Die Formel E hat soeben die erste Saison mit dem neuen Gen3-Rennwagen hinter sich gebracht, übernächstes Jahr kommt ein Gen3.5-Nachfolger - und im Hintergrund laufen längst die Planungen für die künftige Gen4-Ära. Die vierte technologische Ära in der Geschichte der Elektro-WM verspricht ab 2026/27 beeindruckende Leistungsdaten: 600 kW bzw. 816 PS Leistung, Allradantrieb und bis zu 700 kW Energierückgewinnung.

Seit Mitte dieses Jahres sucht die FIA per offizieller Ausschreibung Partner für die Entwicklung des Gen4-Autos, das von der Saison 2026/27 bis mindestens zur Saison 2029/30 zum Einsatz kommen soll. Interessierte Unternehmen können sich für die Bereiche Chassis, Batterie sowie Frontmotor bewerben. Ende August hat die Automobil-Weltverband zudem einen Ausschreibungsprozess - im Englischen: 'Tender' - für die Reifen gestartet.

Formel E: Gen4-Auto weiter auf Allwetterreifen

Aus diesem Schreiben geht hervor, dass die Formel E auch künftig auf Allwetter-Reifen anstelle der im Motorsport üblichen Slicks zurückgreifen will - trotz der deutlich höheren Performance, die derzeit im Raum steht. Seit der Saison 2023 beliefert Hankook die Formel E als Alleinausstatter, davor von 2014 bis 2022 war Michelin für die Reifenlieferung zuständig.

Der Plan, an den unüblichen Allwetterreifen festzuhalten, führt auf den Gedanken der Nachhaltigkeit zurück. Während andere Rennserien tausende Reifen für die Rennen rund um den Globus transportieren, beschränkt sich die Formel E seit jeher auf das Nötigste. Und so soll es in Zukunft auch mit dem Gen4-Auto bleiben: Pro Rennen stehen einem Fahrer nur zwei Reifensätze zur Verfügung, bei Doppel-Rennen sind es drei.

Formel E: Gen4 laut Ausschreibung und Gen3 im Vergleich

DatenGen4 (ab 2026/27)Gen3 (seit 2023)
Maximale Leistung600 kW (816 PS)350 kW (476 PS)
Maximale Rekuperation700 kW600 kW
Batterie-Kapazität55 kWh38,5 kWh
AntriebsartAllradantriebHeckantrieb
AntriebsartAllwetter Allwetter & Heavy Wets
Fahrzeug-Gesamtgewicht930 kg854 kg
Batterie-Gewicht340 kg284 kg
Maße (Breite/Höhe/Länge in mm)1800/ 5000/12501707/ 5016/1023

FIA fordert Typhoon-Reifen für Starkregen

Laut der FIA-Ausschreibung sollen die Hersteller einen zusätzlichen Reifen für den Einsatz unter starkem Regen entwickeln. Für derartige Bedingungen mussten bislang die Allwetterreifen herhalten. Die FIA bezeichnet dieses Produkt passenderweise als 'Typhoon'-Reifen. Wer sich mit der Historie der Formel E auskennt, der weiß: Ein solcher Taifun-Reifen befand sich schon in einer Ausschreibung von 2014 und war für den Transport und möglichen Einsatz im Regen vorgesehen. In den Rennen kam jedoch immer der übliche Allweather-Reifen zum Einsatz.

Mit ansteigender Leistung der Antriebsstränge und Batterien wurden in den vergangenen Jahren die Rufe nach 'echten' Slick-Reifen immer lauter. Die letzte Debatte entbrannte mit der Einführung des bis zu 350 kW (476 PS) starken Gen3-Autos. Die Verantwortlichen der Formel E betonten jedoch stets, dass eine Vielzahl an Slick-Reifen dem grünen Gedanken der Meisterschaft widerspreche und schlossen einen Wechsel auf Slicks für die kommenden Jahre aus.

Formel E in Zukunft mit unterschiedlichen Bodykits?

In der Formel E soll die Performance der Reifen weiter nur eine untergeordnete Rolle spielen. Für das Gen4-Auto gewünscht ist eine Mischung, die über einen sehr geringen Verschleiß, einen linearen Abbau und ausreichend Grip für den sicheren Einsatz bei leichtem Regen verfügt. Reifenwärmer sind in der Formel E ohnehin nicht erlaubt und wurden nach und nach auch in anderen Rennserien wie der DTM oder der WEC abgeschafft.

Offen ist noch, ob das Gen4-Auto genau wie der aktuelle Bolide auf Rädern mit einer Größe von 18 Zoll fahren soll, oder ob sogar 20 Zoll für die Zukunft eine Lösung sein könnten. Ebenso zur Debatte stehen zwei unterschiedliche Bodykits, die je nach Rennstrecke zum Einsatz kommen könnten. Alternativ dazu spricht die FIA in ihrer Chassis-Ausschreibung von beweglichen Bodywork-Teilen am Auto, um verschiedene Aero-Konfigurationen zu erreichen.

Jake Dennis beim Formel-E-Rennen in London
Das Gen4-Auto soll mächtig viel Leistung haben, Foto: DPPI/Hankook

Formel-E-Auto ab 2026/27 mit bis zu 816 PS

Die Leistung des Gen4-Autos soll bis zu 600 kW betragen, was rund 816 PS entspricht. Das wären etwa 70 Prozent mehr Leistung als beim aktuellen Gen3-Boliden, der es im Qualifying sowie während des Attack Mode auf bis zu 350 kW (476 PS) bringt. In der Ausschreibung gibt die FIA unterschiedliche Szenarien vor mit Rennen, in denen wahlweise 600 oder 300 kW Leistungsabgabe erlaubt sind. Es dürfte noch eine ganze Weile dauern, bis das Rennformat für 2026 und darüber hinaus beschlossen ist.

Die Menge der Energierückgewinnung soll von aktuell 600 auf 700 kW ansteigen, mit je 350 kW über die beiden Elektro-Motoren an der Front- und Hinterachse. Den Antriebsstrang im Heck können die Hersteller weiterhin selbst entwickeln, beim Frontmotor handelt es sich wie aktuell um ein Einheitsbauteil. Im Gen3-Auto darf der Frontmotor allerdings nur zur Rekuperation genutzt werden, ab dem 3.5-Auto soll eine zeitweise Energieabgabe im Qualifying oder beim Attack Mode möglich sein.

Gen4-Auto: Mehr Leistung - höheres Gewicht

Die erhöhte Leistung verlangt - wie fast überall im derzeitigen Rennsport - nach einem höheren Gewicht. Das Gen4-Auto soll mit Fahrer 930 Kilogramm als Zielgewicht auf die Waage bringen und damit 76 Kilo mehr als das Gen3-Fahrzeug (854 kg). Dabei sind 340 Kilogramm allein für die Batterie vorgesehen (aktuell: 284 kg). An den Abmaßen des Chassis soll sich nicht allzu viel ändern, die Autos sollen nur 10 Zentimeter in der Breite (1.800 statt 1.700 Millimeter) zulegen.

Das bislang enge Racing soll ein wichtiger Bestandteil der Formel E bleiben: Laut der FIA-Ausschreibung für das Chassis ist vorgegeben, dass der Abtrieb und der Luftwiderstand des folgenden Autos nicht weniger als 75 Prozent (bei 10 Metern Abstand) bzw. 95 Prozent (bei 20 Metern Abstand) des führenden Autos betragen darf. Den bekannten Effekt der 'Dirty Air' bei Rennwagen mit hoher Downforce will die FIA damit vermeiden.

Mitte Oktober 2023 will die FIA ihre Wahl für die jeweiligen Hersteller der Chassis, Batterien und Frontmotoren treffen. Der künftige Reifenlieferant soll wegen der späteren Ausschreibung im Dezember folgen. Hersteller, die ab Ende 2026 in der Formel E an den Start gehen wollen, müssen sich im ersten Quartal 2024 einschreiben. Die Gen4-Rennwagen sollen bis zum 01. September 2026 ausgeliefert werden, bevor die Saison 2026/27 Ende jenes oder Anfang des nächsten Jahres startet.