-Rennserie hat der zweimalige Langstrecken-Weltmeister und Le-Mans-Gesamtsieger Timo Bernhard diese Entscheidung in einer Pressemitteilung nun auch offiziell bestätigt.

"Die DTM war für unser familiär aufgestelltes Team ein immenser Schritt. Auch für mich selbst hat es ein maximales Engagement bedeutet", begründet Bernhard die Entscheidung. "Die richtige Balance zwischen der Leitung des Teams und meinen Aufgaben als Porsche-Markenbotschafter zu finden, hat eine große Herausforderung dargestellt. Dabei ist mir meine Verantwortung dem Team und den Menschen gegenüber sehr wichtig."

Bernhard: Notwendiges Budget nicht darstellbar

Zudem ließe sich das notwendige Budget derzeit nicht darstellen, "um meinen hohen Anspruch an das DTM-Projekt zu erfüllen", erklärte der 42-Jährige seine Entscheidung, "die uns schwerfällt." Wie Motorsport-Magazin.com nach eigenen Recherchen feststellen muss, steht auch für noch weitere Teams längst nicht fest, ob sie sich den ohne Zweifel kostspieligen Einsatz in der DTM 2024 finanziell noch leisten können.

Branchen-Experten wie beispielsweise der frühere Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug hatten schon vor dem Saisonfinale in Hockenheim den warnenden Finger gehoben und davon gesprochen, dass die Kosten in einigen Bereichen reduziert werden müssten, um den Fortbestand der DTM mit Kundenteams nicht zu gefährden. Bernhard hatte vor der offiziellen Verkündung auch seinen aktuellen Arbeitgeber über seine Entscheidung informiert.

"Die DTM bleibt für Porsche Motorsport weiterhin ein Kundensport-Engagement. Wir stellen einen Teile- und Technik-Support zur Verfügung, setzen teilweise unsere Fahrer ein und unterstützen beratend mit eigenen Ingenieuren vor Ort", betonte ein Porsche-Sprecher auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com, wie die drei DTM-Teams, neben dem Team75 Bernhard noch Manthey Racing und Toksport WRT, vom Sportwagenbauer aus Stuttgart unterstützt werden.

In geringerem Umfang würde man den Einsatzmannschaften auch finanziell helfen. "Dabei erhalten alle Teams innerhalb einer Rennserie die ähnliche Unterstützung. Für die Gestaltung einer erfolgreichen Teilnahme bleiben aber ganz klar die Teams verantwortlich." Zudem, und das ist wohl auch ein Grund für den Bernhard-Rückzug, betonte der Porsche-Sprecher, "dass einige Hersteller im Kundensport anders vorgehen, wissen wir. Es entspricht aber nicht unserem Verständnis von Kundensport."

Genau diese wichtige Feststellung ist einer der Knackpunkte, die aktuell in der DTM diskutiert werden. Wenn man sich beispielsweise anschaut, mit welch großem Aufwand das Lamborghini-Team SSR Performance agiert, muss man feststellen, dass es sich dabei um einen reinen Werkseinsatz handelt, was weder vom Münchner Team noch von Volkswagen-Tochter Lamborghini selbst bestritten wird.

Andreas Roos: Zu wenig Unterstützung von BMW

Auch Andreas Roos, Leiter BMW M Motorsport, hat sich am Rande des DTM-Finales in Hockenheim in einem Gespräch mit Motorsport-Magazin.com klar positioniert und dabei festgestellt, dass das BMW-M-Engagement in der DTM kein Werks- sondern Kundensport ist!

Der Spagat zwischen Arm und Reich in der DTM ist inzwischen sehr groß und sorgt für sorgenvolle Blicke in die Zukunft – auch vom neuen DTM-Promotor ADAC, dem diese Entwicklung ebenfalls ein Dorn im Auge ist. So wird derzeit in der Münchener Zentrale fieberhaft daran gearbeitet, die Kosten in einigen Bereichen zu reduzieren, was nicht einfach, aber machbar ist.

Das Team75 Bernhard, das am 17.12.2021 seinen Einstieg in die DTM offiziell verkündet hat, feierte in seinen bisherigen 31 DTM-Rennen zwei Siege 2022 mit Thomas Preining in Nürnberg, dem ersten Porsche-Triumph in der DTM überhaupt, und in Spielberg sowie je zwei Podiumsplätze mit Preining und zudem noch in der abgelaufenen Saison mit DTM-Neuling Laurin Heinrich.

Mit Porsche-Werksfahrer Thomas Preining hatte Bernhard im vergangenen Jahr den Nachteil, nur einen Fahrer in seinem Team aus dem pfälzischen Landstuhl an den Start bringen zu können. Trotzdem wäre für den Österreicher am Saisonende mehr als Gesamtrang fünf hinter Sheldon van der Linde (BMW), Lucas Auer (Mercedes-AMG), Rene Rast (Audi) und Mirko Bortolotti (Lamborghini) möglich gewesen. Denn in sechs Rennen kam Preining nicht in die Wertung und beim Finalrennen in Hockenheim konnte er wegen eines Unfalls im vorletzten Lauf erst gar nicht an den Start gehen. Dass Preining in diesem Jahr zur Porsche-Konkurrenz von DTM-Neueinsteiger Manthey Racing wechseln durfte, ist für Timo Bernhard wohl auch eine Entscheidung gewesen, die ihm so alles andere als gefallen haben dürfte.

Nach der Saison ist vor der Saison: Das Team75 Motorsport hat die Weichen für die Zukunft bereits gestellt und richtet sich demnach neu aus. Als Teambesitzer hält Timo Bernhard weiterhin die Fäden in der Hand. Auch künftig steht ihm dabei seine Schwester Jennifer Leising zur Seite. Sie war bereits als Teammanagerin in der DTM ständig vor Ort und wird fortan stärker die Aufgaben einer Teamchefin wahrnehmen, um ihren Bruder maßgeblich zu unterstützen.

Das Team75 Motorsport engagiert sich fortan in den Porsche-Markenpokalen mit dem 911 GT3 Cup sowie in weiteren Kundensportbereichen wie zum Beispiel dem Porsche Sports Cup für ambitionierte Amateurpiloten. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf einer noch intensiveren Nachwuchsförderung, etwa im Kartsport.

DTM-Rückkehr von Team 75 nicht ausgeschlossen

"Wir werden unser Know-how und unsere Erfahrungen mit dem Porsche 911 GT3 R aus der DTM dem neuformierten Porsche-Team Phantom Global Racing in der GT World Challenge Asia zur Verfügung stellen und es mit Rat und Tat unterstützen", verweist Bernhard auf geplante Kooperationen und Partnerschaften, die auch den personellen Bereich einschließen. "Wir orientieren uns neu, doch das Team75 bleibt weiter im Motorsport aktiv." Zudem würde man selbstverständlich "auch die DTM weiter aufmerksam verfolgen". Eine mögliche Rückkehr ist damit also ausdrücklich auch nicht ausgeschlossen…

Porsche-Ikone Timo Bernhard, der Ende 2019 seine Karriere als Profi-Rennfahrer beendet hatte, blickt auf 20 Jahre im Porsche-Werksfahrerkader zurück und ist heute Markenbotschafter. Er blickt auf großartige Erfolge mit seinem langjährigen Arbeitgeber zurück. Bernhard ist einer der ganz wenigen Porsche-Piloten, die in allen Kategorien, die die Zuffenhausener anbieten konnten, Titel geholt haben: im Carrera Cup, im GT-Sport, in den Prototypen-Klassen LMP1 und LMP2 sowie bei nationalen und internationalen Langstreckenrennen.

Krönung seiner Porsche-Karriere waren die beiden Titel in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) 2015 und 2017 sowie der Le-Mans-Gesamtsieg 2017. Mit Audi hatte Bernhard in Le Mans bereits 2010 gewonnen. Motorsportgeschichte schrieb er zudem 2018, als er mit dem Porsche 919 Hybrid Evo auf der Nürburgring-Nordschleife mit 5:19.6 Minuten eine Fabelzeit in den Asphalt brannte.

Timo Bernhard gehört zu den ganz wenigen Rennfahrern auf der Welt, die bei den berühmten 24-Stunden-Rennen in Daytona, Le Mans und auf dem Nürburgring Gesamtsiege gefeiert haben. Zudem sind der Saarländer und Porsche-Teamkollege Marcel Tiemann die einzigen Piloten auf dem legendären Eifelkurs, die vier Gesamtsiege in Folge (2006/2007/2008/2009) sowie fünf insgesamt (Rekord) gefeiert haben. 2019 wurde Bernhard zudem in die FIA Hall of Fame aufgenommen.