Nico Müller steht nach einer fast dreimonatigen Verletzungspause vor seiner Rückkehr ins Rennauto. Der Schweizer startet in der kommenden Woche für das Formel-E-Team Abt-Cupra bei den offiziellen Vorsaison-Testfahrten in Valencia (24.-27. Oktober). Auf dem spanischen Kurs absolvieren die elf Teams die einzigen Kollektiv-Testfahrten vor dem Saisonauftakt am 13. Januar 2024 in Mexiko-City.

"Ich bin noch nicht bei 100 Prozent, aber nicht weit davon entfernt", sagt Müller zu Motorsport-Magazin.com. Der zweifache DTM-Vizemeister saß bereits im Formel-E-Simulator der Äbte und freut sich nun auf sein Comeback im realen Rennauto. "Die ersten sechs bis acht Wochen waren uncool. Ich musste stillhalten, aber Geduld gehört nicht zu meinen Stärken."

Nico Müller startet für Abt-Cupra aus Kempten, Foto: LAT Images
Nico Müller startet für Abt-Cupra aus Kempten, Foto: LAT Images

Müller: Schlüsselbeinbruch erfolgreich operiert

Müller musste einen Schlüsselbeinbruch auskurieren, bei dem auch die Bänder an dieser Stelle des Körpers in Mitleidenschaft gezogen worden. Der 31-Jährige verletzte sich nach Informationen von Motorsport-Magazin.com bei Dreharbeiten kurz vor Beginn des DTM-Events auf dem Nürburgring am 03. August, wo er erstmals als TV-Experte eingeplant war. Müller wurde kurz nach dem Vorfall in Zürich in einer Spezialklinik operiert.

"Dann ging es relativ zügig mit der Reha voran", sagt Müller, der wegen seiner Verletzung das WEC-Rennen in Fuji (15. September) absagen musste und im Peugeot-Hypercar durch Stoffel Vandoorne vertreten wurde. "Ich freue mich, wieder ins Lenkrad zu greifen. Man merkt erst einmal, was einem fehlt, wenn man eine Weile außer Gefecht ist."

Nico Müller startet in der Formel E für das Team Abt-Cupra
Nico Müller meldet sich in der Formel E zurück, Foto: LAT Images

"Funktionell sollte ich keine Einschränkungen haben"

Müller zeigt sich nach Rücksprache mit den Ärzten guter Hoffnung, dass seine erlittene Verletzung keine bleibenden Schäden hinterlassen wird: "Schon nach der Operation war klar, dass es mindestens zu 99 Prozent wieder passen wird, wenn wir nichts überstürzen. Es kann sein, dass ich noch eine Weile etwas fühle, aber funktionell sollte ich keine Einschränkungen haben. Im Simulator habe ich gar nichts gespürt. Es wird aber sicherlich noch ein paar Monate dauern, bis alles komplett weg ist."

Es habe Müller anfangs etwas Überwindung gekostet, in den Simulator zu klettern, "weil du deinen Körper neu kennenlernen musst und es ungewohnt ist, wenn der Körper solche Bewegungen eine Weile nicht gemacht hat. Nach ein paar Runden war ich erstaunlich schnell wieder im Rhythmus".

Ein Simulator bietet allerdings unterschiedliche Möglichkeiten, die wirkenden Kräfte etwa am Lenkrad anzupassen. Den ersten 'Härtetest' wird Müller kommende Woche vor den Toren von Valencia auf der permanenten Rennstrecke namens Circuit Ricardo Tormo erleben. Das Formel-E-Auto gilt als physisch durchaus anspruchsvoll, weil es nicht über eine Servolenkung verfügt und durch den Frontmotor zusätzliches Gewicht auf der Vorderachse lastet.

Nico Müller startet in der Formel E für das Team Abt-Cupra
Bald wieder im Cockpit: Der Schweizer Nico Müller, Foto: LAT Images

Müller scherzt: "Hoffentlich bin ich der limitierende Faktor"

"Ich hoffe, dass ich der limitierende Faktor sein werde", sagt Müller mit einem Grinsen im Gesicht, wohl noch an die Probleme seiner Abt-Truppe mit dem Mahindra-Kundenauto aus der vergangenen Saison denkend. "Ich würde lügen, wenn ich davon ausgehe, dass ich auf dem gleichen Stand sein werde wie beim letzten Saisonrennen in London. Die Autos sind schon anstrengend zu fahren. Ich gehe davon aus, dass ich an allen drei Tagen fahren werde. Vielleicht verkürzen wir mal eine Renn-Simulation, aber das sprechen wir im Team ab."

Vielleicht nicht verkehrt zumindest aus Sicht von Müller: Bei den Valencia-Testfahrten sind alle Teams erstmals verpflichtet, mindestens einen Rookie-Fahrer zu bestimmten Zeiten in den Sessions einzusetzen. Die Äbte haben den früheren DTM-Piloten Adrien Tambay sowie das deutsche Nachwuchstalent Tim Tramnitz nominiert, die beide schon in der vergangenen Saison testen durften. Um einen möglichen Verzicht auf den Saisonstart in Mexiko Mitte Januar macht sich Müller keine Sorgen.

Ob er mit Peugeot das diesjährige WEC-Saisonfinale in Bahrain (04. November) bestreiten kann, entscheidet laut Müller final Peugeot: "Aus meiner Sicht bin ich fit. Ich bin sehr dankbar, dass Peugeot und Abt keinen Druck gemacht, sondern meine volle Genesung in den Vordergrund gestellt und mich unterstützt haben. Auch mental, weil ich so eine Situation noch nie zuvor erlebt habe."