Das zweite Saisonrennen der IMSA-Serie beim 'Super Sebring' an diesem Wochenende wird im Vorfeld überschattet vom skandalösen Manipulations-Betrug des Acura-Teams Meyer Shank Racing, das vor sechs Wochen den Saisonauftakt bei den 24 Stunden von Daytona gewonnen hat - und trotz eines nachgewiesenen Datenbetrugs den Sieg behalten darf.
Warum das Team nicht nachträglich vom wichtigsten IMSA-Rennen des Jahres ausgeschlossen wurde, fragen sich Motorsport-Fans aus aller Welt. Vor genau einer Woche wurde Meyer Shank Racings Manipulation der Reifendruck-Daten, die den seit 2022 vorgeschriebenen Mindestdruck betreffen, öffentlich. Ausgerechnet Fahrzeug-Partner Honda Performance Development (HPD) hatte den Betrug nach einer eingehenden Analyse gemeldet.
Ingenieur rausgeworfen: Nur ein Bauernopfer?
Laut dem Sportlichen Reglement der IMSA wäre eine Disqualifikation durchaus möglich gewesen. Die US-Rennserie beließ es jedoch bei einem Punktabzug, einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 Dollar, dem Abzug des Preisgeldes und einer Suspendierung von Teamchef Mike Shank (auf Zeit) sowie Ingenieur Ryan McCarthy.
Dass nur jener McCarthy von IMSA suspendiert und vom Team rausgeworfen wurde, wird in der Szene als klassischer Fall von 'Bauernopfer' erachtet. Kaum denkbar, dass nur eine einzige Person im gesamten Team der Daytona-Sieger von 2012, 2022 und 2023 von der Manipulation der Reifendaten während des Rennens wusste.
Seit wann hat Meyer Shank Racing betrogen?
Mussten nicht auch die Reifen-Mechaniker, Fahrer und Teamverantwortlichen angesichts der vielen Reifenwechsel während des 24-Stunden-Rennens Bescheid gewusst haben? Schließlich wirkt sich der jeweilige Reifendruck nicht nur auf das Fahrverhalten, sondern auch auf das Setup des Fahrzeuges aus. US-Medien wie die Auto Week fragen zudem, ob Meyer Shank Racing, IMSA-Champion von 2022, nicht schon vor Daytona die Reifendrücke manipuliert haben könnte...
Wie genau sich der Betrug beim Reifendruck auf die Renn-Performance auswirkte, darüber schweigen sich alle Beteiligten nach der Datenauswertung aus. Der #60 Acura von Meyer Shank Racing (Blomqvist/Braun/Castroneves/Pagenaud) siegte nach 783 Runden knapp mit 4,1 Sekunden Vorsprung vor dem #10 Acura von Wayne Taylor Racing (Taylor/Albuquerque/Deletraz/Hartley), war während des Rennverlaufs aber durchweg das stärkste Auto im Feld der LMDh-Wagen von Acura, Cadillac, Porsche und BMW.
US-Racing: Lieber nachträgliche Strafen als Disqualifikation
Im US-amerikanischen Motorsport gilt es seit Jahren als verpönt, Rennsieger nachträglich zu disqualifizieren bzw. die Rennergebnisse zu ändern. Lieber verteilen Serien wie die NASCAR oder IMSA im Nachgang Geldstrafen oder Punktabzüge. 'Win on Sunday, sell on Monday' bleibt ein heiliges Motto in Amerika, Fans sollen durch nachträgliche Ergebnisänderungen nicht abgeschreckt werden.
Ganz aktuelles Beispiel in der NASCAR: Vier Autos von Hendrick Motorsport wurden an diesem Mittwoch nachträglich mit Punktabzügen und die jeweiligen Crew Chiefs mit 100.000-Dollar-Strafen sowie Suspendierungen auf Zeit bestraft, weil die NASCAR vor einer Woche beim Training zum Rennwochenende in Phoenix illegale Lüftungsgitter auf den Motorhauben der Autos entdeckt und konfisziert hatte. Anstelle eines sofortigen Ausschlusses durften die Autos nach einem Austausch der Teile das Rennen bestreiten. In Europa wäre bei ähnlichen Vorfällen vermutlich deutlich härter durchgegriffen worden.
Wayne Taylor: Niemand hat sich entschuldigt
Die IMSA-Konkurrenz von Meyer Shank Racing gibt sich trotz des Skandals vorsichtig statt richtig draufzuhauen. Nicht ohne Grund, schließlich führt Wayne Taylor Racing ebenfalls Werkseinsätze für Acura/Honda durch und soll in der Saison sogar mit Meyer Shank zusammenarbeiten, um sich gegen Cadillac, BMW und Porsche durchzusetzen.
"Ich respektiere die Entscheidung der IMSA und Honda sowie Acura dafür, es ausgesprochen zu haben", sagte WTR-Boss Wayne Taylor zu Sportscar365. "Allerdings hätte ich als Teambesitzer gewusst, was ich gemacht hätte, wenn die Rollen umgekehrt gewesen wären. Wir haben von niemandem (bei MSR, außer von Jim Meyer) eine Entschuldigung erhalten, und das finde ich ziemlich schwach."
Daytona-Betrüger: Gebt die Rolex-Uhren zurück
Neben dem Sieg dürfen die Meyer-Shank-Piloten auch die begehrten und teuren Rolex-Daytona-Uhren behalten, die alle Klassensieger bekommen und die auf dem Schwarzmarkt locker im mittleren fünfstelligen Bereich gehandelt werden. Ob die Rennsieger Tom Blomqvist, Colin Braun, Helio Castroneves und Simon Pagenaud ihre Uhren nach dem Team-Betrug wirklich mit Stolz tragen können? Und was sich wohl Rolex als wichtigster Sponsor des 'Rolex 24 At Daytona' denkt?
Wayne Taylor: "Ich würde meinen Fahrern sagen, dass sie die Uhren dem anderen Team geben und sagen sollen, dass sie sie verdient haben. Das würde ich tun, aber wir sind nicht alle gleich. Wir müssen jetzt weiter zusammenarbeiten (mit Meyer Shank Racing), aber für mich ist das ziemlich schwierig. Solch ein Verhalten kann ich nicht verzeihen." Taylor wolle sich aus den Vorkommnissen lieber raushalten, "weil man HPD, Honda und Acura nicht weiter durch den Schmutz ziehen" solle. "Das verdienen sie wirklich nicht."
Daytona-Betrug: Thema wirklich erledigt?
HPD-Chef David Salters verurteilte den Betrug von Meyer Shank Racing in einem Statement, auf Anfrage wollte das Unternehmen weitere mögliche Konsequenzen aber nicht kommentieren. Jetzt in Sebring wurden Anfragen unterschiedlicher US-Medien an MSR-Mitbesitzer Mike Shank vom Team blockiert. Meyer Shank hatte den Betrug öffentlich eingeräumt und angekündigt, die Angelegenheit als erledigt zu betrachten. Ein weiterer Skandal, schließlich müsste das Team jetzt um absolute Transparenz bemüht sein, um nicht als ewiger Betrüger gebrandmarkt zu werden.
Die in Daytona unterlegenen Fahrer des zweitplatzierten Acura von Wayne Taylor Racing waren mit dem Verhalten von Meyer Shank Racing ebenfalls alles andere als glücklich. IMSA-Star und Ex-DTM-Fahrer Filipe Albuquerque gegenüber Sportscar365: "Ich habe nie eine Entschuldigung von irgendwem bei Meyer Shank Racing erhalten. Nicht von den Fahrern, nicht vom Teambesitzer. Niemand bei Wayne Taylor Racing hat eine Entschuldigung erhalten. Ich erachte das als mangelnden Respekt."
Albuquerque und seine WTR-Teamkollegen Ricky Taylor, Louis Deletraz und Brendon Hartley müssen sich damit begnügen, nach dem Punktabzug für das MSR-Quartett die Gesamtwertung in der IMSA-Meisterschaft anzuführen. Man darf nun gespannt sein, wie sich das Rennwochenende in Sebring entwickelt und wie die Stimmung im Fahrerlager ist.
Schließlich hatten die LMDh-Hersteller Acura, Cadillac, BMW und Porsche im Vorfeld der Saison immer wieder auf eine enge Zusammenarbeit gepocht, um möglichst sauber in die neue Sportwagen-Ära zu starten. Da dürfte ein Betrugs-Skandal schon beim ersten und zudem wichtigsten Rennen der IMSA-Meisterschaft alles andere als hilfreich sein...
Nach dem WEC-Rennen am Freitag mit den Hypercars von Ferrari und Co., starten die LMDh-Autos der IMSA am Samstag zum 12-Stunden-Rennen auf der Buckelpiste im Bundesstaat Florida.
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