Robert Wickens ist seinem Ziel, in den professionellen Motorsport zurückzukehren, einen entscheidenden Schritt nähergekommen. Der Kanadier, der seit seinem schweren IndyCar-Unfall 2018 in Pocono im Rollstuhl sitzt, gibt in der kommenden Saison sein Debüt in der IMSA-Serie. In der US-Sportwagenmeisterschaft wird Wickens für das Neueinsteiger-Team DXDT Racing auf einer Corvette Z06 GT3.R starten.
Wickens und das aus den SRO-Serien bekannte Team planen seine Teilnahme bei fünf Sprint-Rennen, beginnend mit Long Beach am 11.-12. April 2025. Der 35-Jährige startet in der GTD-Kategorie, die unterhalb der GTD-Pro-Klasse angesiedelt ist. In beiden Klassen kommen handelsübliche GT3-Fahrzeuge mit unterschiedlichen Fahrerpaarungen zum Einsatz. Für Wickens bedeutet dieses heckangetriebene Fahrzeug eine neue Herausforderung, nachdem er seit 2022 ausschließlich einen Hyundai Elantra N TCR mit Frontantrieb fuhr.
Robert Wickens: "Ich möchte wieder professioneller Rennfahrer werden"
"Das ist eine traumhafte Gelegenheit", sagt Wickens. "Seit ich wieder in der Michelin Pilot-Serie Rennen fahre, war das Ziel immer, in die WeatherTech-Serie (IMSA) aufzusteigen. Es wird sehr schwierig, das ist mir vollkommen bewusst. Ich möchte wieder ein professioneller Rennfahrer werden, wie ich es vor meinem Unfall war, und das ist ein gewaltiger Schritt in diese Richtung."
Wickens erhält auf seinem angestrebten Weg zurück zur Profi-Karriere Unterstützung von Bosch. Das deutsche Unternehmen hat dem früheren DTM-Piloten ein spezielles System zur Verfügung gestellt, mit dem er Autos nun deutlich besser steuern kann als mit dem Vorgänger. Bei der alten Technik kämpfte Wickens mit Bremsverzögerungen von mehreren Zehntelsekunden, während es den Bosch-Ingenieuren gelungen ist, diese Latenz praktisch zu eliminieren.
Wickens nutzt weiterhin einen Bremsring am Lenkrad und Schaltpaddel zum Beschleunigen. Die Bremsvorgänge erfolgen nun aber nicht mehr pneumatisch, sondern per Software-Unterstützung durch ein EBS-System (Elektrisches Brems System), das Bosch eigentlich als Hybridantrieb für die LMDh-Autos entwickelt und nun entsprechend adaptiert hat.
Je nachdem, wie stark Wickens am Bremsring zieht, liest ein Steuergerät den an zwei Master-Zylindern eingehenden Druck ein und leitet ihn an zwei EBS-Bremssysteme im Fahrzeug weiter: eines an der Vorder- und eines an der Hinterachse. Der Bremsdruck bzw. die Signale werden an das ABS (Antiblockiersystem) weitergeleitet, wodurch der Bremsvorgang an beiden Achsen erfolgt. Die größte Herausforderung für die Bosch-Ingenieure bestand in der Systemauslegung der Software, um Wickens per elektrischen Signalen das Gefühl am Bremsring zu vermitteln, welches er früher in seinem Bremsfuß gespürt hat.
Wickens profitiert von Boschs EBS-Bremssystem
Ein weiterer Vorteil: Das adaptierte EBS-System ist so kompakt gestaltet, dass es sich ohne größere Schwierigkeiten in unterschiedliche Rennwagen einbauen lässt. "Der erste Schlüssel ist Bosch", bestätigt Wickens. "Sie kamen mit ihrer Technologie ins Spiel und halfen mir, die Chance zu bekommen, auch andere Autos zu fahren. Ich hatte immer den Ehrgeiz, in die WeatherTech-Serie aufzusteigen, aber es war immer eine komplizierte Diskussion. Es ist schwierig, sich selbst zu vermarkten und dann zu sagen: 'Übrigens, ihr müsst ein komplett neues Bremssystem entwickeln, zusätzlich zu allem anderen.'
Das Team DXDT Racing erhielt beim Einbau des EBS-Systems zusätzliche Unterstützung durch Pratt & Miller, die die Z06 GT3.R für Corvette entwickelt haben. Wickens war bereits vor zwei Wochen im Workshop des US-Teams, um sich ein eigenes Bild von den Arbeiten machen zu können. Ab Januar stehen die ersten Straightline-Tests auf dem Plan, um die Funktionalität unter realen Bedingungen ausprobieren zu können. In der IMSA-Serie teilen sich mehrere Fahrer ein Auto. Das ist im besonderen Fall von Wickens aber kein Problem: Per Hydraulik-Konfiguration kann das Bremssystem mit nur einem Schalter-Klick von der elektrischen auf die herkömmliche Bremse im Fußraum umgestellt werden.
Wickens: "Habe den Traum, noch einmal das Indy 500 zu fahren"
"Der Rennfahrer in mir würde sehr gerne schon in Daytona und Sebring an den Start gehen", sagt Wickens, der die beiden Langstrecken-Rennen zum Saisonbeginn auslassen wird. "Aus emotionaler Sicht ist Long Beach aber so ziemlich das beste Debüt angesichts meiner vorherigen Karriere." Auf dem Stadtkurs bestreiten die IMSA und die IndyCar-Serie ein gemeinsames Rennwochenende - Wickens wird somit auf zahlreiche seiner früheren Indy-Kollegen treffen.
Mit der GTD-Kategorie in der IMSA soll für Wickens, der seit dem Pocono-Unfall querschnittsgelähmt ist, noch lange nicht Schluss sein. "Weißt du, ich habe den Traum, noch einmal das Indy 500 zu fahren", sagte er vor Kurzem im Interview für die bald erscheinende, 100. Print-Ausgabe des Motorsport-Magazin. "Es gab in der 108-jährigen Geschichte dieses Rennens noch nie einen gelähmten Fahrer, der dort nur mit seinen Händen gefahren ist. Wäre das nicht eine tolle Geschichte? Und ich glaube, dass das EBS-System auch in ein IndyCar passen würde... Langfristig denke ich, dass ich in den professionellen Langstrecken-Sport gehöre."
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