Mit einer Saison Verspätung ist es offenbar soweit: Die Formel E führt 2024 zum ersten Mal seit 2017/18 wieder Pflicht-Boxenstopps ein. Nachdem die Fahrer damals mit dem Gen1-Auto zur Rennmitte die Boxengasse ansteuern mussten, um einen Wechsel des kompletten Autos vorzunehmen, steht mit dem Gen3-Boliden nun erstmals ein Nachlade-Stopp bevor. Geschah der Boxenstopp einst wegen der begrenzten Batteriekapazität, will die Formel E jetzt ein neues Strategie-Element einführen.

Dabei werden die Autos mit einem einheitlichen Ladekabel - ähnlich wie im Straßenverkehr - verbunden, um so innerhalb einer vorgegebenen Zeit eine bestimmte Menge Energie 'nachzutanken'. Wie lange solch ein Pflicht-Boxenstopp dauern wird, ist im jüngst veröffentlichten Sportlichen Reglement der Formel E für 2024 nicht definiert. Stattdessen gibt die FIA alle Details und Vorgaben per Bulletin vor der jeweiligen Veranstaltung bekannt.

Formel E: Pflicht-Boxenstopps dauern rund 30 Sekunden

Es ist davon auszugehen, dass diese Boxenstopps etwa 30 Sekunden dauern werden. Mittels eines 600-kW-Booster werden rund 4 kWh (Kilowattstunden) nachgeladen. Das entspricht grob einem Zehntel der festgeschriebenen Energie, die ein Fahrer während eines Rennens nutzen darf. Erst wenn ein Fahrer seinen Pflicht-Boxenstopp absolviert hat, darf er den bereits bekannten Attack Mode - 350 statt der üblichen 300 kW - für einen bestimmten Zeitraum nutzen.

"Es wird passieren", bestätigte zuletzt auch DS-Penske-Technikdirektor Nicolas Mauduit. "Die FIA und Formel E finalisieren das Sportliche Reglement. Ob es bei allen Rennen zum Einsatz kommen wird, wird noch durch die FIA festgelegt." Im Regelbuch ist nicht die Sprache davon, dass in jedem Rennen ein Boxenstopp verpflichtend sein wird. Sondern nur, wenn vor einem Rennwochenende per Bulletin angekündigt.

Pflicht-Boxenstopps nur bei bestimmten Rennen

Es ist davon auszugehen, dass es nur bei ausgewählten Rennen einen Pflicht-Boxenstopp - die Formel E nennt es 'Attack Charge' - geben wird. Das dürfte sich vor allem nach den jeweiligen Gegebenheiten der meist temporären Boxengassen sowie der Streckenlänge richten. Je kürzer der Kurs, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass das Feld durch zwischenzeitlich überrundete Autos auseinandergezogen wird. Die Macher der Formel E legen allerdings Wert auf das enge Racing.

In der Boxengasse der Formel E wird es bald wieder geschäftig, Foto: LAT Images
In der Boxengasse der Formel E wird es bald wieder geschäftig, Foto: LAT Images

Attack Charge war schon für 2023 geplant

Eigentlich hätte der Attack Charge schon zur Saison 2023, der ersten mit den neuen Gen3-Autos, eingeführt werden sollen und war auch im Sportlichen Reglement enthalten. Wegen Lieferproblemen im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und generellen Technik-Sorgen bezüglich des neuen Rennwagens verzichteten die Verantwortlichen jedoch. Die Idee, Boxenstopps während der laufenden Rennen einzuführen, wurde nach einigen Monaten auch auf das Drängen einiger Teams über Bord geworfen.

Das System wurde bereits getestet und dürfte bei den anstehenden Testfahrten in Valencia (23.-27. Oktober) eine zentrale Rolle einnehmen. Schließlich dürften sich ePrixs mit Boxenstopps stark auf die Rennverläufe auswirken, die zuletzt stark von sogenannten Energiespar-Schlachten geprägt waren. "Das wird sehr davon abhängen, ob die Formel E Schnelllade-Boxenstopps einführt oder nicht", sagte Ex-Weltmeister und Rückkehrer Nyck de Vries zu Motorsport-Magazin.com. "Wenn das der Fall ist, wird sich dadurch die Dynamik der Rennen signifikant ändern."

Formel E mit Boxenstopp-Fenster und Mindeststandzeit

Vermutlich wird den Teams bei entsprechenden Rennen ein bestimmtes Boxenstopp-Fenster vorgegeben, innerhalb dessen sie nachladen müssen. Wann ein Fahrer dann in die Boxengasse abbiegen darf, richtet sich nach der FIA-Vorgabe und laut Sportlichem Reglement auch nach dem maximalen bzw. minimalen 'State of Charge' (Ladezustand) des Autos. Es muss stets die maximale Energiemenge eingefüllt werden, was einer aus anderen Rennserien bekannten Mindeststoppzeit gleichkommt.

Interessant: In der aktuellen Fassung des Reglements heißt es, dass ein Räderwechsel erst nach dem abgeschlossenen Ladevorgang erlaubt ist. Zuvor war es laut Regelbuch verboten, zusätzlich zum Tank-Stopp auch die Reifen zu tauschen. Das bietet den Teams zumindest in der Theorie zusätzliche Strategie-Möglichkeiten, wenngleich sich ein Wechsel der nur langsam abbauenden Allwetter-Reifen von Hankook (vier Sätze pro Rennwochenende erlaubt) aus Zeitgründen kaum lohnen dürfte.

Spätestens 21 Tage vor einem Rennen kommuniziert die FIA die Boxenstopp-Vorgaben - ausreichend Zeit für die findigen Ingenieure, um die beste Taktik im Simulator auszutüfteln.

Formel E: Show Case für Straßenautos

Im Rennen dürfen maximal zwei Mechaniker beim Boxenstopp am Auto arbeiten, ein zusätzlicher 'Lollipop-Mann' für die An- und Abfahrt zum Boxenplatz ist erlaubt. Pro Runde darf zudem nur ein Auto pro Team abgefertigt werden. Verpasst ein Fahrer im Rennen den Pflicht-Boxenstopp, erhält er eine Zeitstrafe von 20 Sekunden plus der Zeit für eine Stop-and-Go-Penalty.

"Das ist eine gute Gelegenheit, den Menschen zu zeigen, wie schnell man ein E-Auto aufladen kann", sagte DS-Performance-Direktor Eugenio Franzetti. "Die Formel E nimmt da auch eine pädagogische Rolle ein. Kunden von Elektro-Autos kommen oft mit Fragezeichen bezüglich des Aufladens. Wir wollen zeigen, dass das einfach und superschnell funktioniert. Das ist näher am Kunden, um zu zeigen, dass die Zukunft elektrisch ist."