Robert Wickens ist seinem erklärten Ziel, in den professionellen Motorsport zurückzukehren, einen gewaltigen Schritt nähergekommen. Der Kanadier gibt an diesem Wochenende sein Renndebüt in der IMSA-Serie beim Gastspiel der US-Sportwagenmeisterschaft in Long Beach. Auf dem ikonischen Stadtkurs, der seinen 50. Geburtstag feiert und bis 1983 die Formel 1 beheimatete, startet Wickens zum ersten Mal auf einer Corvette Z06 GT3.R und damit in der höchsten Klasse seit seinem lebensbedrohlichem Unfall 2018 beim IndyCar-Rennen in Pocono.
Wickens teilt sich die GT3-Corvette mit US-Veteran Tommy Milner, dem wohl bekanntesten Corvette-Fahrer in der Geschichte des Sportwagenbauers. Der 39-Jährige startet eigentlich in der GTD-Pro-Kategorie der IMSA, die in Long Beach wegen der Kürze der Strecke (3,167 Kilometer) jedoch pausiert. Deshalb steht Milner zur Verfügung, um sich am Steuer der von DXDT Racing eingesetzten Corvette mit Wickens am Steuer abzuwechseln.
Wickens steuert Corvette mit neuem Bosch-Bremssystem
Was nach Standard im Motorsport klingt, wird hier zur echten Herausforderung, denn: Wickens sitzt seit seinem Unfall vor acht Jahren bekanntermaßen im Rollstuhl und ist abseits der Hüfte zum Teil gelähmt. Seit seinem Motorsport-Comeback 2022 in der IMSA Michelin Pilot Challenge teilte er sich einen TCR-Hyundai zwar ebenfalls mit Teamkollegen, doch sein Bremsring am Lenkrad wies einige Schwächen auf. Mit der alten Technik kämpfte Wickens mit Bremsverzögerungen von mehreren Zehntelsekunden.
In der DXDT-Corvette kommt stattdessen ein neues, vom deutschen Unternehmen Bosch entwickeltes System zum Einsatz, dass die Latenz bei Kurvenfahrten praktisch eliminieren soll. Wickens nutzt weiterhin einen Bremsring am Lenkrad und Schaltpaddel zum Beschleunigen. Die Bremsvorgänge erfolgen nun aber nicht mehr pneumatisch, sondern per Software-Unterstützung durch ein EBS-System (Elektrisches Brems System), das Bosch eigentlich als Hybridantrieb für die LMDh-Autos entwickelt und entsprechend adaptiert hat.
Der Fahrerwechsel zwischen Wickens und Milner beim 100-minütigen Sprintrennen in Long Beach sollte auch reibungslos klappen, wenngleich Wickens deutlich mehr Anstrengung aufwenden muss, um beim Boxenstopp auf Zeit möglichst schnell das Cockpit zu verlassen. Per Hydraulik-Konfiguration kann das Bremssystem dann mit nur einem Schalter-Klick von der elektrischen auf die herkömmliche Bremse im Fußraum umgestellt werden, sodass Milner wie gewohnt fahren kann.

Wickens: Wiedersehen mit IndyCar- und DTM-Weggefährten
Das Corvette-Duo kämpft in der GTD-Klasse gegen 15 andere GT3-Autos sowie die LMDh-Boliden aus der Top-Kategorie GTP, dem US-Pendant zu den WEC-Hypercars. Hier trifft Wickens mit Marco Wittmann (BMW) und Tom Blomqvist (Acura) auf frühere Weggefährten aus der DTM, wo er zwischen 2012 und 2017 für Mercedes-Benz an den Start ging und sechs Siege vor seinem Wechsel in die IndyCar-Serie feierte. Da die IndyCars zusammen mit der IMSA einen Double-Header in Long Beach austragen, wird es ein umso emotionaleres Wiedersehen für Wickens im Fahrerlager.
"Mein Ziel von Anfang an war es, wieder in die höchsten Ebenen des Motorsports zurückzukehren", sagte Wickens. "Ich habe die IMSA schon immer als die höchste Stufe des Sportwagen-Rennsports hier in Nordamerika gesehen. Mich mit jemandem wie General Motors und DXDT Racing zusammenzutun, war einfach die perfekte Kombination. Es wäre ein Traum, wenn ich in zehn Jahren auf eine Karriere in der IMSA zurückblicken könnte."
Wer Wickens vor und nach seinem Unfall näher kennengelernt hat, der weiß, wie ehrgeizig er zu Werke geht. Der frühere IndyCar-Rookie des Jahres ist dankbar, seinen Horror-Unfall überlebt zu haben, hat dieses Ereignis aber längst abgeschüttelt. Seit seinen ersten Metern im Rennauto anno 2022 verfolgt Wickens akribisch das Ziel, in den Profi-Sport zurückzukehren. In der IMSA Michelin Pilot Challenge gewann er sogar die Meisterschaft, traf dort aber mehrheitlich auf Amateur-Fahrer. Klare Sache: Das ist nicht Wickens' Anspruch.
Wickens hofft auf IMSA-Stammcockpit 2026
"Mein Ziel ist es immer, an die Spitze zu kommen - und ich habe das Gefühl, dass ich jetzt hier bin", sagte Wickens vor dem Start in Long Beach. "Der nächste Schritt ist, Woche für Woche ein fester Bestandteil der Serie zu werden und sicherzustellen, dass ich mir für 2026 ein Vollzeit-Cockpit sichere und dann um Meisterschaften kämpfen kann. Hoffentlich können wir schon dieses Jahr um Rennsiege und Podiumsplätze mitkämpfen."
Für Wickens sind dieses Jahr fünf Renneinsätze in der auf seine Bedürfnisse angepassten DXDT-Corvette geplant. Das Auto konnte er nur einmal testen, auf der Buckelpiste von Sebring. Dass ein Fahrer vom Kaliber eines Robert Wickens, der Formel-1-Tests, in der DTM und bei den IndyCars aufs Podium fuhr, keinerlei Schwierigkeiten hat, mit einem GT3-Auto umzugehen, dürfte klar sein. Dennoch bedeutet die Umstellung auf das Handbremssystem in einem neuen Auto eine Herausforderung.

"Ich habe zum ersten Mal erlebt, wie sich das Auto bei einem langen Stint mit gebrauchten Reifen verhält", sagte Wickens nach dem Sebring-Test. "Das ist mein einziger Test für das gesamte Jahr, also wollen wir sicherstellen, dass ich so viele Werkzeuge wie möglich zur Verfügung habe, um in Long Beach oder später im Jahr keine bösen Überraschungen zu erleben. Das Beste an Sebring ist, dass viele der Scheitel- und Ausgangskurven mit ziemlich aggressiven Kerbs versehen sind - man kann sie fast wie Mauern behandeln. Deshalb war das eine gute Vorbereitung auf Long Beach."
Unser Redakteur Robert hat letztes Jahr mit seinem Namensvetter ein großes Exklusiv-Interview für die Print-Ausgabe #100 des Motorsport-Magazin geführt. Einen Auszug des Gesprächs könnt ihr in diesem Artikel nachlesen:
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